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Kreis Düren: Ambitionierte Konzepte für den Klimaschutz und die Mobilität der Zukunft

Allgemein, Energie, Ländlicher Raum, Strukturpolitik, Umwelt, Verkehr

Mit ambitionierten Konzepten stellt sich der Kreis Düren den Herausforderungen Klimaschutz und Energiewende. Dank neuer Verkehrsstrukturen können Bürger immer öfter auf ihr Auto verzichten und mit dem Bau eines Autotestzentrums wird ein erheblicher Beitrag für zukunftsweisende Mobilitätskonzepte geleistet. Auch in dem Bereich ressourcensparendes Wohnen gibt es ein zukunftsweisendes Muster mit Mehrwert.

Solarpark Inden, Foto: F&S Solar

Energieproduktion hat Tradition im ländlich geprägten Kreis Düren. Zurzeit ist er Standort von zwei aktiven Braunkohletagebauen (Hambach und Inden), ein weiterer grenzt unmittelbar an das Kreisgebiet an (Garzweiler II). Doch die Jahre der Kohleverstromung sind gezählt. 2030 soll der Tagebau Inden als erster stillgelegt werden – so der Stand heute. Mit Rurwasser geflutet entsteht anschließend mitten im Kreis Düren ein attraktiver See von der Größe des Tegernsees. Am Tagebaustandort Inden stoßen die Vergangenheit und die Zukunft der Energieerzeugung augenfällig aufeinander.

Unmittelbar neben dem Braunkohlekraftwerk Inden hat die 2011 gegründete Rur-Energie GmbH , die den Ausbau der regenerativen Energien in der Region kräftig vorantreibt, ihr erstes Projekt umgesetzt. Auf dem Gelände einer ehemaligen Mülldeponie wurden 16.000 Sonnenkollektoren installiert und der damals landesweit größte Solarpark seiner Art geschaffen. Er erzeugt seitdem Jahr für Jahr klimaneutral Strom für rund 1.000 Haushalte. Die Gesellschaft war vom Kreis, der Sparkasse und den Stadtwerken Düren gegründet worden. Später stießen mit der Stolberger EWV und den Stadtwerken Jülich zwei weitere Partner aus der Region hinzu. Um die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben, ist seit 2016 erstmals ein hauptamtlicher Geschäftsführer an Bord. Mittlerweile umfasst das Portfolio der kommunalen Gesellschaft 23 Photovoltaikanlagen und vier Windparkbeteiligungen. Darunter ist auch der noch im Bau befindliche „indeland Windpark Eschweiler“ mit 13 Windkraftanlagen. An dieser Projektgesellschaft, die rund 62 Millionen Euro investiert, hält die RurEnergie 20 Prozent der Anteile. Wenn der Park im Herbst 2017 fertig gestellt ist, vergrößert die RurEnergie ihr Portfolio um weitere acht Megawatt (MW) auf gut 21 MW installierte Leistung. Damit können dann rund 12.300 Haushalte mit Strom versorgt werden. Der Umwelt bleiben dadurch jährlich rund 37.500 Tonnen klimaschädliches CO2 erspart.
Weitere Windprojekte sind in der Pipeline. Für den Bau eines Windparks in Kreuzau, der den Bestand der RurEnergie um weitere zwölf MW vergrößern würde, erwartet man Anfang 2018 eine Genehmigung. Die RurEnergie hofft, dass die politischen Rahmenbedingungen auf Landesebene die Umsetzung des Projekts weiterhin zulassen. Aber auch im Bereich Photovoltaik ist ein weiterer Ausbau geplant. Hier setzt die Gesellschaft vor allem auf das Dachflächensegment. Noch im Herbst 2017 sollen drei Anlagen mit insgesamt 120 kW installiert werden.

Ein bemerkenswertes Solar-Projekt hat die kreisangehörige Gemeinde Niederzier unlängst ans Netz gebracht: Gemeinsam mit dem Tagebaubetreiber RWE hat sie auf einem über 600 Meter langen Teilstück der alten Autobahn A4 im Abraumgebiet des Braunkohletagebaus Hambach eine „Solarautobahn“ in Betrieb genommen. Wo bis vor wenigen Jahren täglich über 60.000 Fahrzeuge fuhren, wird in den nächsten zwei Jahrzehnten Strom für über 200 Haushalte erzeugt.

Mobilität – ein Thema mit vielen Facetten

Im Wettbewerb der Regionen ist das Vorhandensein eines für Jung und Alt attraktiven Mobilitätsangebots ein entscheidender Erfolgsfaktor. Das gilt auch und vor allem für den ländlichen Flächenkreis Düren, in dem mehr als die Hälfte der 260.000 Menschen in Dörfern unter 3.000 Einwohnern lebt. Dass qualitativ gute ÖPNV-Angebote geschätzt werden, belegt die Erfolgsgeschichte der Rurtalbahn. Täglich nutzen über 8.000 Menschen ihre Züge, die das Kreisgebiet der Rur folgend eingleisig in Nord-Süd-Richtung erschließen. Als der Kreis Düren die Strecke vor 25 Jahren von der Deutschen Bahn übernommen und damit vor dem Aus bewahrt hat, waren es nur 800.

