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Warten auf den Bus

Allgemein, Mobilität, Verkehr

Mobilität ist eine zentrale Voraussetzung für soziale Teilhabe und wirtschaftliche Entwicklung. Die Erreichbarkeit von Orten des täglichen Bedarfs, von Schulen, Kultur- und Bildungsangeboten, von Einrichtungen der Daseinsvorsorge und der medizinischen Versorgung ist Standortfaktor und eine unverzichtbare Rahmenbedingung, um insbesondere ländliche Räume als attraktive und lebenswerte Wohn-, Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsräume zu erhalten und zu sichern.

Obwohl die Ausgangsbedingungen für den ÖPNV in der Fläche durch geringere Bevölkerungsdichten und disperse Siedlungsstrukturen vielfach ungünstiger sind als in städtisch verdichteten Räumen, so dass sich Verkehrsnachfrage nicht in gleicher Weise bündeln lässt und ein ähnlich verdichtetes Angebot selten darstellbar ist, unternehmen die Landkreise als ÖPNV-Aufgabenträger gleichwohl erhebliche Anstrengungen, um das Angebot an öffentlicher Mobilität im Interesse der Daseinsvorsorge und der Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu halten und auszubauen, Hauptlinien zu stärken, durch Expressverbindungen attraktiver zu machen und über On-Demand-Verkehre und weitere Ergänzungsangebote, wie Carsharing oder Fahrradmobilität, und ihre digitale Verknüpfung einen zusätzlichen Beitrag zur Feinerschließung der Fläche jenseits der nachfragestärkeren Hauptachsen zu leisten.

Es fehlt vor Ort nicht an guten Ansätzen, Ideen und Konzepten. Die zentrale Herausforderung ist die Finanzierung angesichts einer dynamischen Kostenentwicklung und einer unzureichenden Finanzausstattung der Kommunen, deren Haushaltslage sich dramatisch verschärft hat. Hier besteht eine klare Erwartung an die neue Bundesregierung, dass sie hier eine deutliche Verminderung der Ausgabedynamiken bewirkt und insbesondere mit einer Stärkung der kommunalen Einnahmebasis durch Verdreifachung des kommunalen Umsatzsteueranteils kraftvoll entgegengesteuert. Eine bloße Lockerung der Verschuldungsmöglichkeiten ist nicht die adäquate Antwort und bürdet allein den kommenden Generationen die Lasten auf.

Vordringliche Finanzierungsfragen im ÖPNV durch Deutschlandticket überlagert

Drängende Fragen der Finanzierung von Bestand und Ausbau des ÖPNV wurden in der zurückliegenden Legislaturperiode leider in den Hintergrund gedrängt durch die immer wieder schwierigen und zähen Diskussionen zwischen Bund und Ländern um die Finanzierung des Deutschlandtickets.

Nach dem Bruch der Ampelkoalition konnte Ende 2024 immerhin noch die lang erwartete 10. Änderung des Regionalisierungsgesetzes verabschiedet und rückwirkend zum 1.1.2024 die überjährige Verwendung der Ausgleichsmittel ermöglicht werden. Da für 2023 bis 2025 jedoch ein Ausgleichsbedarf von insgesamt mindestens 9,3 Milliarden Euro erwartet wird, verbleibt trotz Überjährigkeit der Mittel eine Finanzierungslücke von 300 bis 750 Millionen Euro, die durch die zum 1.1.2025 erfolgte Anhebung des Ticketpreises von 49 Euro pro Monat auf neu 58 Euro geschlossen werden soll. Für die Zeit ab 2026 ist die Finanzierung völlig offen. Der Preis für das Ticket wird zum 1.1.2026 jedoch erneut kräftig steigen müssen, selbst wenn sich Bund und Länder auf eine Finanzierung im bisherigen Umfang von drei Milliarden Euro p.a. verständigen, denn das Ticket kostet deutlich mehr: Für 2024 wurde ein Ausgleichsbedarf von 3,46 Milliarden Euro geschätzt, für 2025 ein Ausgleichsbedarf von 3,98 Milliarden Euro. Für 2026 wäre damit erneut eine Finanzierungslücke von über einer Milliarde Euro durch Preiserhöhung zu schließen.

