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„Deutschland-Inventur“ für zusätzliche Wohnungen

Allgemein, Forschung, Städtebau, Strukturpolitik, Wohnugsbau

Wissenschaftler der TU Deutschland und des Pestel-Instituts haben untersucht, wie viele zusätzliche Wohnungen entstehen könnten, wenn die vorhandenen innerstädtischen Bau-Potenziale intelligent und konsequent genutzt würden und kommen auf 2,3 bis 2,7 Millionen Wohnungen. Für die „Deutschland-Studie 2019“ wurden Gebäude und Fehlflächen – auch durch die Auswertung von Luftbildern – analysiert und eine „Deutschland-Inventur“ bei den Immobilien und versiegelten Grundstücken gemacht.

Gerade Nicht-Wohngebäude wie Büro- und Geschäftshäuser, eingeschossige Discounter mit ihren Parkplätzen bieten danach ein enormes Potenzial für zusätzliche Wohnungen – durch Nachverdichtung wie Aufstocken, Umnutzung und Bebauung von Fehlflächen.

„Ressourcen für durchaus attraktiven Wohnraum bieten zudem innerstädtische Parkhäuser“, so Prof. Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt. Durch die sich verändernde Mobilität ergeben sich künftig weitere Potenziale wie vorhandene Tankstellen- und Parkplatzflächen. Außerdem plädieren die Wissenschaftler weiterhin für eine Offensive bei der Dachaufstockung von Wohngebäuden, deren großes Potenzial sie mit 1,1 bis 1,5 Mio. Wohneinheiten nachweisen.

Laut Studie ließen sich bundesweit 560.000 Wohneinheiten allein durch die Dachaufstockung von Bürokomplexen und Verwaltungsgebäuden erreichen. Und wo früher einmal Büros und Behörden untergebracht waren, bieten leerstehende Gebäude heute ein Potenzial von weiteren 350.000 Wohnungen.

Auch Aldi, Lidl, Penny, Rewe, Plus & Co. bieten ein enormes Potenzial für neuen Wohnraum: Rund 400.000 zusätzliche Wohnungen könnten auf den innerstädtischen Flächen der zwanzig größten Lebensmittelmarkt- und Discounterketten entstehen – ohne dabei Abstriche bei den Verkaufsflächen oder Parkmöglichkeiten zu machen.

Dass es notwendig ist, diese Wohnungsbau-Reserven effektiv zu nutzen, liegt für die Wissenschaftler auf der Hand: „Bundesweit fehlen über eine Million Wohnungen. Allein in Berlin liegt das Defizit bei 92.000 Wohnungen“, sagt der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Derzeit müssten jährlich bundesweit rund 400.000 Wohnungen (davon gut 18.400 in Berlin) neu gebaut werden. Branchen-Insider gehen allerdings davon aus, dass im gesamten letzten Jahr weniger als 300.000 neue Wohnungen entstanden sind.

Um die brachliegenden Potenziale für den Wohnungsbau zu nutzen, müssen sich die politischen Rahmenbedingungen verändern. Das fordern 16 Verbände und Organisationen der Bau- und Immobilienbranche, die die Deutschland-Studie 2019 bei der TU Darmstadt und dem Pestel-Institut in Auftrag gegeben haben.

Notwendig seien Weiterentwicklungen im Bau- und Planungsrecht. So müsse beispielsweise eine Überschreitung der Geschossflächenzahl, die häufig auf vor Jahrzehnten erlassene Vorschriften zurückgeht, bei Dachaufstockungen zulässig sein. Auch bei Trauf- und Firsthöhen sei Flexibilität notwendig. „Wir brauchen weniger bürokratische Hürden und mehr Bereitschaft zu guten, konzeptionellen Lösungen.

Aber auch finanzielle Anreize seien notwendig: So macht sich das Verbändebündnis dafür stark, die Abschreibung von derzeit 2 Prozent bei Dachaufstockungen und der Umnutzung von Nicht-Wohngebäuden auf einen AfA-Satz von 4 bis 5 Prozent anzuheben. Nur so gelingen es, private Investoren verstärkt für Aufstockungen und Umwandlungen zu gewinnen. Für kommunale und genossenschaftliche Wohnungsbaugesellschaften sollte es eine Investitionszulage von 15 Prozent geben. Zudem spricht sich das Verbändebündnis für eine verbesserte Förderung des Mietwohnungsbaus und für gezielte KfW-Förderprogramme aus.

In dem Verbändebündnis zusammengeschlossen haben sich: die Bundesarchitektenkammer (BAK), die Bundesingenieurkammer (BingK), die Wohnungswirtschaft Deutschland (GdW), der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), der Immobilienverband Deutschland (IVD), Haus & Grund, der Verband Privater Bauherren (VPB), der Bundesverband Deutscher Baustoff- Fachhandel (BDB), WIR für Ausbau und Trockenbau (WIR), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM), der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden (bbs), der Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband (DeSH), der Fachverband Mineralwolleindustrie (FMI), der Bundesverband Flachglas (BF), der Verband Fenster und Fassade (VFF) und der das Bündnis koordinierende Bundesverband der Gipsindustrie (GIPS).

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