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Rechtzeitig sanieren schont die Kasse

Allgemein, Strukturpolitik, Verkehr

Die Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur schafft es mittlerweile regelmäßig auf die vorderen Plätze in den Nachrichtensendungen. Die Wirtschaftsweisen warnen die öffentliche Hand, nicht zu viel Geld in Infrastrukturprogramme zu stecken, da man derzeit angesichts der vollen Auftragsbücher der Baufirmen weniger Kilometer Straße für sein Geld bekomme. Und Videoaufnahmen an Autobahnbaustellen haben ergeben, dass dort an vielen Tagen gar nicht gearbeitet worden ist.

Aus welchem Blickwinkel man die Meldungen auch betrachtet, Parallelen vor Ort im Kreis Gütersloh finden sich nicht. Wir haben keinen Investitionsstau, Sanierung und Modernisierung sind im Soll. Die Leitlinie ist eigentlich ganz einfach: Kontinuierlich arbeiten und gut vorbereitet sein.

Die Wirtschaftskraft von Ostwestfalen-Lippe (OWL) ist nicht nur höher als die des Bundeslands Mecklenburg-Vorpommern, sie übertrifft auch die von Brandenburg. Und in Ostwestfalen-Lippe ist der Kreis Gütersloh das Kraftpaket, einer der wirtschaftsstärksten Kreise in NRW. 368 188 Einwohner – der einwohnerstärkste Kreis in OWL – und 166 100 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte: der höchste Stand seit Bestehen des Kreises Gütersloh. Miele, Bertelsmann, Claas, Gerry Weber, Tönnies, Nobilia, Claas, Hörmann – viele große und zahlreiche mittlere und kleine Unternehmen sorgen für Beschäftigung im ‚besten Kreis der Welt‘. Das bedeutet aber auch viele Wege zur Arbeit und zurück, viele Güter von A nach B – die Sanierung der Verkehrswege ist nicht zuletzt ein Stück Wirtschaftspolitik.

Foto: Kreis Gütersloh

Straßen sanieren, Radwege bauen, den Lückenschluss der Autobahn 33 als Verein (A33 sofort e.V.) positiv begleiten und die Reaktivierung einer Bahnstrecke voranbringen: In einem Flächenkreis ist Verkehr nicht isoliert zu betrachten, sondern ein Thema mit vielen Facetten. Einige Hundert Kilometer Kreisstraßen und Radwege  und vierhundert Brücken sind zu erhalten. Zwar wächst derzeit die Autobahn 33 durch den Kreis und schließt die jahrzehntealte Lücke, doch Straßenneubauprojekte sind selten. Autobahnbau ist keine kommunale Aufgabe: Aber es ist schon ungewöhnlich, dass sich ein Verein wie ‚A33 sofort‘ für ein Infrastrukturprojekt intensiv einsetzt und es begleitet. Die Ehre des Vorsitzes ist dem Autor eine Freude. Auch wenn die Nachrichten nicht immer gut sind: Ein Teilabschnitt sollte noch in 2017 eröffnet werden. Der Termin wurde verschoben, weil es Probleme mit einer Baufirma gibt. Freigabe des gesamten Abschnitts wird 2019 sein.

Kontinuität und Verlässlichkeit

Das auf und ab in der Konjunktur sollte kein Barometer für die Sanierung sein. Deswegen greift auch der Rat der Wirtschaftsweisen zu kurz. Planung, Bau, Grundstückskauf braucht seine Zeit. Antizyklisch zu sanieren scheint vor diesem Hintergrund kaum möglich. Und macht auch für die Privatwirtschaft keinen Sinn. Am ehesten geholfen ist der Bauwirtschaft aber mit einer kontinuierlichen, verlässlichen Auftragsvergabe. Denn das Problem ist immer das gleiche: Es gibt Phasen, in denen Firmen von der Insolvenz bedroht sind und es gibt Phasen, in denen die öffentliche Hand auf Ausschreibungen keine Angebote erhält.

Vorteil Schiene

Nach der Reaktivierung der nördlichen Strecke von Bielefeld durch den Kreis Gütersloh bis nach Osnabrück geht es aktuell um das Projekt, die Schienentrasse wieder für den Personennahverkehr zu ertüchtigen. Für das 25 Kilometer lange Teilstück setzen die beteiligten Kommunen auf das Land, die Investition von über 30 Millionen Euro in die Planungen zu übernehmen. Auch bei diesem Projekt zeigt sich wie bei der A33: Vor Ort sind die Beteiligten bereit, sich für ein Projekt einzusetzen. Die Kommunen haben ebenso wie der Kreis zugesagt, sich dauerhaft an den Betriebskosten zu beteiligen.

Multioptionale Verkehrsmittelwahl

Das Problem des ÖPNV in eher ländlich strukturierten Gegenden bleibt seine Attraktivität: Zu berücksichtigen sind neben dem Streckennetz bauliche Aspekte, Informationssysteme und natürlich der Preis! Wesentlich ist ein einfaches, attraktives und beim Kunden akzeptiertes Preissystem. Wenn ich lese, dass man auf Bahnfahrkarten-Automaten schreiben muss, dass die Tickets auch in den Zügen von diversen anderen Anbietern gelten und ich Preissysteme mit Zonen und Zuschlägen sehe, für die man eigentlich erst mal ein Fernstudium absolvieren muss, um sie zu verstehen, dann sind wir davon noch weit entfernt. Wir brauchen künftig einen ÖPNV, der weniger abhängig vom Schülerverkehr ist. Bei Strecken unter fünf Kilometern sollte der Ausbau der Radwegeinfrastruktur Vorrang haben. Idealerweise kombiniert mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Wir brauchen die multioptionale Verkehrsmittelwahl und entsprechende Verknüpfungspunkte.

Foto: Gerda Herrmann

Autor: Sven-Georg Adenauer, Landrat des Kreises Gütersloh in Nordrhein-Westfalen.

Der Beitrag ist in der Januar-Ausgabe der KOPO erschienen.

 

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