Die Finanzierung des ÖPNV-Angebotes ist dabei allerdings noch gar nicht adressiert. Der Deutsche Landkreistag hat dies wiederholt und nachdrücklich kritisiert und von Anfang an gefordert, dass gerade in der Fläche zunächst Bestand und Ausbau des ÖPNV-Angebots zu sichern sind. Das gilt umso mehr, als die Menschen dort, wo es kein ausreichendes ÖPNV-Angebot gibt, auch von dem günstigen Deutschlandticket nicht profitieren können. Ohne Zweifel gehören zu einem attraktiven ÖPNV auch günstige Tarife, zunächst und zuvörderst kommt es aber auf das Angebot an. Dabei muss man sich klar machen, dass die starke Absenkung und dauerhafte Deckelung des Tarifs den Kostendeckungsbeitrag der Nutzerfinanzierung erheblich reduziert und eine solche „flat rate“ auch den künftigen Ausbau des Angebots erschwert. Bereits ohne das Ticket wachsen die öffentlichen Zuschussbedarfe (und sinkt der Kostendeckungsgrad) durch die dynamische Entwicklung der Sach- und Personalkosten und die Kosten der Antriebswende im ÖPNV (Clean Vehicles Directive). Das Deutschlandticket verschärft diesen Trend, indem trotz (vormals) höherer Zahlungsbereitschaft auf zusätzliche Nutzerfinanzierungsbeiträge verzichtet wird.

Ausbau- und Modernisierungspakt ohne durchschlagende Ergebnisse

Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode sah einen „Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV“ (AMP) vor, der Länder und Kommunen unterstützen sollte, Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV zu verbessern und in urbanen wie in ländlichen Räumen ein alltagstaugliches Mobilitätsangebot als möglichst vollwertige Alternative zum motorisierten Individualverkehr zu schaffen.

Leider sind die Arbeiten an diesem Pakt bislang ohne durchschlagende Ergebnisse geblieben. In einer Bund-Länder-AG wurden seit 2022 unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände unter anderem ein gemeinsames Zielbild 2030 erarbeitet, wie der ÖPNV auszurichten ist, damit er zur Erreichung der Klimaschutzziele und zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse beitragen kann. Keine Verständigung erzielt werden konnte jedoch über die Finanzierungsbedarfe zur Sicherung des Bestandsangebots und für einen entsprechenden Angebotsausbau.

Das ist umso misslicher, als eine in der Bund-Länder-AG methodisch abgestimmte, breit angelegte Kommunalabfrage auch die dynamische Entwicklung der kommunalen ÖPNV-Finanzierungsanteile aufzeigt. Die Kommunen leiten bei weitem nicht nur Mittel von Bund und Ländern weiter, sondern leisten bereits heute erhebliche eigene Finanzierungsbeiträge. Allein in den Jahren 2017 bis 2021 sind diese sehr dynamisch um 35,6 Prozent auf 4,17 Milliarden Euro angestiegen. Bei den Landkreisen, die den ÖPNV primär aus dem Kernhaushalt finanzieren, beträgt der Anstieg sogar 62 Prozent. Schon zum Zeitpunkt der Abfrage zeigte sich dabei, dass die zunehmend schwierige kommunale Haushaltslage die Finanzierungskonkurrenz zu anderen kommunalen Aufgaben/Ausgaben verschärft und die Kostensteigerungen und weiteren Finanzierungsbedarfe zur Umsetzung etwa der Antriebswende (Clean-Vehicles-Directive) nicht einfach fortgeschrieben werden können. Nachdem Kostensteigerungen auch nicht mehr über den Tarif weitergegeben werden können, droht vielerorts eine Ausdünnung des ÖPNV-Angebots.

