Der Kulturausschuss im Landtag von NRW hat sich erneut mit der Frage beschäftigt, wie der Verkauf von Kunstwerken landesnaher Unternehmen zu bewerten ist. In einer Anhörung ging es unter anderem um die Forderung, Kunstsammlungen für das Land dauerhaft zu sichern. Hintergrund der Debatte ist der Verkauf von zwei Warhol-Bildern durch die nordrhein-westfälische Westspiel GmbH sowie der geplante Kunstverkauf der Portigon AG, Nachfolgerin der Landesbank WestLB. Selten bestand in einer Anhörung so viel Einverständnis unter den Sachverständigen.
Bereits im Vorfeld der Anhörung hatte der kulturpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Sternberg MdL die Landesregierung aufgefordert, alle Kunstwerke im Besitz der öffentlichen Hand erst einmal zu registrieren: „ In vielen Fällen wissen wir gar nicht, wo im Land welche Kunstwerke vorgehalten werden. Wir erwarten, dass die Landesregierung endlich ihrem verfassungsmäßigen Auftrag zum Schutz und Erhalt der Kunst in Nordrhein-Westfalen nachkommt.“ Nordrhein-Westfalen sei ein Vorreiter in Sachen Förderung von Künstlern gewesen und habe damit eine Vorbildfunktion für andere Länder gehabt, dieses Ansehen sei bereits auf fahrlässige Weise verspielt worden.
„Der Eigentümer, also das Land, muss eine Entscheidung fällen, die nicht dem ökonomischen, sondern dem kulturellen Wert Vorrang gibt“, erklärte der Kunsthistoriker Prof. Dr. Dieter Ronte in seiner Stellungnahme. Werde diese Reihenfolge nicht eingehalten, verabschiede man sich von seinen kulturellen Verpflichtungen. Ein Verkauf der Kunstwerke sei schon „vom Denkansatz inakzeptabel“. Bereits jetzt sei das Ansehen des Landes seiner Ansicht nach stark beschädigt.
Einen Imageschaden befürchtete auch Prof. Dr. Gerd Blum (Kunstakademie Münster). Zeitgenössische Kunst sei ein zentraler Bestandteil des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, sie wirke identitätsstiftend. Er warnte vor einem Verkauf. NRW sei weltweit als Kunststandort anerkannt, und davon gehe auch Wirtschaftskraft aus.
„Scharfen Protest“ gegen den Verkauf der Portigon-Kunstwerke äußerte der Verband Deutscher Kunsthistoriker, vertreten durch Prof. Dr. Barbara Welzel. Viele der Werke befänden sich seit Jahrzehnten als Dauerleihgaben in nordrhein-westfälischen Museen, darunter zwei um 1450 entstandene Tafeln des sienesischen Malers Giovanni di Paolo. Die WestLB habe sie damals nur gekauft, um sie dauerhaft für das Westfälische Landesmuseum in Münster zu sichern. Dass Kunstwerke aus Museen nun verkauft werden sollen, stelle einen „besorgniserregenden Dammbruch“ dar. NRW dürfe nicht mit einem „kulturellen Tabu“ brechen und landeseigenen Museumsbesitz veräußern.
„Es ist die Pflicht des Landes NRW, Kunst und Kultur zu bewahren, zu pflegen und zukunftsfähig zu fördern“, so Friederike van Duiven, Vorsitzende des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler in NRW. Dies sei in Artikel 18 der Landesverfassung und auch im kürzlich verabschiedeten Kulturfördergesetz nachzulesen. Beide könnten die landeseigene Kunst aber offenbar nicht vor dem Verkauf schützen. Dies erschüttere das Vertrauen der Künstler zutiefst. Um „Angriffe auf den öffentlichen Kunstbesitz“ abwehren zu können, rät der Verband, „die langjährig aufgebauten Kunstsammlungen des Landes zukunftsfähig öffentlich darzustellen, offensiv deren Pflege, Erhalt und Weiterentwicklung voranzutreiben“ und sie durch Ankäufe gegenwärtiger Kunst weiter auszubauen. Wege zum Erhalt und Ausbau könne nur eine Kunstkommission vorschlagen.
Kunst aus Landesbesitz dürfe verkauft werden, allerdings nicht ausschließlich aus ökonomischen Gründen, sagte Andrea Knobloch vom Deutschen Künstlerbund. Deshalb müssten bei Verkäufen Fachgremien hinzugezogen werden. Bei der Portigon-Sammlung sei unklar, wieviele der ursprünglich angeschafften Werke überhaupt noch vorhanden sind. Knobloch forderte, die Bestände offenzulegen. Bereits vor elf Jahren sei angeregt worden, eine Stiftung für die Kunstwerke zu gründen.
Es sei „lächerlich und dumm, wenn Kunst für das ökonomische Desaster einer Bank gerade stehen soll“, meinte der Künstler und Kunsttheoretiker Prof. Dr. Bazon Brock (Wuppertal). Wer auf solche Ideen komme, zeige, dass er „intellektuell nichts zu bieten hat“. Unternehmen, so Brock, erwerben Kunst, um Steuern zu sparen. Werden die Werke später mit Gewinn verkauft, sei dies nach europäischem Recht problematisch. Der Verkauf der Kunstwerke sei nicht verantwortbar.