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Weniger ist das neue Mehr

Umwelt

Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil christlich-demokratischer Politik: Wir wollen unseren Nachkommen eine Welt hinterlassen, die auch morgen noch lebenswert ist. Ein zukunftsorientierter Umwelt und Klimaschutz ist kein grünes Lametta, sondern schafft – richtig verstanden und gemacht – Chancen für neue Arbeitsplätze. Bis Mitte der 1990er Jahre fand man den Begriff vornehmlich in der wissenschaftlichen Diskussion. Aus der Forstwirtschaft kommend. Heute beansprucht nahezu alles den Begriff: nachhaltig reisen, waschen, kochen, bauen, haushalten.

Autorin: Julia Klöckner, Landesvorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz und Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft

Nachhaltigkeit ist mehr als nur ein Trendwort oder beiläufiges Adjektiv. Es geht um eine Haltungs- und Strukturfrage für unser Leben und Arbeiten. In der Unternehmensführung ist der nachhaltige Ansatz genauso gefragt wie in der Landwirtschaft, der Klimapolitik oder auch in der Haushaltspolitik. Das zeigt sich besonders jetzt in der Pandemie. Ohne direkte Zuschüsse des Staates – gerade durch den Bund auf Grund einer langjährigen nachhaltigen Haushaltspolitik unter CDU-Führung – ohne Steuerstundungen und Notkredite, hätten viele Unternehmen die Krise nicht überlebt.

Heute an morgen denken

Bild: © Juergen-Faelchle_stock.adobe_.com

Nachhaltig zu sein ist nichts anderes als heute an morgen zu denken und so zu handeln. Nachhaltigkeit auf Ökologie zu verengen, ist aber falsch. Soziale, ökonomische und ökologische Belange müssen immer wieder neu abgewogen und miteinander in Einklang gebracht werden. Wir wollen die Umwelt schützen und gleichzeitig unseren Wohlstand erhalten. Wir setzen auf Vernunft statt Ideologie. Hysterie und Aktionismus helfen uns nicht weiter. Erfolgreicher Klimaschutz muss konsequent sein, aber auch Menschen mitnehmen. Der Klimaschutz gelingt nur gemeinsam – vom Anfang bis zum Ende. Und gleichzeitig führen wir unterschiedliche Interessen zusammen. Maximalforderungen einzelner Gruppen können nicht die Lösung für gemeinsamen Klimaschutz sein. Wir handeln – etwa mit dem Klimaschutzpaket und dem Kohleausstieg. Strom, Heizen und Mobilität müssen sauberer werden sowie sicher und bezahlbar bleiben. Wir setzen auf Anreize, Forschung und Entwicklung statt auf Verbote. Wir setzen auf Technologieoffenheit und auf die Innovationskraft unserer Forscher und Ingenieure. Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Um die CO2-Emissionen weiter zu reduzieren, brauchen wir neben nationalen Einzelmaßnahmen vor allem europäische und internationale Lösungen. Alle Maßnahmen müssen darauf zielen, dass Deutschland Innovationsführer beim Klimaschutz wird, um die besten Lösungen für CO2-Reduzierungen in der ganzen Welt anbieten zu können.

Nicht mehr, sondern besser

Nachhaltigkeit spielt auch im täglichen Leben von uns eine wichtige Rolle. Unverpacktläden gibt es mittlerweile auch in kleinen Städten, weniger Fleisch, dafür vermehrt regionale und saisonale Produkte stehen bei vielen längst auf dem Speiseplan, und für Langstreckenflüge ist man bereit, Ausgleichszahlungen zu leisten. Unser Konsum hat Auswirkungen. Ethiker beschäftigen sich damit. Ein neuer Trend: Nicht immer mehr, sondern immer besser. Weniger ist dann das neue Mehr. Wie gesagt: Es gibt kaum eine Branche, in der Nachhaltigkeit keine Rolle spielt. Aber nur ein Gefühl dafür zu haben, reicht nicht. Ein Plan mit Prinzipien, denen man folgt, das ist es. Und das macht Christdemokratische Politik aus – als Volkspartei haben wir die Bandbreite im Blick, die Folgen unseres Tuns. Und dazu muss man sich der Ziele klar sein. Die CDU als Volkspartei der Mitte muss den Anspruch haben, all ihre politischen Initiativen einem Nachhaltigkeitscheck, einer Art Zukunftstauglichkeit zu unterziehen. Einseitigkeit führt zu Verengung und Ideologisierung. Umwelt-, Klima-, Ressourcenschutz muss von Realisten, Pragmatikern, Menschen mit Maß und Mitte ernst genommen und gemacht werden.

 Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe

Die alten Konflikte zum Beispiel zwischen Landwirtschaft, Wirtschaft und Naturschutz müssen wir lösen. Und das können wir. Wenn sich alle bewusst machen, dass uns ein schlichtes Alles-Oder- Nichts-Denken nicht weiterführt. Bleiben wir bei der Landwirtschaft: Bauern stellen sich immer wieder vielen neuen Anforderungen – und gleichzeitig geht das nur, weil es technisch Entwicklungen, Digitalisierung, neue Instrumente und Anreize dafür gibt. Priorität bleibt dabei stets, uns und die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und somit das Menschenrecht auf Nahrung weltweit zu verwirklichen. Aber gleichzeitig müssen wir eben auch die Ressourcen schützen und erhalten für diejenigen, die nach uns kommen. Auf diesen Erhalt der Ressourcen, den Nachhaltigkeitsgedanken, haben wir uns wiederholt in vielen Vereinbarungen national und international verständigt. Das hat – gerade im Moment – einen großen Anpassungsdruck für die Landwirtschaft zur Folge. Denn sie muss die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung mit umsetzen, genauso wie sie die im Entwurf des Klimaschutzgesetzes festgelegten Treibhausgasminderungen von 14 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bezogen auf 2014 erreichen muss. Sie will ihren Beitrag leisten, Artenvielfalt zu erhalten. Mit der reformierten GAP werden die Vorgaben für den Natur-, Umwelt- und Klimaschutz auf dem Feld und Acker deutlich ambitionierter, deshalb werden wir die Landwirte bei diesem Prozess unterstützen und finanziell begleiten. In den vergangenen 30 Jahren wurden die Emissionen klimarelevanter Gase aus der Landwirtschaft um über 20 Prozent gesenkt. Bereits heute liegen in Deutschland über zwei Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in Schutzgebieten. Das sind mehr als zehn Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland. Es ist nicht banal, unsere Landwirtschaft muss zwei Verantwortungen gleichzeitig schultern: Menschen ernähren und Ressourcen schützen. Und beides in einer Weise, die wirtschaftlich tragfähig ist.

Forschung und Innovation

Drohnen, Sensoren oder Roboter sind auf unseren Äckern aktiv, werden über Geodaten gesteuert, um zentimetergenau zu arbeiten. So kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Düngemitteln minimiert werden. Effektiver Naturschutz ist dann möglich, wenn die Akteure in den ländlichen Räumen zusammen und nicht gegeneinander arbeiten. Reflexartige Rufe nach Verboten und Beschränkungen stigmatisieren diejenigen, die unsere Tische decken. Wir müssen über Vor- und Nachteile konventioneller wie ökologischer Landwirtschaft offen diskutieren, ohne Gedankenschere im Kopf. Denn auch der Ökolandbau ist nicht frei von Schwierigkeiten, weil er für die Herstellung von Lebensmitteln zum Beispiel deutlich mehr Flächen verbraucht. Deshalb ist mein Ziel, beides zusammenzubringen, ökologische und konventionelle Landwirtschaft. Damit beide voneinander lernen. Und kein Klimaschutz ohne seinen größten Helfer – den Wald.

Waldschutz ist Klimaschutz

Mein Heimatbundesland Rheinland-Pfalz ist zu rund 42 Prozent mit Wald bedeckt. Der Klimawandel und Schädlinge setzen unseren vielseitigen Wäldern jedoch enorm zu. Bereits heute sind ca. 84 Prozent der Bäume krank. Um die Wälder für uns und alle kommenden Generationen zu erhalten, ist es essentiell, durch gezielte Klimaanpassungsmaßnahmen, wie der Pflanzung klimastabiler Baumarten, unsere Wälder zukunftsfähig und nachhaltig umzubauen. Ein naturnaher Wald kann Klimaveränderungen und Schädlingen viel besser trotzen. Als Bundeswaldministerium haben wir deshalb 1,5 Milliarden Euro unter anderem zur Wiederaufforstung in Deutschland auf den Weg gebracht. Wer übermorgen Holz braucht und morgen einen Wald, muss heute Bäume pflanzen. Und wie leben und wohnen wir? Unsere Dörfer und Städte verändern sich stetig, so auch unser Klima. Damit betrifft nachhaltige und intelligente Baukultur nicht nur die heutigen, sondern auch die zukünftigen Generationen und kann nur gelingen, wenn alle Verantwortung für die gebaute Umwelt und deren Pflege übernehmen. Dabei muss sich die Dorf- und Stadtentwicklung nicht nur den Bedürfnissen der Bürger, sondern auch an die neu entstehenden klimatischen Veränderungen anpassen. Wer will, dass Stadt und Land liebens- und lebenswert bleiben, muss eine Baukultur fördern, die auch das sogenannte urban gardening und neue Wege der Begrünung für besseres Stadtklima mitdenkt. Die fortschreitende Flächeninanspruchnahme und Versiegelung stellt ein Problem für Ernährungssicherheit und Naturschutz da. Oft werden Neubauflächen in Siedlungsrandbereichen ausgewiesen, bei zugleich leerstehenden Ortskernen, wo ältere Menschen vereinsamen und bei schlechten Verkehrsanbindungen regelrecht abgehängt werden. Dieser Entwicklung wollen wir durch entsprechende Anreize entgegenwirken.

Vom Dorf in die Welt

Wir wollen einen wirksamen, effizienten und global anschlussfähigen Klimaschutz. Da Emissionshandelssysteme überall auf der Welt entstehen, sind sie der Schlüssel zu einer globalen Lösung für ein globales Problem. Wir brauchen eine kohärente Klimastrategie. Die UN-Agenda für Nachhaltigkeit umfasst 17 Ziele – jenseits des Klimaschutzes etwa die Armutsbekämpfung, Geschlechtergerechtigkeit und Frieden. Das zeigt uns: Alles hängt mit allem zusammen. Es geht nur miteinander.

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