Dramatische Haushaltssituation in den Kommunen

Inzwischen ist die kommunale Haushaltslage durch die vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen noch massiver unter Druck geraten. Bereits in 2023 verzeichneten Städte, Landkreise und Gemeinden nach einer Ergebnisverschlechterung um mehr als acht Millarden Euro mit deutlich über sechs Milliarden Euro eines der höchsten kommunalen Defizite in der bundesdeutschen Geschichte. Lediglich die Defizite aus der Corona-Zeit, der Finanzkrise und kurz nach der Wiedereinigung lagen knapp darüber. Für 2024 weist die kommunale Kassenstatistik nunmehr bereits nach drei Quartalen ein bisher unvorstellbares Defizit von 25 Milliarden Euro aus, für das Gesamtjahr wird ein absolutes Rekorddefizit von 20-25 Milliarden Euro erwartet. Gegenüber dem Defizit von 2023 und dem vormaligen Höchststand von 8,4 Milliarden Euro aus 2003 ist dies eine Verdreifachung!

Anfang der 2000er Jahre war das kommunale Rekorddefizit vor allem unternehmensteuerreformbedingt. Für das aktuelle Rekorddefizit ist vor allem die Ausgabeseite mit hohen Ausgabezuwächsen im sozialen Bereich und – nicht zuletzt aufgrund von neuen und komplexeren Aufgaben – bei den Personalausgaben verantwortlich. Während das hohe Defizit Anfang der 2000er Jahre zur Einsetzung der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen führte und die Defizite der Jahre 2009 und 2010 (-7,5 Milliarden Euro und -6,9 Milliarden Euro) zu der von dem Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, eingesetzten Kommission zur Reform der Gemeindefinanzierung, die sich der Einnahmeseite sowie den Standards und der Rechtsetzung widmete, ist es aktuell trotz eines zwei- bis dreimal höheren Defizits beängstigend still. Dabei befinden sich die Kommunen in ihrer finanziell größten Krise.

Aufgabenstellungen der neuen Bundesregierung

Die von CDU/CSU und SPD geplante Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und das Investitionspaket in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur, das auch 100 Milliarden Euro für Länder und Kommunen vorsieht (zusätzlich zur Lockerung der Schuldenbremse für die Länder) löst diese Probleme nicht. Im Gegenteil: Es bindet zusätzliche kommunale Ressourcen und Finanzmittel.

Benötigt werden dringender denn je strukturelle Weichenstellungen für die kommunale Ebene, die die Lücken zwischen (laufenden) Ausgaben und Einnahmen schließen. Erforderlich ist eine umfassende Aufgaben- und Ausgabenkritik, die die Ausgabedynamik deutlich zurückführt, sowie vor allem eine Wiederherstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit der Kommunen durch eine Verdreifachung des kommunalen Umsatzsteueranteils.

Wird an den Plänen für das Sondermögen festgehalten, muss sichergestellt werden, dass bisherige Ausgaben für Infrastruktur nicht durch das Sondervermögen substituiert und damit lediglich Freiräume für weitere konsumtive Ausgaben geschaffen werden. Zudem müssen erst noch die Voraussetzungen bei Kapazitäten und Verfahren geschaffen werden, dass das Geld zügig und ohne nachteilige Preiseffekte investiert werden kann. Wie all dies geschehen soll, ist derzeit noch völlig offen.

Bereits vor der Einigung auf die Lockerung der Verschuldungsmöglichkeiten stand die neue Bundesregierung vor riesigen Konsolidierungs- und Neupriorisierungserfordernissen. Sie sind durch die jetzigen Entscheidungen noch gewachsen. Eine umfassende Aufgaben- und Ausgabenkritik sowie Vereinfachung und Entbürokratisierung ist nun noch intensiver durchzuführen, um schon jetzt die Voraussetzungen für die spätere Tilgung zu schaffen.

Der Beitrag von Dr. Markus Brohm, Referent Ländliche Räume, Verkehr, Wirtschaftsförderung und Vergaberecht, Deutscher Landkreistag, ist in der April-Ausgabe der KOPO erschienen. Sie besitzen noch kein Abo der KOPO? Das können Sie hier gleich ändern.

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