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Bildung im Öffentlichen Raum

Allgemein, Bildung

Offene Bücherschränke sind Schränke im Öffentlichen Raum. Es gibt umgebaute Telefonzellen, selbstgebaute Holzregale und wesentlich aufwendiger erstellte Schrankvarianten. In Düsseldorf (Foto) steht dieser Offene BOKX-Bücherschrank, gebaut von Urbanlife. Der Chef dieser Genossenschaft, Hans-Jürgen Greve, war der Erste, der das Projekt großflächig bekannt gemacht hat. Über 1000 seiner Schränke stehen mittlerweile in ganz Deutschland.

Hans-Jürgen Greve, Stadtplaner und Bücherschrank-Designer
Foto: © Julian Schmitt

Hans-Jürgen Greve ist Stadtplaner und Architekt, hat in den ersten Berufsjahren nach seinem Studium ganze Städte geplant. Wer das berücksichtigt, weiß auch: Dieser Mann, geboren 1964 im Sauerland, kann auch Offene Bücherschränke bauen. Doch er kann viel mehr – und macht das auch. Denn für den Bücherschrank-Designer fängt das Projekt jetzt erst richtig an. „Nachdem die Schränke, die Planung und das Zusammenwirken mit den Bürgern etabliert sind, können wir nun die Soziokultur ausbauen. Zum Schluss geht es immer um jeden einzelnen Menschen.“

Beispiel Stuttgart


Dass auch Politiker hinter der Idee Offener Bücherschränke stehen, verdeutlicht der Stuttgarter Bezirksbeirat Christian Musse: „Bei uns gibt es viele Offene Bücherschränke – den im Stadtteil Feuerbach habe ich initiiert, dort beste Erfahrungen gesammelt. Mit der Reihe „Begegnungen am Bücherschrank“ lade ich Autoren und Künstler zu Aktionen an den Schrank ein.“ Musse sieht im BOKX-Bücherschrank „einen Ort der Begegnung, denn unser soziales Leben wird bereichert.“

Beispiel Köln


Der Kölner Bauunternehmer Anton Bausinger ist ein „echter Bücherschrank-Fan“. So spricht er augenzwinkernd selbst über sich. Bausinger ließ einen Offenen BOKX-Bücherschrank bei der Umgestaltung eines Kölner Dorfplatzes integrieren. „Gerade dieser Schrank“, sagt Bausinger, „trägt dazu bei, dass wir heute einen lebhaften, gut besuchten Platz haben.“ Was den Bauunternehmer, der auch Vizepräsident der IHK Köln ist, an den BOKX-Schränken überzeugt, ist: Sie funktionieren. „Da ist alles durchdacht, man merkt, dass sich jemand richtig Gedanken gemacht hat und perfekt umsetzt, damit die Funktion erfüllt wird.“

Bücherschrank am Maria-und-Josef-Otten-Platz in Düsseldorf
Foto: © Peter Nierhoff, nierhoff-fotografie.de

Die Bücherpaten und Bücherfreundinnen


Wie wichtig Funktion ist, wissen gerade die zu schätzen, die die Schränke pflegen. „Jeder Schrank ist so gut, wie sich diejenigen kümmern, die ihn ordnen, mal putzen und inhaltlich schauen, dass beispielsweise keine extremistischen Schriften dort stehen“, sagt Greve, für den das ehrenamtliche Engagement das A und O ist. Jeder Schrank hat mindestens zwei Bücherpaten oder Bücherfreundinnen, die regelmäßig nach dem Stadtmöbel schauen. Oft gibt es zudem „heimliche Bücherpaten“ – so werden die Bücher-Liebhaber genannt, die sich ohne Auftrag einfach mit darum kümmern, zum Beispiel aufeinandergestapelte Bücher zurechtrücken, Altes entfernen, neu sortieren. Eine Untersuchung stellte heraus, wie schnell die Bücher ihre Leser wechseln: Nur zwei Wochen dauere es, bis etwa 90 Prozent der Bücher im Umlauf seien. „Nicht selten“, weiß der gelernte Bibliothekar Ulrich Ch. Blortz, einer der Kölner Bücherpaten, „ist das, was morgens reingestellt wird, abends schon weg.“

