Trotz konjunkturell bedingter höherer Steuereinnahmen im Jahr 2012 sind die Haushalte der Städte und Gemeinden in Deutschland strukturell und finanziell weiter angespannt. So ist die Anzahl der Kassenkredite in den letzten Jahren weiter gestiegen. Die nur zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen vorgesehenen Kassenkredite werden zur Deckung laufender Ausgaben und Posten herangezogen. Die Gefahr dieser Fehlnutzung mündet in steigenden Ausgaben der Kommunen für Kreditschulden.
Ein Beitrag von Dr. Olver Rottmann,
Geschäftsführender
Vorstand des Kompetenzzentrums
Öffentliche Wirtschaft,
Infrastruktur und
Daseinsvorsorge e.V.
und
M.Sc. Olver Lück, wissenschaftlicher
Mitarbeiter des
ÖPP Kompetenzzentrums
Sachsen an der Uni Leipzig
Eine Folge der dauerhaft angespannten kommunalen Finanzlage ist die weitere Ausgliederung von Aufgaben der Daseinsvorsorge aus dem kommunalen Kernhaushalt. Bereits in den 1990er Jahren wurden durch die rechtliche Umgestaltung oder den Verkauf von kommunalen Unternehmen Wege gesucht, den finanziellen Handlungsspielraum der Kommunen zu erweitern. Die Zahl der kommunalen Unternehmen in privater Rechtsform ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Diese Entwicklung führte bei den Kommunen zu einer Vielzahl von Beteiligungen, die mit dem Trägerhaushalt in verschiedener Weisen verflochten sind. Diese vielschichtige und mehrstufige Organisationsstruktur wird, in Anlehnung an ihre Ähnlichkeit mit privatwirtschaftlichen Konzernen, auch als „Konzern Kommune“ bezeichnet.
Im Rahmen einer Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. in Kooperation mit der HypoVereinsbank wurde vor diesem Hintergrund untersucht, welche Ziele Kommunen mit Ihren öffentlichen Unternehmen verbinden. Einerseits bilden die öffentlichen Unternehmen wichtige Einnahmequellen für die öffentliche Hand (Formalziele). Andererseits können Steuerungsziele, wie die Gewährleistung einer flächendeckenden Daseinsvorsorge (Sachziele) umgesetzt werden (Stärkung der örtlichen/regionalen Wirtschaft, zielgenauere Angebotssteuerung, soziales/kulturelles Engagement etc.).
Das Recht der Kommunen auf wirtschaftliche Betätigung wird durch die Gemeindeordnungen der deutschen Länder flankiert und teilweise begrenzt. Sie enthalten strikte Auflagen, an denen sich die Städte und Gemeinden zu orientieren haben. Trotz kleiner Unterschiede finden sich in allen Gemeindeordnungen die Vorgaben an die kommunale Wirtschaftstätigkeit. Die rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten kommunaler Unternehmen sind vielfältiger Natur. Den Kommunen steht im Rahmen des gesetzlich verankerten Selbstverwaltungsrechts zu, die Rechtsform ihrer Unternehmen nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten frei zu wählen. Die verschiedenen Organisationsformen lassen sich in öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Rechtsformen unterscheiden.
Autonomie und Flexibilität sind nötig
Zur Erledigung unternehmerischer Tätigkeiten sind in erster Linie Autonomie und Flexibilität vonnöten, die in der Kommunalverwaltung zuweilen nicht gewährleistet werden können (Sachzielorientierung). In diesem Zusammenhang spielen auch neue Überlegungen und Konzepte, wie z. B. der Konzern Kommune eine Rolle. Die Gewährung unternehmerischer Flexibilität ist verbunden mit einem Verlust an Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten. Je dezentraler die Leistungserstellung erfolgt, desto weniger Einfluss besitzt die Kommune auf die innerhalb der Unternehmen zu treffenden Entscheidungen.
Mit der Auslagerung von Aufgaben vergrößern sich die gemeindlichen Möglichkeiten der Gewinnerzielung. Kommunale Unternehmen dürfen jedoch nur einen Ertrag erwirtschaften, solange der öffentliche Zweck gewahrt wird.
