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49-Euro-Ticket: Warum die Revolution zu scheitern droht

Mobilität, Verkehr

Als der Bundestag am 9. Februar in 1. Lesung über die Einführung des 49-Euro-Tickets beriet („Neunte Änderung des Regionalisierungsgesetzes“) übertrafen sich die Vertreter der Ampelregierung gegenseitig mit Superlativen. Es war von einem „historischen Tag“ und der „größten Revolution“ im ÖPNV „seit Gründung der Bundesrepublik“ die Rede. Unterdessen gleicht die Stimmung dort, wo das Ticket tatsächlich umgesetzt werden soll – bei Ländern und Kommunen, Verbünden und Unternehmen – eher einer Katerstimmung.

Die Entscheidung, ein bundesweit gültiges Ticket einzuführen, stellt für die Organisation des ÖPNVs in Deutschland einen Richtungswechsel dar. Und dieser wird so schnell nicht rückgängig gemacht werden. Für Fahrgäste bedeutet das 49-Euro-Ticket durch das Wegfallen der Verbundgrenzen grundsätzlich eine Erleichterung. Vor allem Pendler werden stark profitieren. Doch so „einfach“ der Wunsch von Bundesminister Wissing zu Beginn formuliert war – zunächst zum 1. Januar 2023 – ein bundesweites Ticket einzuführen, so kompliziert gestaltet sich seitdem die Umsetzung. Seit Monaten arbeiten Arbeitsgruppen zwischen Bund und Ländern daran, dass das 49-Euro-Ticket nun zum 1. Mai 2023 eingeführt wird. Und dennoch sind immer noch zu viele Fragen offen.

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Da ist zum einen die Frage nach der digitalen Umsetzung: Zwar gibt es bis Ende 2023 übergangsweise eine Papierticketlösung, aber nur für die Verbünde, die „zumindest grundsätzlich technisch in der Lage sind, auch Chipkarten auszugeben“. Was ist mit den Verbünden, die keine digitalen Möglichkeiten haben? Wo sollen die vielen Lesegeräte zur Kontrolle herkommen? Wie soll erfasst werden, welcher Bus oder Zug wie viele Ticket-Nutzer befördert, um die Gelder leistungsgerecht zuzuweisen? Das ist alles noch unklar.

Diskriminierungsfaktor Smartphone

Die Auswirkungen sind dabei doppelt ungerecht: Vor allem Verbünde im ländlichen Raum sind häufig weniger digitalisiert als beispielsweise die großen Verbünde in Großstädten. Ganz abgesehen von der Deutschen Bahn, die mit dem Navigator ein viel genutztes Instrument besitzt. Die großen Anbieter werben bereits mit dem Online-Verkauf des Tickets und sichern sich durch diese Einnahmen notwendige Liquidität – die dann anderen Verbünden und Unternehmen fehlt.

Bei der Frage der Digitalisierung – die grundsätzlich zu begrüßen ist – sollte aber im Mittelpunkt stehen, dass möglichst viele Personen das Ticket auch kaufen können. Von vorneherein bereits ältere Menschen oder Kinder ohne Handy auszuschließen, mindert die Attraktivität des Tickets ungemein.

Eigenwirtschaftlichen Verkehren droht die Insolvenz

Besonders beunruhigend ist die Situation für eigenwirtschaftliche Verkehre, das heißt die Unternehmen, die auf eigene Rechnung und nicht aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung fahren. Ihnen droht mit der jetzt geplanten Umsetzung die Insolvenz. Denn der Bund lehnt es ab, die Tarifgenehmigung formell auszusprechen. So steigt das Risiko eines Flickenteppichs und die Gefahr, dass den Unternehmen ihre entgangenen Einbußen nicht ausgeglichen werden.

Gerade im ländlichen Raum wäre das fatal: Nicht nur wird das ÖPNV-Angebot sehr wahrscheinlich abnehmen, da durch das 49-Euro-Ticket (hierfür zahlt der Bund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr an die Länder) kaum Geld für den dringend notwendigen Ausbau des Nahverkehrs da ist. Zusätzlich werden die Unternehmen, die vor allem im ländlichen Raum verkehren, aufgeben müssen, weil sie sich das Aufrechterhalten des Angebots wirtschaftlich schlicht nicht mehr leisten werden können.

49-Euro-Ticket wird teurer

Das alles wird natürlich auch Folgen für die langfristige Finanzierung des Tickets haben. Wie hoch werden die Einbußen sein, die ausgeglichen werden müssen? Wie viele verkaufte Tickets wird es bis Ende 2023 tatsächlich geben? Die sogenannte „Nachschusspflicht“ von Bund und Ländern besteht nur dieses Jahr. Es zeichnet sich bereits ab: Um die künftige Finanzierung werden Bund und Länder noch viele Auseinandersetzungen führen.

Es ist absehbar, dass die Finanzierung für die Jahre ab 2024 nicht ausreichen wird. Dazu haben die Länder im Bundesrat bereits einen Änderungsantrag eingebracht, damit in den kommenden Jahren gemeinsam entschieden wird, wie das Ticket durch Verkäufe und Zuschüsse finanziert werden kann. Laut Änderungsantrag beinhaltet dies die „Möglichkeit oder auch die Notwendigkeit, den Preis anzupassen“. So wird das 49-Euro-Ticket mit Sicherheit ab dem nächsten Jahr mehr kosten. Das häufig angeführte Argument, dass das Ticket eine große Klimawirkung hätte, würde durch eine Verteuerung noch mehr ad absurdum geführt.

Zusammenfassend heißt das: Das 49-Euro-Ticket steht auf einem wackeligen Fundament. Wenn die Ampel-Regierung die „Revolution des Nahverkehrs“ nicht absagen will, muss sie schnellstmöglich Klarheit schaffen. Vor allem aber dürfen die Kommunen und Unternehmen vor Ort nicht allein gelassen werden. Langfristig braucht es nicht nur ein bundesweit einheitliches Ticket für den Nahverkehr, sondern vor allem einen starken Ausbau des ÖPNV.

Foto: © Deutscher Bundestag/Inga Haar

Autor: Michael Donth MdB, Mitglied im Eisenbahninfrastrukturbeirat und im Beirat der Schlichtungsstelle für den Öffentlichen Personennahverkehr

Dieser Beitrag erscheint in der März-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO).
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