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Nachhaltigkeitsstrategien in kleineren Kommunen sind ausbaufähig

Allgemein, Bürgerbeteiligung, Forschung, Innenpolitik, Ländlicher Raum, Umwelt

Nachhaltigkeit ist bereits in vielen Städten und Gemeinden ein Thema – doch ein Gesamtkonzept dazu eher die Ausnahme. Insbesondere kleinere Gemeinden haben hier noch Nachholbedarf. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die alle 1.101 Kommunen in Baden-Württemberg unter die Lupe genommen hat.

Die drei Säulen der Nachhaltigkeit – gesunde Umwelt, sozialer Ausgleich und wirtschaftliche Entwicklung – spielen auch bei der Kommunalentwicklung zunehmend eine Rolle. Das Land Baden-Württemberg hat es sich in seiner Nachhaltigkeitsstrategie auf die Fahnen geschrieben, diese Grundlagen auch langfristig zu sichern – gemeinsam mit den Bürgern des Landes.

Ob und wie weit nachhaltige Kommunalentwicklung unter Mitwirkung der Bürger bereits bei den Städten und Gemeinden des Landes gelebte Realität ist, hat nun Prof. Dr. Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, gemeinsam mit seinem Team untersucht. Das Pilotprojekt wurde vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg gefördert. Nun liegt der Abschlussbericht vor.

Defizite beim Konzept und bei der Bürgerbeteiligung

Die Forscher befragten dazu alle 1.101 Kommunen in Baden-Württemberg – von denen 419 (38 %) an der Umfrage teilnahmen. „Nachhaltigkeit ist vor allem für die kleinen Kommunen noch eine punktuelle Angelegenheit – eine Biogasanlage hier oder ein Mehrgenerationenhaus dort“, schildert Prof. Dr. Brettschneider. „Das lässt sich alles natürlich in den Bereich Nachhaltigkeit einordnen, aber der Querschnittsgedanke, ein Gesamtkonzept ist dann noch nicht realisiert.“

Hinzu kommt, dass auch die Beteiligung der Bürger an diesen Prozessen oft noch zu wünschen übrig ließe, sagt Prof. Dr. Brettschneider. Er hält dies jedoch für essenziell zum Gelingen der Entscheidungsprozesse: „Nachhaltigkeit lässt sich nicht verordnen. Ein Klimaschutzkonzept oder ein Mobilitätskonzept für eine Gemeinde muss letztendlich von den Menschen umgesetzt werden. Daher ist es sinnvoll, sie von Anfang an einzubeziehen.“ Außerdem würden, gerade im kommunalen Bereich, die Einwohner über sehr wertvolles Wissen verfügen.

Erfolgsfaktoren für nachhaltige Kommunalentwicklung mit Bürgerbeteiligung

Damit nachhaltige Kommunalentwicklung mit Bürgerbeteiligung in einer Gemeinde von Erfolg gekrönt ist, identifizierten die Wissenschaftler vier Faktoren:

• Erfolgsfaktor Struktur
In der Kommunalverwaltung muss es eine Einheit geben, die sich mit dem Thema beschäftigt. Nachhaltige Kommunalentwicklung und Bürgerbeteiligung müssen als Querschnittsaufgaben wahrgenommen werden. Dafür sollen personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. „Nachhaltige Kommunalentwicklung ist kein kurzfristiges Projekt, Verlässlichkeit ist daher oberstes Gebot“, betont Prof. Dr. Brettschneider. „Insbesondere kleinen Gemeinden fehlt das dafür notwendige Geld.

• Erfolgsfaktor Person
Die Person, die nachhaltige Kommunalentwicklung erfolgreich umsetzen soll, muss ein geeignetes Persönlichkeitsprofil aufweisen. Prof. Dr. Brettschneider fasst zusammen: „Sie sollte kommunikativ, offen und empathisch sein, die Verwaltungsabläufe kennen und idealerweise Erfahrung mit Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligungsverfahren haben.“

• Erfolgsfaktor Kultur

Wichtig ist, dass die Kommunalverwaltung nicht abteilungsweise denkt, sondern aufgabenbezogen. „Schließlich können etwa Veränderungen im Bereich Soziales Auswirkungen auf die Umwelt haben“, erklärt der Experte. Bürgermeister und Gemeinderat müssen hinter dem Prozess stehen und den Mitarbeitern der Verwaltung Rückendeckung geben. Dabei sollen alle Teile der Verwaltung in den Prozess einbezogen werden und bereit sein, ergebnisoffen zu arbeiten.

• Erfolgsfaktor Handwerkzeug

Bevor man einen Prozess mit Bürgerbeteiligung startet, sind Fokus und Ziel dieser Beteiligung klar festzulegen und zu kommunizieren. „Es macht einen Unterschied, ob die Bürger informiert oder konsultiert werden sollen, oder ob eine Entscheidung zu fällen ist. In diesem Fall müssen auch Handlungsoptionen vorhanden sein“, rät Prof. Dr. Brettschneider.

Vor diesem Hintergrund sind die passenden Beteiligungsformate auszuwählen, wie etwa Bürger-Foren, moderierte Bürgerversammlungen, oder ein World Café, ein Runder Tisch oder Online-Foren. Dabei stellt sich die Frage welche Personengruppen einbezogen werden. Sie sollten unterschiedliche Interessen vertreten und können verfasste oder nicht verfasste Akteure sein – also zum Beispiel Handwerkerverbände, Verkehrsbetriebe und Anwohner. Auch Zufalls-Bürger können beteiligt sein.

Im nächsten Schritt sind die Themenfelder zu analysieren. „Welche Themen stehen überhaupt zur Diskussion? Welche hängen miteinander zusammen? Und welche Lösungen sind möglich?“, umreißt Prof. Dr. Brettschneider die Fragen.

Kommunen müssen Ziele definieren

Zunächst sind also die Kommunen selbst gefragt. Sie müssen klare Ziele definieren, die sich jedoch von Gemeinde zu Gemeinde stark unterscheiden können. „Die Situationen sind sehr spezifisch, hängen von der Größe und der Struktur der Gemeinde ab. Die Probleme liegen daher in unterschiedlichen Bereichen – das kann eine Überalterung der Bevölkerung sein, der mangelnde Breitbandanschluss oder ökonomische Schwierigkeiten“, veranschaulicht Prof. Dr. Brettschneider.

Unterstützung durch das Land Baden-Württemberg

Um anschließend einen Prozess in Gang zu setzen, benötigen viele Kommunen Unterstützung, so die Erkenntnisse der Wissenschaftler. Diese erhalten sie in Baden-Württemberg durch das Land und durch die kommunalen Spitzenverbände. Im Rahmen von Landesnetzwerken des Städte-, des Gemeinde- und des Landkreistages können Erfahrungen ausgetauscht werden. Schulungen für Verwaltungsmitarbeiter bietet vor allem die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW). Sie vermittelt Kenntnisse etwa zum fairen kommunalen Beschaffungswesen oder zu der Frage, wie man Nachhaltigkeitsberichte erstellt. „Auch eine Gemeinde, die zum ersten Mal einen solchen Prozess beginnen möchte, kann vom Land Starthilfe erhalten“, empfiehlt Prof. Dr. Brettschneider. „Das kann eine Erstberatung sein, Unterstützung bei der Wahl der Beteiligungsformate oder auch die Finanzierung eines Moderators für die erste Veranstaltung.“

 

 

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