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Neue Herausforderungen erfordern neue Strategien

Ländlicher Raum, Mobilität

Der demografische Wandel birgt Herausforderungen. Um dem Strukturwandel entgegenzuwirken, wird es eine der wesentlichen Aufgaben sein, gleichberechtigte Entwicklungsmöglichkeiten in allen Regionen sicherzustellen. Als Teil der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum ist die Erhaltung des ÖPNV und die Schaffung ergänzender bedarfsgerechter Angebote ein wichtiger Aspekt.

Aufeinander abgestimmte Mobilitätskonzepte sind eine Möglichkeit, die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums als Wohn- und Wirtschaftsstandort zu sichern. Als Flächenkreis mit einer vergleichsweise hohen Bevölkerungsdichte strebt der Kreis Ostholstein den Ausbau bedarfsgestützter Angebote als nutzungsorientierte Fortentwicklung des ÖPNV an.

Bedarfsgerechte Mobilitätsangebote für die Bevölkerung des ländlichen Raums sicherzustellen ist von zentraler Bedeutung. Zugleich ist diese Aufgabe im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge sehr herausfordernd. Der zunehmende Kostendruck, sinkende Schülerzahlen, eine schrumpfende aber älter werdende Gesellschaft sowie die speziellen Anforderungen der Barrierefreiheit und des Tourismus zählen zu den Aspekten, die maßgeblich auf den Öffentlichen Personennahverkehr wirken.

Keine verschwenderischen Leerfahrten

Als besonders vielversprechend stellt sich nach den bisherigen Erfahrungen im Kreis Ostholstein der Ausbau bedarfsgestützter Angebote dar. Im Gegensatz zum konventionellen Linienverkehr, bei dem ein Standardlinienbus unabhängig von der tatsächlichen Nachfrage seinen Fahrplan bedient, und dabei häufig nur die viel zitierte „heiße Luft“ befördert, zeichnen sich bedarfsgestützte Systeme dadurch aus, dass sie nur dann fahren, wenn der Fahrgast seinen Fahrtwunsch vorher anmeldet. Das ist zum Beispiel telefonisch oder online möglich. Gerade in den Nachmittagsstunden, an den Wochenenden oder abends lassen sich so Leerfahrten vermeiden.

Erfolgt keine Anmeldung, bleiben die Fahrzeuge, zumeist Kleinbusse oder PKW von örtlichen Taxiunternehmern, im Depot.  Hierdurch werden sowohl Betriebskosten gespart und als auch das Klima geschont.

Anrufbus, Foto: Kreis Ostholstein

Im Kreis Ostholstein existieren bedarfsgestützte Angebote verschiedener Ausprägung bereits seit 2005. Ihr Anteil am gesamten Fahrplanvolumen wurde in den vergangenen Jahren sukzessive ausgebaut. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, gemeinsam mit den jeweiligen Kommunen und Nutzergruppen ein möglichst maßgeschneidertes Angebot zu entwickeln, das den Bedürfnissen der Menschen vor Ort entgegenkommt. Essentiell ist hierbei auch eine intensive Begleitung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit, etwas um potentielle Hemmschwellen beim Kunden abzubauen.

Geschlossene Mobilitätsketten

Erfolgversprechend können solche Bemühungen nur in einer gut abgestimmten Kombination mit weiteren Mobilitätsangeboten auch und gerade außerhalb des ÖPNV sein. Es gilt also mehr denn je, über den Tellerrand zu schauen, um geschlossene Mobilitätsketten zu entwickeln und dabei eben nicht nur auf Bus und Bahn zu setzen. Vielmehr müssen auch Systeme wie Bürger- oder Dorfbusse, Carsharing-Modelle, Mitfahrbanken oder ‚Bike and Ride‘ sinnvoll einbezogen werden. Dies erfordert wiederrum eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure.

Während die Zuständigkeiten für den Bahn- und Busverkehr beim Land beziehungsweise den Kreisen und kreisfreien Städten liegen und diese in ihren Nahverkehrsplänen konkrete Ziele und Entwicklungsstrategien definiert haben, sind solche Themenfelder im Bereich der Mobilität, die außerhalb des ÖPNV liegen, rechtlich nicht klar verortet. Sie zählen aber ganz allgemein als zentrale Aspekte der Daseinsvorsorge zum Aufgabenspektrum der gemeindlichen Ebene.

Gerade im ländlichen Raum und in den kleineren Kommunen existieren bislang jedoch keine oder nur ansatzweise abgestimmte Mobilitätskonzepte, so dass öffentliche Mobilität in den meisten Fällen nach wie vor auf die Fahrplanangebote von Bussen und Bahnen beschränkt sind. Das führt oft dazu, dass die planerisch durchaus anspruchsvolle ‚letzte Meile‘ unterversorgt bleibt. Auch fehlt es vor Ort vielfach an einem ‚Kümmerer‘, der sich des Themas Mobilität mit all seinen Facetten nachhaltig annimmt.

Digitale Möglichkeiten nutzen

Der Kreis Ostholstein will es sich in den kommenden Jahren zur Aufgabe machen, die bestehenden Versorgungslücken zu schließen. Ziel ist es, jeweils für vergleichsweise kleine Verkehrsräume innerhalb des Kreisgebietes gemeinsam mit allen Akteuren und Verkehrsträgern integrierte Konzepte zu entwickeln und konsequent umzusetzen. In diesem Rahmen sollen ausdrücklich auch neue technische Entwicklungen wie die Elektromobilität, autonom fahrende Kleinbusse oder digitale Optionen zur Buchung der Angebote erprobt werden.

Wie so oft, liegen die Herausforderungen für die Projektbeteiligen dabei vielfach im Detail. Während bei Bürgerbus-Projekten von Ehrenamtlern eine Reihe rechtlicher Hürden zu bewältigen sind, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Vereinsgründung oder der Gesundheitsprüfung der Fahrer, ist es bei Carsharing-Angeboten nicht immer ganz leicht, die optimale Software für die Buchung der Fahrzeuge ausfindig zu machen.

Vor diesem Hintergrund ist es unumgänglich, eine zentrale Kompetenzstelle einzurichten, die auf übergeordneter Ebene für die Koordination und Bündelung der verschiedenen Aktivitäten und Teilprojekte verantwortlich sein soll. Gleichzeitig soll diese als Ansprechpartner für die Akteure vor Ort fungieren. Das Land Schleswig-Holstein hat hierzu dankenswerterweise bereits die Bereitschaft signalisiert, das Projekt finanziell zu unterstützen.

Foto: Kreis Ostholstein

Autor: Reinhard Sager ist Landrat des Kreises Ostholstein, Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages und Präsident des Deutschen Landkreistages

Der Beitrag ist erschienen in der Januar-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter.

 

 

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