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Mobilität der Zukunft – Landkreis München legt vor

Allgemein, Strukturpolitik, Verkehr

München verzeichnet ein starkes Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum und wird auch zukünftig weiter wachsen. Damit Identität und Lebensqualität nicht leiden, sind innovative Mobilitätskonzepte gefragt. Landrat Christoph Göbel berichtet über den Ausbau des ÖPNV, die Einrichtung von Radschnellwegen und die Verzahnung verschiedener Mobilitätsangebote.

Beinahe schon in gewohnter Regelmäßigkeit kann der Landkreis München „Superlative“ vermelden: Spitzenplätze in punkto wirtschaftliche Prosperität, Spitzenresultate bei der Umlagekraft, nahezu Vollbeschäftigung. Aber auch: rasantes Bevölkerungswachstum, schwindelerregende Miet- und Immobilienpreise, eine völlig überlastete Verkehrsinfrastruktur. Schon heute ist der Wohnraum knapp. Dort wiederum, wo der Wohnraum günstiger ist, fehlen oft Arbeitsplätze, sind die Distanzen zum Arbeitsplatz zu groß oder die Verkehrsanbindungen in den Ballungsraum nicht attraktiv genug. Wollen die Kommunen Bauland ausweisen oder nachverdichten, wehren sich immer öfter Bürger, die in der Umgebung wohnen und die Vorhaben ablehnen.

Das Wachstum ist nicht aufzuhalten und wir brauchen es, um auch wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben und ein ansprechendes Lebensumfeld bieten zu können. Und um Arbeitsplätze auch dauerhaft sicherzustellen – so widersinnig das auf den ersten Blick auch scheinen mag. Denn diese werden in Wirtschaft und Dienstleistung dauerhaft nur dort angeboten, wo sich auch Fachkräfte finden. Schon heute fehlen den Unternehmen in der Region München rund 37.000 dieser Fachkräfte. In weniger als 15 Jahren wird sich die Zahl auf mehr als 100.000 erhöhen. Wenn wir für diese dringend gebrauchten Fachkräfte jedoch den nötigen Wohnraum nicht bieten können, werden die Unternehmen in weiter entfernt liegende Regionen abwandern und der Raum München wird an Attraktivität und wirtschaftlicher Prosperität verlieren. In der Folge würde die Zahl der Arbeitsplätze nicht zunehmen und wir verlören Kapazitäten auf dem Arbeitsmarkt. Dies wäre der Beginn einer Abwärtsspirale, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

Gesundes Wachstum aktiv gestalten

Es ist entscheidend, dass wir das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft nicht einfach geschehen lassen. Wir müssen es gezielt steuern. Dabei ist klar: Weder die Stadt noch der Landkreis München können den Zuwachs an Bevölkerung und Gewerbe dauerhaft alleine aufnehmen. Es liegt auf der Hand, dass sich die Kommunen mit Nachdruck darum bemühen müssen, neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Einheimischen müssen Möglichkeiten geboten werden und bezahlbare Korrektive zum freien Wohnungsmarkt müssen kommunal sichergestellt werden.

Es ist aber weder möglich noch zielführend, den für Stadt und Landkreis München prognostizierten Wohnraumbedarf gänzlich an Ort und Stelle zu realisieren. Dies gilt auch für das Gewerbe. Es wäre ein hohes Risiko für die weichen Standortfaktoren, auf die die Attraktivität unserer Region angewiesen ist. Wir können nicht alle Freiräume verbauen und es würde uns auch nicht gelingen, die nötige soziale Infrastruktur, wie zum Beispiel Kindergarten- oder Pflegeplätze, in ausreichender Zahl zu schaffen. Mit einer solchen Urbanisierung wäre die Identität des Landkreises und seiner 29 Städte und Gemeinden in Gefahr.

Ziel muss vielmehr sein, eine noch stärkere Verflechtung der Landeshauptstadt und der umliegenden, stadtnahen Kommunen mit der übrigen Metropolregion zu erreichen. Wohnen, Leben und Arbeiten in unserer Region müssen attraktiver miteinander verbunden werden, auch wenn sie weiter entfernt voneinander organisiert sind.

Mobilität als Schlüssel zum Erfolg

Herausragende Bedeutung kommt dabei der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere dem öffentlichen Personennahverkehr zu. Nur verbesserte Mobilität im Raum nimmt dem Kern unserer Region den extremen Siedlungsdruck. Gleichzeitig bietet eine solche Verbesserung auch anderen Zentren und Siedlungsräumen unserer Region Chancen auf eine prosperierende Zukunft.

