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Automatisierter und vernetzter Verkehr in Europa

Forschung, Verkehr

Automatisierte und vernetzte Fahrzeuge sind Hoffnungsträger für Politik und Wirtschaft: Sie sollen den Verkehr in Zukunft sicherer und effizienter machen und so einen Beitrag zur Verkehrswende leisten. Diese Hoffnung trifft allerdings nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zu, wie eine umfangreiche Studie der Technischen Universität Wien zeigt.

Lediglich wenn automatisierte Fahrzeuge als Erweiterung des bestehenden öffentlichen Verkehrs eingesetzt werden, also Fahrzeuge und Fahrten geteilt werden, kommt es zu einer Reduktion des Verkehrs. Andernfalls nimmt das Verkehrsaufkommen zu – und zwar erheblich.

Eine umfangreiche Studie, die sich mit dieser Fragestellung aus interdisziplinärer Perspektive befasst, ist soeben als Buch „AVENUE21. Automatisierter und vernetzter Verkehr: Entwicklungen des urbanen Europa“ im Verlag Springer Vieweg als Open-Access-Publikation erschienen. Das Forschungsprojekt AVENUE21 und die Buchpublikation wurden von der Daimler und Benz Stiftung gefördert.

Angesichts der globalen Klimakrise und des Ziels, lebenswerte Städte zu schaffen, könne es sich unsere Gesellschaft schlichtweg nicht leisten, eine Technologie zuzulassen, die zusätzliches Verkehrsaufkommen generiere. Es gebe zahlreiche verkehrs- und siedlungspolitische Probleme, die angesprochen werden müssten, um eine gezielte und menschengerechte Stadtentwicklung zu ermöglichen, sind sich die Autoren der Studie einig.

Das Wissenschaftler-Team der TU Wien, das mehr als zwei Jahre in dem Forschungsprojekt arbeitete, vertritt die Ansicht, dass in den kommenden Jahrzehnten die technologischen Einschränkungen automatisierter Fahrzeuge eine neue Ungleichheit verursachen könnten. Diese entsteht durch die Heterogenität und oftmals hohe Komplexität des Straßennetzes in europäischen Städten. „Es klingt paradox, aber unser Buch ist die erste Studie, die umfangreich Wirkungen und Potenziale von automatisierten und vernetzten Fahrzeugen untersucht und dabei die Straße nicht allein als Verkehrsraum, sondern auch als Lebensraum betrachtet. Deswegen kommen wir auch vielfach zu anderen Ergebnissen als Studien, die die Straße allein auf ihre Transportfunktion reduziert haben“, so Mitherausgeber Prof. Rudolf Scheuvens, Dekan der Fakultät Architektur und Raumplanung. Autobahnen, Industrie- oder Gewerbestraßen könnten relativ schnell automatisiert befahren werden. Aber Straßen, die durch Gastgärten, anliegende Parks oder Schulen belebt sind, werden, so ist das Forscher-Team überzeugt, langfristig nicht automatisiert befahren werden können. Automatisierte Services würden deswegen sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr nur für ausgewählte Personen und Betriebe zur Verfügung stehen.

Dieser Zustand muss seitens Politik und Planung anerkannt und bestehende Hoffnungen müssen relativiert werden. Die Forschenden kommen zum Schluss, dass – unabhängig von der technologischen Machbarkeit – die meisten negativen Effekte von automatisierten Fahrzeugen nur dann vermieden werden können, wenn ausschließlich bestimmte Straßenzüge für deren Einsatz geöffnet würden. Diese und weitere Weichenstellungen verlangen schon heute gezieltes und entschiedenes Handeln.

Die Publikation ist hier frei verfügbar.