Großbritannien kann verlangen, dass Bezieher von Kindergeld und der Steuergutschrift für Kinder ein Recht auf Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet haben. Diese Voraussetzung stellt zwar eine mittelbare Diskriminierung dar, ist aber durch die Notwendigkeit, die Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats zu schützen, gerechtfertigt. Zu diesem Urteil kommt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem heutigen Beschluss.
Bei der Europäischen Kommission gingen in der Vergangenheit zahlreiche Beschwerden von nicht britischen EU-Bürgern ein, die sich im Vereinigten Königreich aufhielten und denen die zuständigen britischen Behörden bestimmte soziale Leistungen vorenthielten, da sie kein Aufenthaltsrecht in diesem Land besäßen, dies betraf auch die Zahlung von Kindergeld.
Nach Auffassung der Kommission entsprechen die britischen Rechtsvorschriften nicht den Bestimmungen der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die auch den Gleichbehandlungsgrundsatz enthält. Sie hat daher gegen das Vereinigte Königreich eine Vertragsverletzungsklage erhoben.
In seinem Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof die Klage der Kommission ab:
„Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die in Rede stehenden Leistungen solche der sozialen Sicherheit sind und damit in den Geltungsbereich der Verordnung fallen.
Sodann weist der Gerichtshof das Hauptargument der Kommission zurück, wonach die britischen Rechtsvorschriften eine zusätzliche Voraussetzung zu der in der Verordnung vorgesehenen Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts aufstellten.
Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der Verordnung keine notwendige Voraussetzung für den Anspruch auf die Leistungen ist, sondern eine ‚Kollisionsnorm‘, die die gleichzeitige Anwendung verschiedener nationaler Rechte vermeiden und verhindern soll, dass Personen, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben, der Schutz vorenthalten wird. Die Verordnung schafft kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit, sondern lässt unterschiedliche nationale Systeme bestehen. Sie legt somit nicht die inhaltlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anspruchs auf die Leistungen fest, denn es ist grundsätzlich Sache der Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaats, diese Voraussetzungen festzulegen. In diesem Rahmen spricht nichts dagegen, dass die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger, die nicht erwerbstätig sind, von dem Erfordernis abhängig gemacht wird, dass diese die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erfüllen.
Zu dem von der Kommission hilfsweise vorgetragenen Argument, dass die Prüfung des Aufenthaltsrechts eine Diskriminierung darstelle, stellt der Gerichtshof fest, dass die Voraussetzung des Rechts auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich eine Ungleichbehandlung bewirkt, weil die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats sie leichter erfüllen können als die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten.
Der Gerichtshof ist jedoch der Auffassung, dass diese Ungleichbehandlung durch ein legitimes Ziel wie etwa die Notwendigkeit, die Finanzen des Aufnahmemitgliedstaates zu schützen, gerechtfertigt werden kann, sofern sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.(…)“