Eine solch verbesserte Mobilität wird sich neben einem leistungsfähigeren ÖPNV mit neuen, vor allem auch tangentialen Verbindungen in der Region und verdichtetem Takt und Komfort durch einen einheitlichen Tarif über alle Verkehrsverbünde und Angebotsträger von Bus und Bahn auszeichnen müssen. Nur so werden die Menschen das Angebot annehmen und über weitere Strecken zu ihrem Arbeitsplatz pendeln. Der Verein Europäische Metropolregion München arbeitet deshalb mit Hochdruck daran, für die gesamte Metropolregion einen Dachtarif zu realisieren. Im Münchner Verkehrs- und Tarifverbund laufen die Planungen zur überfälligen Modernisierung des Tarifsystems. Und in einem integrierten Mobilitätskonzept für die ganze Region sollen konkrete Maßnahmenvorschläge aufgezeigt werden, die für Politik, Unternehmen und Verbände aus allen Ebenen und Teilräumen unserer Region den Ansatz einer zukunftsweisenden Entwicklung bieten.
Der Landkreis München ist hier bereits in Vorleistung gegangen und hat im Herbst 2015 die Studie „Perspektiven im öffentlichen Personennahverkehr im Landkreis München“ in Auftrag gegeben. Der Fokus lag auf den Schienenverkehrsmitteln sowie den tangentialen Verkehrsbeziehungen. Ganz bewusst wurde dabei über räumliche sowie Grenzen der Zuständigkeiten des Landkreises hinausgeblickt.

Diskussionsrunde zur ÖPNV-Studie, Foto: Christoph Göbel

Unter großer Beteiligung von Vertretern aus Politik, Verwaltung, von Unternehmen, Verbänden, Vereinen und Initiativen, von sämtlichen lokalen Akteuren im ÖPNV sowie einer breiten Öffentlichkeit ist eine Vielzahl von Ideenskizzen entstanden: Tangential verlaufende Stadtbahnen, die Verlängerung einzelner U-Bahnäste oder eine neue S-Bahntangente gehören ebenso zu den Überlegungen wie der Bau einer Seilbahn. Jetzt gilt es Mitstreiter zu finden und Überzeugungsarbeit bei denjenigen zu leisten, die in der politischen Verantwortung stehen.

Neben allen Themen bei Bus und Bahn beschäftigen uns aber zeitgleich auch Fragen der Nahmobilität, des Fußgänger- und Radwegeverkehrs, der Intermodalität – also der Verknüpfung verschiedener Fortbewegungsmittel miteinander – sowie moderner Formen des Individualverkehrs, wie der Elektromobilität oder das autonome Fahren.

Mögliche Korridore für Radschnellverbindungen ins Münchner Umland; Quelle: RIS Regierung von Oberbayern, Stand 08/2014; PV München; Kartengrund: Bayerische Vermessungsverwaltung

Mit Hochdruck verfolgen wir die Umsetzung einer ersten Radschnellverbindung. Um das Rad im Alltagsverkehr konkurrenzfähig zu machen, bedarf es direkter Verbindungen, auf denen auch mit hohen Geschwindigkeiten gefahren werden kann. In einer regionalen Potenzialanalyse wurden zunächst 17 mögliche Korridore ermittelt. Anschließend wurde in einer Machbarkeitsstudie die erste Pilotstrecke definiert. Sie führt von der Landeshauptstadt München Richtung Norden nach Garching-Hochbrück und über einen Abzweig nach Unterschleißheim. Mit der Stadt Unterschleißheim wird damit die bevölkerungsreichste Kommune im Landkreis durch einen Fahrrad-Schnellweg erschlossen. Garching hat mit seinem Universitätscampus und einer Vielzahl an Arbeitsplätzen ebenfalls ein hohes Nutzerpotenzial aufzuweisen.

Neben den Radschnellverbindungen steht auch der Aufbau eines Leihradsystems für den Landkreis auf der Agenda sowie die Schaffung eines flächendeckenden Netzes von Lademöglichkeiten für Elektro-Fahrzeuge.

Auch in der Verwaltung selbst denken wir weiter und implementieren ein aktives betriebliches Mobilitätsmanagement einschließlich neuer Formen der (digitalen) Arbeit. Dies ist für uns genauso wichtig wie für alle anderen Unternehmen, die eine zukunftsfeste Standortsicherung anstreben. So ermöglichen beispielsweise mobile Arbeit und größtmögliche zeitliche Flexibilität den Beschäftigten des Landratsamtes viele Wege oder Spitzenverkehrszeiten zu meiden. BMW wiederum entschloss sich jüngst, sein Forschungs- und Entwicklungszentrum für autonomes Fahren nach Unterschleißheim zu verlegen und trägt damit wesentlich zur Zukunft unseres Standorts und zur Fortschreibung der Mobilität in unserem Raum bei.

Wir werden also sicher weiter wachsen, müssen dabei aber darauf achten, dass wir eine „gesunde“ Entwicklung vollziehen. Dann werden wir gemeinsam – der Landkreis, die Landeshauptstadt und mit uns die gesamte Region München – auf Erfolgskurs bleiben.

Foto: Claus Schunk

Autor:  Christoph Göbel ist Landrat des Landkreises München (Foto: Claus Schunk)

Der Beitrag ist erschienen in der November-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO).

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