Ferner sind private Rechtsformen befreit vom öffentlichen Dienstrecht. Damit können die Unternehmen in Bezug auf Personalfragen flexibler agieren. Durch wirtschaftlicheres Handeln könnten (Kosten-)Effizienzen generiert werden, die auch dem Bürger zugutekommen (allokative Effizienz). Ebenso sind durch die Errichtung kommunaler Unternehmen Steuervorteile möglich. Solche Überlegungen sollten allerdings nicht monokausal als entscheidend betrachtet werden.
Zuweilen intendieren Kommunen, eine Mittelgenerierung über private Dritte in die Leistungserstellung einzubeziehen. Auch hier ist im Einzelfall abzuwägen, ob dieses institutionelle Arrangement der kommunalen Zielstruktur in höherem Maße entspricht als die rein öffentliche Leistungserbringung.
Die Struktur der öffentlichen Leistungserbringung hat sich dabei stark ausdifferenziert und von der Kommune selbst auf unmittelbare und mittelbare Beteiligungen verlagert. Damit korrespondierend haben sich auch die Rahmenbedingungen für die öffentliche Leistungserbringung verändert. Notwendige Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen, ein sich wandelndes Staatsverständnis sowie veränderte Bedarfe der Bürger haben zu neuen Anforderungen an die Kommunalwirtschaft geführt. Neben stärkeren Beteiligungs- und Transparenz-Erfordernissen wurden diese Prozesse auch von einer stärkeren Wettbewerbsorientierung im Kommunalrecht begleitet. Diese Bemühungen wurden durch intensive Liberalisierungstendenzen seitens der Europäischen Union flankiert und führen im Ergebnis zu einem zunehmenden Wettbewerbsdruck auf alle Bereiche der öffentlichen Wirtschaft. Der intensivere Wettbewerb stellt eine umfassende Herausforderung für die Kommune und die kommunalen Unternehmen selbst dar. Für Letztere führt das damit einhergehende Streben nach Effizienz- bzw. Produktivitätssteigerung zu stärkeren Konzentrations- und Kooperationsprozessen, die Synergien heben sollen.
Zur Flankierung der Effizienzsteigerungen öffentlicher Unternehmen im „Konzern Kommune“ ist eine optimierte Steuerung des kommunalen Infrastrukturvermögens unerlässlich. Sie ist so auszurichten, dass es die Wettbewerbsfähigkeit und Autonomie des Unternehmens stärkt und gleichzeitig den daraus resultierenden nachhaltigen öffentlichen Anforderungen genügt. Die Steuerung des kommunalen Infrastrukturvermögens findet dabei auf der Ebene der Kommunalverwaltung, der Ebene der politischen Akteure sowie auf der operativen Ebene der öffentlichen Unternehmen selbst statt.
Die kommunalen Unternehmen in Deutschland stellen einen bedeutenden – regional verankerten – Wirtschaftsfaktor dar. Dies wird vor allem daran deutlich, dass die befragten Städte und Gemeinden im Durchschnitt ca. 903 Personen in ihren Betrieben beschäftigen. Der Anspruch im Rahmen dieses Wirtschaftsfaktors, die Kommune als „Konzern“ zu betrachten, ist bereits bei Städten und Gemeinden ausgeprägt. Fast die Hälfte der befragten Kommunen (über 20.000 Einwohner) besitzt dieses Selbstverständnis.
Dem kommunalen Konzern- und Beteiligungsportfolio ist eine Vielzahl an Unternehmensbereichen untergeordnet (Abb. 1). Der überwiegende Anteil der teilnehmenden Kommunen besitzt eine eigene Energie- und Wasserversorgung, über die Hälfte eine eigene Abwasserentsorgung sowie Wohnungsgesellschaft. Ferner spielen die Bereiche Telekommunikation, Bäder oder Kultur (Sonstige) eine Rolle.
Die mit der kommunalen Leistungserbringung verbundene Gewährleistungsverantwortung (Daseinsvorsorge) wird im Rahmen einer hinreichenden Erfüllung als komplex erachtet (61,4 %). Des Weiteren bildet die gesamtwirtschaftliche Entwicklung aus Sicht der Kommunen eine große Herausforderung für die öffentlichen Unternehmen. Deutlich niedriger gewichtet werden sozio-demografische Einflüsse (33%) oder ökologische Herausforderungen (30 %). Gerade letztere werden jedoch in Zukunft eine stärkere Rolle spielen, nicht zuletzt im Kontext der Energiewende oder der Kostenremanenzen durch die demografische Entwicklung.
