Im November letzten Jahres feierte die Bundeszentrale für politische Bildung mit einem großen Festakt in Bonn mit über 1.000 Teilnehmern ihr 70-jähriges Bestehen. Zeit für eine kritische Würdigung.
Es gibt wohl kaum einen Schüler, Student oder Lehrer in Deutschland, der nicht schon einmal die zahlreichen Angebote und Materialien der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) genutzt hat. Was nicht jeder weiß: Die bpb untersteht als Behörde dem Bundesinnenministerium. Dass der Staat eine eigene Institution mit dem Ziel der politischen Bildung seiner Bürger und Bürgerinnen unterhält, ergibt sich aus der besonderen Geschichte Deutschlands und ist wohl weltweit einzigartig. 1952 als „Bundeszentrale für Heimatdienst“ gegründet, kam die Regierung Adenauer damit einer Auflage der Alliierten nach, die Demokratie in den Köpfen der Deutschen zu verankern.
Entsprechend heißt es in der Selbstbeschreibung der bpb: „Im Zentrum der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung steht die Förderung des Bewusstseins für Demokratie und politische Partizipation. Aktuelle und historische Themen greift sie mit Veranstaltungen, Printprodukten, audiovisuellen und Online-Produkten auf.“ Veranstaltungsformate der bpb sind Tagungen, Kongresse, Festivals, Messen, Ausstellungen, Studienreisen, Wettbewerbe, Kinoseminare und Kulturveranstaltungen sowie Events und Journalistenweiterbildungen. Und weiter: „Das breit gefächerte Bildungsangebot der bpb soll Bürgerinnen und Bürger motivieren und befähigen, sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinander zu setzen und aktiv am politischen Leben teilzunehmen.“
Die gute Bildung seiner Bürger lässt sich der Staat einiges kosten: Über 350 Mitarbeiter arbeiten an den drei Standorten in Berlin, Bonn und Gera und verwalten ein Budget von 350 Millionen Euro. Vier Millionen Menschen nutzen jeden Monat die digitalen Angebote der bpb. Hauptpublikumsmagnet ist der Wahl-O-Mat. Klar ist: Mit dieser Reichweite ist die bpb eine der wirkungsmächtigsten Behörden in Deutschland. Doch wie sieht es mit der erforderlichen Neutralität und Vielfalt der Angebote in der Praxis aus?
Praxistest: Gebot der Neutralität
Und hier fällt dann doch eine gewisse Schlagseite der bpb auf: Gebe ich den Begriff Rechtsextremismus in die Suchleiste ein, erscheinen 250 Treffer, suche ich hingegen nach Linksextremismus erhalte ich nur 161 Suchergebnisse. Noch deutlicher wird dieses Missverhältnis, wenn ich nach Pressemitteilungen suche: 171 Hinweise auf Veranstaltungen und Reden zu Rechtsextremismus, aber nur vier Treffer für Linksextremismus.
Wie gesagt, die bpb gehört zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums. Jenes Ministerium, das auch den Gesetzentwurf des Demokratiefördergesetzes vorangetrieben hat. In der gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Familienministerium vom 14.12.2022 heißt es dazu: „Ziel des Demokratiefördergesetzes ist die verlässliche und bedarfsorientierte Förderung von Projekten zur Förderung der Demokratie und zur Stärkung von gesellschaftlicher Vielfalt, zur Extremismusprävention und zur politischen Bildung. So erhalten zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen für ihre Arbeit mehr Planungssicherheit. Der Bund erhält erstmals eine gesetzliche Grundlage, um eigene Maßnahmen durchzuführen und zivilgesellschaftliche Projekte im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention zu unterstützen.“
Demokratiefördergesetz ohne Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung
Auch wir als Union hatten uns für eine längerfristige Finanzierung von Organisationen zur Demokratieförderung eingesetzt – allerdings unter der Voraussetzung, dass sich die geförderten Einrichtungen auch zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen. Dieses Bekenntnis sowie die konkreten Förderbedingungen fehlen nun im Gesetz. So beklagt zum Beispiel der bekannte Islamkritiker Ahmad Mansour, dass auch Einrichtungen Fördergelder bekommen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Befähigung zur Partizipation
Kommen wir zu meinem zweiten inhaltlichen Punkt: Ich vermisse ein breites fachlich versiertes Angebot zur Kommunalpolitik. Klar müssen die Landeszentralen für politische Bildung die Spezifika der Kommunalverfassungen transportieren und unsere KPV-Bildungswerke unterstützen die kommunalpolitisch Interessierten nach Kräften, aber das breite Verständnis für unseren Staatsaufbau und das Funktionieren unseres Gemeinwesens aus der Kommunalen Selbstverwaltung heraus wird von der Bundeszentrale zu wenig transportiert. Die Bedeutung der örtlichen Demokratie, der Verwaltung und Selbstbestimmung stehen nicht deutlich genug im Vordergrund. Insbesondere aktuelle fachorientierte und neutrale Angebote für Lehrende, gute Arbeitsmaterialien für Schulen, Berufsschulen, Lehrerweiterbildung und Hochschulen sind kaum zu finden.
Diejenigen, die sich gegen den allgemeinen Trend auf kommunaler Ebene engagieren, beklagen ein zunehmend feindliches Umfeld, Hass in den sozialen Netzwerken bis hin zu Anfeindungen und Bedrohungen im realen Leben. Hier brauchen wir aus der bpb heraus aber keine neuen Formen der Bürgerbeteiligung, die im Zweifel den ehrenamtlichen kommunal Aktiven die Legitimation entziehen und auch keine Einzelprojekte, in denen suggeriert wird, dass die bpb vor Ort in der Praxis Hass und Gewalt bekämpfen könnte.
Aber wir brauchen eine Stärkung der kommunalpolitischen Bildungsarbeit vor Ort und eine Vernetzung der kommunalpolitischen Bildungswerke. Nur in einer dezentralen Struktur kommt die nach Paragraph 28 Grundgesetz garantierte Kommunale Selbstverwaltung zum Tragen. Der Bund trägt Verantwortung, schafft Regelungen und die Rahmenbedingungen für die Kommunale Selbstverwaltung. Die Kommunalen Spitzenverbände repräsentieren durch ihre Gremien und Strukturen das kommunale Hauptamt und die Verwaltungsseite. Aber über 300.000 Menschen engagieren sich verbindlich, längerfristig und persönlich-intensiv für das kommunale Ehrenamt; ihre Belange sind zu berücksichtigen. Es gilt die Bürgergesellschaft zu schützen.
Die bpb hat einen spannenden Auftrag, der aus kommunaler Sicht wieder mit neuem Leben gefüllt werden muss. Mein Eindruck ist, dass sich viele Angebote am sogenannten „Mainstream“ orientieren. Es ist aber Grundlagenarbeit gefragt: Jede Generation muss für die Demokratie neu begeistert und auch demokratische Spielregeln müssen immer wieder neu erlernt werden. Dafür sind die Mittel des Bundes auch richtig eingesetzt.