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Übertragungsnetzbetreiber wollen eigene Gaskraftwerke errichten

Allgemein, Energie, Energiewende, Strukturpolitik, Versorgung

Die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber fordern, neue Gaskraftwerke in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern zu errichten. Die Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 2.000 Megawatt sollen dazu dienen, das Stromnetz in Süddeutschland bis zur Fertigstellung der geplanten Übertragungsnetze im Jahr 2025 zu stabilisieren. Errichten und betreiben wollen die vier Netzbetreiber die Kraftwerke selber. Die Kosten dafür müssten die Stromkunden über die Netzentgelte tragen.

Die Vorstandsvorsitzenden der regionalen Energieversorger Mainova AG aus Frankfurt und N-ERGIE Aktiengesellschaft aus Nürnberg, Dr. Constantin H. Alsheimer und Josef Hasler, kritisieren diese Forderungen: „Die Übertragungsnetzbetreiber wollen einen Teil der wettbewerblich organisierten Stromerzeugung in den regulierten Bereich des Netzbetriebs überführen. Die Pläne bedeuten eine Abkehr vom Prinzip des Wettbewerbs.“

Bislang gilt der eherne Grundsatz des Unbundlings, das heißt der Trennung des Netzbetriebs von Stromerzeugung und Stromvertrieb. Aus gutem Grund: Auf diese Weise soll eine wirtschaftliche Machtkonzentration in den Händen der Netzbetreiber zu Lasten der Stromkunden verhindert werden. „Nun aber scheinen die vier Übertragungsnetzbetreiber selbst auf eine beherrschende Stellung im System der deutschen Energieversorgung hinzuarbeiten. Es droht die Wiederkehr eines Oligopols – zum Nachteil der deutschen Volkswirtschaft und damit aller Verbraucher“, sagt Dr. Alsheimer.

Hasler ergänzt: „Wenn die Übertragungsnetzbetreiber selbst neue Gaskraftwerke als taugliches Mittel für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ins Spiel bringen, stellt sich die Frage, wofür wir die neuen Übertragungsnetze dann überhaupt noch benötigen. Eine Doppelinvestition in Gaskraftwerke und Trassen wäre volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung.“

Deshalb, so Dr. Alsheimer und Hasler, sollten Alternativen zu dem aufwändigen Trassenausbau mit Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) entwickelt werden. Diese wurden in einer Studie des Prognos-Instituts bereits untersucht. Ergebnis der Studie: Auf einen Großteil der geplanten HGÜ-Trassen könnte verzichtet werden, wenn die Energiewende konsequent dezentral umgesetzt wird. Voraussetzungen dafür wären wenige Veränderungen im Rechtsrahmen beim Einspeisemanagement, die Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch, wie zum Beispiel mit dem Einsatz von Speichern, sowie der Ausbau von PV- und Onshore-Windkraftanlagen dort, wo Energie verbraucht wird.

Hasler: „Für die Stromkunden wäre die dezentrale Energiewende die günstigere Alternative, denn die Studie berechnet einen gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsgewinn von 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Außerdem würde die Akzeptanz durch die Bürger steigen.“

Die intelligente Verknüpfung von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch in einem regionalen Rahmen mit entsprechendem Verteilnetzausbau wird bisher von der Bundesregierung ignoriert. Dr. Alsheimer: „Eine verbrauchsnahe Stromerzeugung kann dazu beitragen, den Übertragungsnetzausbau und die Eingriffe zur Netzstabilität zu begrenzen und die Energiewende effizienter umzusetzen.“

Die beiden Vorstandsvorsitzenden warnen die Politik davor, allein auf den Übertragungsnetzausbau zu setzen und den Übertragungsnetzbetreibern eine dominante Stellung im deutschen Energiesystem zuzubilligen: „Ein solcher Kurs, der mögliche Alternativen gar nicht erst erwägt, führt zu volkswirtschaftlich ineffizienten Ergebnissen. Dies schadet letztlich dem Jahrhundertprojekt Energiewende.“

Wenn es um neue Gaskraftwerke in Süddeutschland geht, sollten zunächst einmal die bereits bestehenden Kraftwerke in der entsprechenden Region genutzt werden, die durch den energiewirtschaftlichen Ordnungsrahmen derzeit keine Chance am Strommarkt haben.

„Falls dann immer noch Bedarf für Neubauten bestünde, müsste dies so effizient wie möglich organisiert werden. Ausschreibungen wären dafür das Mittel der Wahl. Die Kompetenzen für die Stromerzeugung liegen bei den Kraftwerksbetreibern, nicht bei den Netz-Spezialisten. Es ist ordnungspolitisch höchst bedenklich, wenn diejenigen, die über den Redispatch-Einsatz von Kraftwerken entscheiden, jetzt selber in die Erzeugung einsteigen sollen. Das birgt das Risiko des Missbrauchs“, ergänzt Dr. Alsheimer.