Mitten in ihrer Renaissance befindet sich die Eifel-Bördebahn, die die beiden Kreisstädte Düren und Euskirchen verbindet. Der Personenverkehr auf der 1864 eröffneten eingleisigen Strecke durch die Zülpicher Börde war 1983 eingestellt worden. Nachdem ein Bürgerverein und die Rurtalbahn 2010 mit ihren Sonn- und Feiertagsfahrten in den Sommermonaten wichtige Impulse gesetzt hatten, haben die beiden Nachbarkreise das Projekt gemeinsam beflügelt. So gibt es seit Januar 2016 auf der 30 Kilometer langen Stecke einen vom Nahverkehr Rheinland offiziell bestellten ganzjährigen Personenverkehr an Wochenenden und Feiertagen. Ab Dezember 2018 sollen die Personenzüge auch an Wochentagen verkehren; mit dem Vollausbau der Strecke ist frühestens ab Dezember 2020 zu rechnen, wenn der ÖPNV-Bedarfsplan durch das Land genehmigt wird. Dann soll die Fahrtzeit zwischen den beiden Kreisstädten statt einer Stunde nur noch 38 Minuten betragen. Die Bördebahnstrecke ist überdies an die Rheinschiene angebunden und ermöglicht es Zügen somit, den überlasteten Knotenpunkt Kölner Hauptbahnhof zu umfahren.

Doch zurück an die Rur: Der neue Nahverkehrsplan, der zum Jahresbeginn 2019 in Kraft treten soll, wird dem ÖPNV im Kreis Düren weiteren Aufwind bescheren. Bevor die Planer ihn entworfen haben, hat der Kreis Düren 2014 über 22.000 Haushalte anonym befragt, um konkret zu erfahren, welche Wege deren Mitglieder in ihrem Alltag wie zurücklegen. Die gewonnenen Erkenntnisse prägen den neuen Nahverkehrsplan: Das künftige Busangebot wächst um zehn Prozent und ist pass-genauer. Weitere Schnellbusse verkürzen die Fahrzeiten. Jede der 15 kreisangehö-rigen Kommunen ist dann an das Schnellverkehrsnetz angebunden. Zusätzliche Rufbusse und Anrufsammeltaxen dienen in auslastungsschwachen Zeiten im länd-lichen Raum als flexible Ergänzung. In den 15 Kommunen sollen zudem über 40 Mobilitätsstationen als Knoten entstehen, die den Umstieg von einem Verkehrsmittel auf ein anderes fördern. Dort gibt es moderne Fahrradabstellanlagen (Bike & Ride) und je nach Größe weitere Angebote wie Park & Ride und Carsharing (darunter auch Elektroautos). Ob Fahrradverleihsysteme integriert werden, wird zurzeit noch geprüft. Die Infrastruktur soll es jedem ermöglichen, sich von Fall zu Fall seine individuelle Mobilitätskette zusammenzustellen – als Alternative zum eigenen Auto, das bis dato im ländlichen Raum als unverzichtbar gilt. Es ist geplant, die Kreisstadt Düren flächendeckend mit Ladestationen auszustatten, um dem E-Auto den Weg zu ebnen. Auch die Anschaffung von E-Bussen wird erwogen. Zukunftsweisendes kündigt sich darüber hinaus auf der Schiene an. So soll ab 2021 einer von vier Vorserien-Triebwagen mit Brennstoffzellentechnik des Herstellers Alstom auf den Rurtalbahn-Gleisen im täglichen Regelbetrieb getestet werden.

Starthilfe für das Auto von morgen

Als Klimaschutz-Baustein kann auch das Aldenhoven Testing Center (ATC) gewertet werden. Mit der Excellence-Uni RWTH Aachen als Partner hat der Kreis Düren auf der Zechenbrache Aldenhoven eine weithin einzigartige Autotestinfrastruktur geschaffen. Auf der Anlage können Ingenieure die Automobiltechnik von morgen auf Herz und Nieren erproben, um sie zu perfektionieren.

Automotive Testing Center Aldenhoven, Foto: ATC

Nur auf dem Campus Aldenhoven können Personenwagenentwickler schon heute Technologien erproben, die ihre Signale vom künftigen europäischen Satellitensystem Galileo empfangen. Zur Entwicklung des vernetzten Fahrens wurde mit einem 5G Mobility Lab zudem ein Forschungsumfeld aufgebaut, das mit seiner Datenübertragungs-geschwindigkeit zukunftsweisend ist. Da das ATC zu den raren Teststrecken gehört, die allen Interessenten offenstehen, ermöglicht es auch den vielen innovativen kleinen und mittleren Unternehmen, ihre Projekte optimal zu entwickeln. Ein mittelständisches Unternehmen, das Getriebe für die internationale Automobilindustrie entwickelt, hat sich bereits auf dem Campus Aldenhoven angesiedelt, um die Teststrecke direkt vor der Firmentür zu haben. Damit entfaltet das ATC tatsächlich die von der Wirtschaftsförderung erhoffte Magnetfunktion.

Ressourcenschonendes Bauen und Wohnen

Für Ressourcenschonung und Klimaschutz steht auch das Faktor-4-Haus. Die von der kommunalen Familie getragene Entwicklungsgesellschaft indeland mbH, die den Strukturwandel rund um den Braunkohletagebau Inden gestaltet, lässt dort zurzeit das erste serienreife Musterhaus bauen. Faktor 4 steht dafür, dass es über den gesamten Lebenszyklus viermal so ressourcenschonend ist wie ein herkömmliches Haus. Und zwar beim Bau, während es bewohnt wird und wenn es irgendwann einmal entsorgt werden muss. Die Entwicklungsgesellschaft indeland trägt die Philosophie des ressourcenschonenden Bauens und Wohnens aber nicht nur in die Neubaugebiete der Region, sondern ist auch bundesweit aktiv, um ein Bewusstsein für klimafreundliches Bauen zu wecken, bei dem Sparsamkeit keineswegs Verzicht auf Komfort bedeutet.

Foto: Kreis Düren

Autor: Wolfgang Spelthahn ist Landrat des Kreises Düren

Der Beitrag ist erschienen in der September- Ausgabe der KOPO

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