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Im Gespräch: Christian Haase und Heinrich Böckelühr

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Am Rande des CDU-Parteitages in Hannover traf der KPV-Bundesvorsitzende Christian Haase Heinrich Böckelühr. Der langjährige Bürgermeister der Stadt Schwerte (NRW) ist seit dem 1. September 2022 Regierungspräsident der Bezirksregierung Arnsberg. Davor war der Herzblutkommunalpolitiker Präsident der Gemeindeprüfungsanstalt NRW in Herne. Ein Gespräch über Energiekrise und Flüchtlingswelle – und die Antworten der Kommunalpolitik.

Christian Haase MdB: Du bist seit dem 1. September Regierungspräsident der Bezirksregierung Arnsberg. Herzlichen Glückwünsch und gutes Gelingen für diese anspruchsvolle Aufgabe. Jede Kommunalverfassung in Deutschland hat ihre Besonderheiten. Bezirksregierungen kennen wir nur in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und eben NRW. Kannst Du unseren Lesern die Besonderheiten einer Bezirksregierung erklären?

Foto: © KPV

Heinrich Böckelühr: Vielen Dank für die Glückwünsche. Tatsächlich ist mit meiner Ernennung durch Innenminister Herbert Reul für mich ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. Bezirksregierungen gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Preußen schuf damals im Rheinland und in Westfalen Provinzen und Regierungsbezirke. Die Bezirksregierung Arnsberg besteht seit 1816. Damals als Behörde in der Provinz Westfalen des Königsreichs Preußen entstanden, blickt sie heute auf eine über 200-jährige Geschichte zurück. Seit 1816 standen der Behörde bislang 34 Regierungspräsidenten vor. Der besondere Reiz einer Bezirksregierung liegt in ihrer Mittlerrolle zwischen Land und Kommunen. Zusammen mit über 2.000 Beschäftigten vertreten wir 79 Gemeinden in sieben Kreisen sowie fünf kreisfreien Städten mit fast 3,6 Millionen Menschen.

Christian Haase MdB: In Deiner Antrittsrede hast du davon gesprochen, dass Du – im übertragenen Sinn – gemeinsam mit den Bürgern Brücken bauen willst, um die vielfältigen Krisen und Herausforderungen unserer Zeit zu meistern: Klimawandel, Pandemie, Kriege und Vertreibung, Inflation, Energieknappheit. Unternehmen und Bürger haben Angst, ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen zu können. Hinzu kommt die reale Gefahr, dass wir – kommt ein strenger Winter – nicht genügend Gas zur Verfügung haben oder die Versorgung durch einen Angriff auf unsere Infrastruktur zeitweise ausfällt. Was sind die Aufgaben der Bezirksregierung in diesem Zusammenhang?

Böckelühr: „Jede gesparte Kilowattstunde Strom und jeder nicht verbrauchte Kubikmeter Gas reduziert unsere Abhängigkeit von russischem Gas.“


Heinrich Böckelühr: Die Abteilung für Bergbau und Energie ist hier NRW-weit in einer wichtigen Funktion gewissermaßen hinter den Kulissen tätig. Wir unterstützen das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE) bei der Beratung der Bundesnetzagentur bei Fragestellungen zur Energiekrise. Konkret liefern wir Informationen zur Energieversorgung von Haushalten, großen Firmen und Unternehmen, die von einer Mangellage bei Gas und/oder Strom betroffen sein könnten. Grundsätzlich möchte ich den Appell an alle Verbraucherinnen und Verbraucher sowie an alle Unternehmer unterstreichen, dass jede gesparte Kilowattstunde Strom und jeder nicht verbrauchte Kubikmeter Gas unsere Abhängigkeit von russischem Gas reduziert.

Außerdem haben wir Mitte September mit über 80 Kommunen den ersten Kongress Nachhaltige Zukunft an der Universität Witten-Herdecke durchgeführt. Mit dem Ausbau heimischer, erneuerbarer Energien schaffen wir ein Stück Unabhängigkeit. Die Landesregierung hat das ehrgeizige Ziel, Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu machen. Außerdem möchte die neue Landesregierung den Zubau von Windrädern und anderen Erneuerbaren Energien vorantreiben, um die Ausbauziele für Erneuerbare Energien auf nationaler Ebene maßgeblich zu unterstützen. Das vor der Sommerpause vom Bundestag beschlossene „Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus der Windenergieanlagen an Land“, das sogenannte „Wind-an-Land-Gesetz“ sieht vor, dass in NRW bis 2031 1,8 Prozent der Landesfläche mit Windrädern bebaut werden. Das wird sicherlich noch zu Diskussionen in den Kommunen und im Regionalrat führen. Die Genehmigungsbehörden für die Errichtung von Windenergieanlagen sollen in Zukunft die Bezirksregierungen sein. Mir ist deshalb – und nicht nur in diesem Zusammenhang – eine enge und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Regionalrat ein ganz besonderes Anliegen.