Um die kommunalen Ziele erfüllen zu können, wird auf unterschiedliche Gesellschafterstrukturformen im Gewährleistungsstaat zurückgegriffen. Privatisierungen als Element der Außensteuerung von Stadtwerken stellen nicht zuletzt für die Kommunalseite seit geraumer Zeit ein Instrument dar, ihre Haushalte zu entlasten, Kosten zu senken und Qualitäts- und Effizienzsteigerungen zu generieren. Die intendierte Zielsetzung liegt in der Annahme des effizienteren Wirtschaftens privatisierter Unternehmen im Vergleich zu öffentlichen. Ferner werden häufig substantielle Wohlfahrtsverbesserungen durch privatisierte Unternehmen unterstellt, obgleich im Rahmen der ökonomischen Theorie schwer prognostiziert werden kann, unter welchen Umständen Privatunternehmen öffentliche in ihrer Leistung übertreffen. In der Praxis wird als Privatisierungsursache die oftmals angespannte finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte genannt.
Je problematischer die finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte eingeschätzt wird, desto attraktiver erscheint die Aussicht nach einer Entlastung des öffentlichen Budgets im Zuge der Vermarktung öffentlich erstellter Leistungen. Allerdings waren die letzten Jahre weniger stark durch Privatisierungsvorhaben geprägt. 90 Prozent der teilnehmenden Städte und Gemeinden gaben an, in den letzten fünf Jahren keine Privatisierungen vorgenommen zu haben. Jene Kommunen, die privatisiert haben, führten diese Maßnahmen hauptsächlich mit dem Ziel durch, den Kommunalhaushalt zu entlasten. Teilweise spielt der Wunsch nach der Generierung von Effizienzgewinnen eine Rolle.
Im Hinblick auf die Frage, ob die Kommunen gewisse Leistungen der Daseinsvorsorge bereits wieder rekommunalisierten, ergeben sich ähnliche Ergebnisse wie bei der Privatisierung, allerdings mit leicht stärkerer Gewichtung für die Rekommunalisierung. Drei Viertel der befragten Kommunen gaben an, keine Rekommunalisierungen durchgeführt zu haben. 13 Prozent haben derartige Maßnahmen durchgeführt, 12 Prozent planen diese.
Die Gründe für Rekommunalisierungsmaßnahmen liegen in erster Linie in der Stärkung des kommunalen Einflusses (Daseinsvorsorge) sowie in der Rückgewinnung von Einnahmequellen (Abb. 3). Die Unzufriedenheit mit der privaten Leistungserbringung spielt eine weniger ausgeprägte Rolle.
Den Schwerpunkt des kommunalen Wirtschaftens über eine zielführende kommunale Beteiligungssteuerung bildet nach Angabe der teilnehmenden Städten und Gemeinden eine kostengünstige Bereitstellung von Leistungen der Daseinsvorsorge (95 %). Standortpolitische Ziele, wie die Erhöhung der kommunalen Attraktivität, wirtschaftlicher Erfolg der Unternehmen und regionale Verankerung sowie Arbeitsplatzsicherheit bilden ebenfalls wichtige Elemente im Rahmen der Beteiligungssteuerung.
Kommunale Unternehmen nehmen im Gewährleistungsstaat eine zentrale Funktion ein, Leistungen der Daseinsvorsorge qualitativ und quantitativ hinreichend zu bezahlbaren Preisen für den Bürger zu erbringen. Die kommunale Zielstruktur nimmt dabei eine wichtige Funktion (Außensteuerung) ein, die mit den Zielen des Managements der Unternehmen verzahnt werden muss. Auch spielt die kommunale Haushaltslage eine bedeutende Rolle als Treiber oder Hemmnis öffentlichen Wirtschaftens. Um die häufig zahlreichen kommunalen Unternehmen und Beteiligung auf die jeweilige kommunale Zielstruktur abzustimmen und auch innerhalb der Kommune für Ausgleichsprozesse zu sorgen (Querverbund), ist eine zielführende Beteiligungssteuerung essentiell.
Fazit
Die Studie zeigt, dass flächendeckende Gesellschafterstrukturveränderungen (Privatisierungen/Rekommunalisierungen) in den letzten Jahren nur partiell genutzt wurden. Sollten diese Maßnahmen ergriffen worden sein, dann waren die Städte und Gemeinden nach eigenen Angaben im Großen und Ganzen zufrieden. Finanzielle Aspekte standen dabei meist im Vordergrund.
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