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Wer nicht verstanden wird, kann auch nicht überzeugen

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Kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen haben Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim die Wahlprogramme der Parteien auf ihre formale Verständlichkeit hin überprüft. Konkret fahndeten die Wissenschaftler nach Satz-Ungetümen, Fachbegriffen und Fremdwörtern. Ihr Ergebnis: Es gibt noch viel zu tun, aber die CDU in Thüringen macht ihre Sache nicht schlecht!

Was sind „revolvierende Fonds“? Wer sind „LSBTTIQ-Menschen“? Und was bedeuten „Trittsteinbiotope“, „Kaskadenmodelle“ und „Außenwirtschaftsgutscheine“? Das sind nur einige der Formulierungen, die in den Landtagswahlprogrammen der Parteien in Brandenburg, Sachsen und Thüringen vorkommen.

Die Linke: politisches Kauderwelsch
Am unverständlichsten formuliert in allen drei Bundesländern Die Linke: Ihre Wahlprogramme in Sachsen und in Thüringen sind nach Aussage der Wissenschaftler noch unverständlicher als politikwissenschaftliche Doktorarbeiten. Die Programme der CDU in Thüringen und der SPD in Brandenburg sind dagegen für den Durchschnittswähler noch am verständlichsten. Alle anderen Parteien lägen dazwischen. Hürden für die Verständlichkeit seien komplizierte und zu lange Schachtelsätze, Anglizismen, Fachbegriffe und Fremdwörter. Die Forscher analysierten die Wahlprogramme der Parteien zu den Landtagswahlen mit der speziellen Verständlichkeits-Software „TextLab“.

Programme erfordern politisches Fachwissen
Am verständlichsten für die Wähler sind die Programme in Brandenburg: Sie erreichen im Schnitt 8,7 Punkte auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex (HIX). Die Landtagswahlprogramme in Sachsen erreichen mit 6,7 Punkten hingegen das zweitschlechteste Ergebnis, das die Hohenheimer Wissenschaftler je für Wahlprogramme gemessen haben. Nur die Programme zur Europawahl 2009 waren noch unverständlicher (6,6 Punkte).
Die verständlichsten Wahlprogramme liefern die CDU in Thüringen und die SPD in Brandenburg (11,0 Punkte). Am unverständlichsten formulieren auch hier die Linken: Über alle drei Wahlen hinweg erreichen sie im Schnitt nur 4,6 Punkte. In Sachsen erreicht ihr Programm nur 3,3 Punkte. Im Vergleich dazu erreicht die CDU in den drei Bundesländern im Schnitt 9,8 Punkte.


Wer nicht verstanden wird, kann auch nicht überzeugen
Bei sämtlichen Parteien finden sich Verstöße gegen grundlegende Verständlichkeitsregeln. Vor allem die Wortwahl der Parteien trägt zur Komplexität der Texte bei, die meist das Ergebnis von innerparteilichen Expertenrunden ist. Diese bürokratische Fachsprache verwenden die Parteien dann auch in ihren Wahlprogrammen. An den Bedürfnissen der Leser, die sich nicht tagtäglich mit diesen Themen beschäftigen, schreiben sie damit vorbei, so das Urteil der Hohenheimer Experten. Sowohl die Verwendung von Anglizismen als auch von „Denglisch“ (deutsch-englische Begriffe) erschwere das Verständnis – zumindest für einige Wählergruppen. „Joint Investigation Teams“ (CDU Sachsen), „First Responder“ (Grüne Sachsen) und „Business Guide“ (SPD Brandenburg) verstünden nur einige Menschen. Das Gleiche gelte für „Contractings“ (Linke Thüringen), „Clustermanagement“ (SPD Thüringen) oder „Racial Profiling“ (SPD Thüringen).
Auch zu lange Sätze machen die Wahlprogramme unverständlich. 30 bis 40 Wörter pro Satz waren in den Wahlprogrammen keine Seltenheit.

Hintergrund: Der Hohenheimer Wahlprogramm-Check
Seit 2009 untersucht das Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft insbesondere Kommunikationstheorie an der Universität Hohenheim im „Wahlprogramm-Check“, wie verständlich die Parteien in ihren Wahlprogramm kommunizieren, welche Hürden sich finden und welche Themen und Begriffe in den Programmen dominieren. Möglich werden diese Analysen durch die speziell entwickelte Verständlichkeitssoftware „TextLab“. Diese Software berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie Textfaktoren, die für die Verständlichkeit relevant sind (z.B. Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter).
Aus diesen Werten setzt sich der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ zusammen, der die Verständlichkeit der Programme und Texte auf einer Skala von 0 (unverständlich) bis 20 (sehr verständlich) abbildet.

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