Christian Haase MdB: Ich höre auch viele Klagen von den Planungsbehörden aufgrund der Rechtsunsicherheit bei der Genehmigung von Windparks. Auf der anderen Seite kenne ich viele Positivbeispiele von Bürgerwindparks. Klar ist: Wir brauchen die Akzeptanz der Menschen, um den notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien zu meistern. Der Klimawandel erfordert ein rasches Handeln.

Heinrich Böckelühr: In der Tat. Auch das Jahr 2022 ist heißer und sonniger als die meisten seiner Vorgänger. Wobei – nicht die Höchststände sind das Besondere, sondern die Häufung. Rekordhitze und Klimawandel treffen für jeden sichtbar auch unsere heimischen Wälder.

Mit über 3.000 Quadratkilometern liegen 41 Prozent der Waldfläche des Landes NRW im Regierungsbezirk Arnsberg, davon fast ein Drittel allein im Hochsauerlandkreis mit über 1.000 Quadratkilometern. Dabei ist besonders besorgniserregend, dass 60 Prozent der geschädigten Waldfläche Nordrhein Westfalens in unserem Regierungsbezirk liegt. Aber nicht nur unseren Wald- und landwirtschaftlichen Flächen machen die aktuellen Dürreperioden zu schaffen. Besonders schlecht geht es den Fließgewässern, den Lebensadern unserer Region. Deshalb ist es der von meinem Vorgänger im Mai 2021 in seinem Geschäftsbereich eingesetzten Stabsstelle „Klimaschutz, Energie, Nachhaltigkeit“ ein besonders Anliegen, auch das Thema ‚Wald‘ und ‚Wasser‘ neu zu denken und die grundlegende Bedeutung des Waldes und unserer Fließgewässer für den Arten- und Klimaschutz sowie einer nachhaltigen Holzerzeugung sowie der Trinkwassererzeugung und dem Schutz vor Hochwasser im gesamten Regierungsbezirk zu bearbeiten. Die Arbeit dieser Stabsstelle werde ich stärken und so zu einem Vorbild auch für die übrigen vier Regierungspräsidien in unserem Bundesland machen.

Christian Haase: „Wir stehen fest an der Seite der Ukraine.“


Christian Haase MdB: Ich möchte nochmal auf den Ukraine-Krieg zu sprechen kommen. Für mich ist wichtig, immer wieder deutlich zu sagen: Wir stehen fest an der Seite der Ukraine. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass Russland am Gashahn dreht und uns damit volkswirtschaftlich empfindlich schadet. Diese Einschnitte ertragen wir aus Solidarität mit den Menschen in der Ukraine. Hinzu kommt, dass sehr viele Menschen aus der Ukraine Schutz bei uns suchen. Nun klagen bereits einige Kommunen, dass sie an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, was die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine betrifft. Meines Erachtens war der Rechtskreiswechsel der Ukrainekriegsflüchtlinge in das SGB II beziehungsweise SGB XII ein schwerwiegender Fehler. Es ist nun viel schwieriger die Verteilung der Flüchtlinge nach dem Königssteiner Schlüssel auf die einzelnen Länder zu organisieren. Wie sieht das bei Dir in der Region aus?

Heinrich Böckelühr: Die Bezirksregierung Arnsberg organisiert landesweit die Verteilung der nach Nordrhein-Westfalen kommenden Flüchtlinge – sowohl die Asylbewerber aus auch die Flüchtlinge aus der Ukraine. Wir registrieren hier natürlich die zahlreichen besorgten Rückmeldungen aus den Städten und Gemeinden, die bei der Unterbringung all dieser Menschen an ihre Grenzen stoßen. Auch in den Landeseinrichtungen, die die Bezirksregierungen für die erste Unterbringung der Flüchtlinge, vor ihrer Zuweisung in die Kommunen bereithalten, spüren wir aktuell die insgesamt hohen Zugangszahlen. Wir müssen realistischer Weise vor dem Hintergrund der Situation in der Ukraine in Kombination mit dem kommenden Winter mit weiteren Zugängen von Flüchtlingen rechnen. Die Bezirksregierung Arnsberg sucht hier einerseits sehr intensiv den Kontakt zum zuständigen Fachministerium in Düsseldorf und versteht sich andererseits auch als ehrlicher Ansprechpartner der Kommunen.

Dieser Beitrag erscheint in der November-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO).
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