Die Kölner Manufaktur Urbanlife


Konzipiert, geschweißt und lackiert werden die Schränke im Kölner Süden – Hans-Jürgen Greve betreibt dort im Kunstzentrum Wachsfabrik seine Manufaktur. „Im Schnitt bearbeiten wir hier wöchentlich drei bis vier Bücherschränke. Neue oder solche, die nach Jahren einen Schönheitsschliff bekommen“, sagt Urbanlife-Chef Greve. Beschädigungen, Unfälle? Fast nie. Kürzlich wurde in Düsseldorf ein Schrank bei einem LKW-Unfall angefahren, fiel um, blieb aber ganz, der Schaden: geringfügig. „Die Schränke sind so stabil und für die Ewigkeit gebaut“, ist Greve stolz, „selbst, wenn sie mal umfallen, zeigt sich das gute Material.“ Der Schrank musste nur neu lackiert werden. Greve weiß, wovon er spricht – die ersten 120 seiner Bücherschränke hat er, der auch gelernter Schreiner ist, selbst zusammengeschweißt. Sein Fazit nach 16 Jahren: „Es ist immer noch ein Gute-Laune-Projekt.“

Auch die Westenergie AG hat Bücherschrank-Erfahrung


„Mit 1000 abgeschlossenen Bücherschrank-Projekten ist Urbanlife für uns ein erfahrener Partner“, sagt Projektleiterin Maria Janßen vom Energiedienstleister und Infrastrukturanbieter Westenergie AG. „Wir haben auch schon mehr als 300 Bücherschränke mit ihnen gebaut.“ Mit dem Schwerpunkt in Kommunen jenseits der Großstädte in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen: „Bücherschränke eröffnen ein unschätzbares Potential an Bildung, Unterhaltung und Impulsen, bieten sich als Treffpunkte für Austausch und Gespräche von Bücherfreund*innen vor Ort an.“ Besonders hebt sie hervor: „Es wurde der Beweis erbracht, dass mit ehrenamtlichem Engagement Sachwerte öffentlich zugängig gemacht werden können, ohne dass diese beschädigt werden.“

Öffentlicher Bücherschrank Düsseldorf-Benrath
Foto: © Peter Nierhoff, nierhoff-fotografie.de

Wie einen Bücherschrank finanzieren?


Finanziert werden die Schränke häufig mit Hilfe der Kommunen – aber auch Sparkassen und Banken, Bürgervereine und andere Institutionen helfen mit. Beliebt ist die am Bücherschrank angebrachte Sponsorentafel. „Gerne geben auch wir bei der Finanzierung Tipps“, sagt Greve. Eine seiner neuen Visionen: „Unser Kita-Projekt nimmt Gestalt an. Dafür bauen wir kleinere Bücherschränke, helfen bei der Zusammenstellung hochwertiger Literatur und gehen in die Einrichtungen, um gezielt bei der Sprach- und Leseförderung zu helfen“. Das Projekt liegt in den Händen des Kölner Kurators und Journalisten Thomas Linden, der Greve auch bei der Ausgestaltung der von Urbanlife gegründeten Stiftung Neuer Raum hilft. Stiftungsziel: Die Bücherschränke gezielt für Kulturevents zu nutzen. „Wir bringen die Kultur auf die Straße“, lacht Greve – und man merkt ihm an, dass in seinem Kopf noch viele neue Ideen brüten.

Offene Bücherschränke im öffentlichen Raum

Öffentlicher Raum gilt als Voraussetzung städtischen Lebens. Dort spiegelt sich das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft und „durch ihn wird Stadt erst zur Stadt“. An Offenen Bücherschränken auf öffentlichen Plätzen wird Literatur geteilt. Marktführer unter den diversen Bücherschrank-Modellen sind die BOKX-Bücherschränke aus Köln, hergestellt und vertrieben von der Genossenschaft Urbanlife. Der 1000. Bücherschrank stand 2023 auf der Bundesgartenschau, wurde von BUGA23-Chef Michael Schnellbach verlost und findet nun Platz im südhessischen Odenwald.

Foto: © Tanja Deuß, Knusperfarben





Autorin: Elke Tonscheidt, selbst Bücherschrank-Patin in Köln, arbeitet als freie Journalistin und Moderatorin und schreibt den Blog ohfamoos.com

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