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Abfallverwiegung – Ein Erfolgsmodell im Kreis Aschaffenburg

Abfallwirtschaft, Allgemein, Strukturpolitik

Der Landkreis Aschaffenburg feiert ein ungewöhnliches Jubiläum: Vor 20 Jahren wurde im gesamten Kreisgebiet ein neues Abfuhrsystem mit Verwiegung der Rest- und Biomülltonnen am Müllfahrzeug eingeführt. Das System erlaubt eine Berechnung der Abfallgebühren nach Gewicht und Anzahl der Abholungen. Ziel bei der Einführung war die Reduzierung der Kosten und der Restmüllmengen sowie eine Steigerung der Wertstoffmengen.

Foto: LK Aschaffenburg

Alle Mülltonnen im Landkreis Aschaffenburg sind mit einem Mikrochip ausgestattet, der es ermöglicht, jedes Gefäß einem bestimmten Grundstück und somit dem Grundstückseigentümer zuzuordnen. Bei der Leerung der Tonnen wird der codierte Chip automatisch gelesen. Das Abfallgewicht wird mittels einer geeichten Waage an der Schüttung ermittelt, zugeordnet und im Bordcomputer des Sammelfahrzeuges abgespeichert. Das Gewicht der Tonne wird vor und nach der Leerung registriert, sodass eventuell zurückbleibende Mengen nicht berechnet werden. Die Daten werden an das Landratsamt übermittelt und bilden die Basis für die Erstellung der Gebührenbescheide. Die Wiegetechnik funktioniert auch unter schwierigen Gegebenheiten.

Müllverwiegung setzt sinnvolle Anreize

Die Gründe für die Umstellung der Hausmüllabfuhr waren vielschichtig. Zum einen sollte die Biomüllsammlung eingeführt werden, da die organischen Abfälle aus Küche und Garten Ende der 1990er Jahre noch über die Restmülltonne entsorgt oder bestenfalls eigenkompostiert wurden. Zum anderen wollte der Landkreis mit der Einführung neuer, rollbarer Tonnen für Bio- und Restmüll die Arbeitssicherheit verbessern. Die Verwiegung und die individuellen Abfallgebühren sollten jedoch insbesondere Anreize für die Bürger schaffen, die Wertstoffmengen zu steigern und die Restmüllmengen zu reduzieren. Die Verringerung des Restmülls, der teuer beseitigt werden musste, sollte zu Einsparungen führen, welche die technikbedingt erhöhten Abfuhrkosten ausgleichen und insgesamt zu niedrigeren Gebühren für die Bürger führen sollten.

Die Erwartungen wurden in abfallwirtschaftlicher und ökonomischer Sicht übertroffen. Auch wenn bereits seit 1990 die Hausmüllmengen durch diverse Maßnahmen kontinuierlich gesenkt werden konnten, wurde eine erhebliche Mengenreduzierung erst ab 1997 mit Einführung der Verwiegung erreicht. Durch die parallele Einführung der Biotonne konnte die Ausgangsmenge von 22.700 Tonnen Restmüll mehr als halbiert werden. Die gesamte Haus- und Sperrmüllmenge ist seit 1998 meist die geringste in Bayern bei gleichzeitig meist höchster Recyclingquote. Die Receyclingquote betrug im Jahr 2016 fast 87 Prozent. Die Wertstoffmengen konnten mit Einführung der Verwiegung tatsächlich bei allen Fraktionen erheblich gesteigert werden. Neu eingeführte Abfallsammlungen werden grundsätzlich gut von der Bevölkerung angenommen. Im Hausmüll befanden sich nach einer Analyse von 2011 lediglich noch 2,5 Kilogramm nutzbares Wertstoffpotential, wovon lediglich knapp 0,5 Kilogramm an Nichtverpackungskunststoffen nicht durch Bring- oder Holsysteme erfasst wurden. Die Frage nach einer Wertstofftonne oder einer Miterfassung in den Systemen der dualen Systeme stellt sich für den Landkreis daher nicht.

Entwicklung der Restmüll- und Wertstoffmenge sowie der Receyclingquote

Die Verwiegung ist ein Anreizsystem, den jeweils preiswertesten Entsorgungsweg zu gehen. Zum Beispiel werden Bioabfälle nach Möglichkeit auf dem eigenen Grundstück kompostiert. Grünabfälle, die anderenorts in der Biotonne landen, werden auf gemeindlichen Grünabfallplätzen erfasst. Ihre holzigen Bestandteile werden in Biomassekraftwerken energetisch verwertet, die strukturarmen Elemente werden einer Mietenkompostierung zugeführt. Damit wird lediglich der unvermeidliche, aber hochwertige Abfallrest über die Biotonne entsorgt, welcher dann im zwischenzeitlich um eine Vergärungsanlage erweiterten Kompostwerk mit hohem Gasertrag seinen Beitrag zur Energiewende leistet. Trotz der systembedingten höheren Kosten konnten durch das Wiegesystem in den ersten Jahren nach der Einführung bis zu zwei Millionen Euro pro Jahr gegenüber dem vorherigen System eingespart werden. Das zeigen der vergleichsweise niedrige ungedeckte Finanzbedarf, welcher durch die Gebühren finanziert werden muss, und die damit verbundene Gebührenreduzierungen für die meisten Bürger. Neben den bereits genannten Ergebnissen wurde ferner der Anschluss- und Benutzungszwang verbessert und eine höhere Gebührengerechtigkeit erreicht. Eine Verlagerung des Gebühreneinzugs von den Gemeinden auf das Landratsamt konnte Kosten senken und die Serviceorientierung verbessern. Außerdem konnten umfassende, langjährige statistische Daten über die Müllabfuhr als Grundlage für Ausschreibungen, Kalkulationen und sonstige Planungen gewonnen werden.

Ein zentraler Diskussions- und Kritikpunkt im Vorfeld der Einführung der Verwiegung waren Befürchtungen über illegale Abfallablagerungen. Vereinzelt wurden katastrophale Ausmaße prognostiziert, die allerdings nicht eingetreten sind. Seit 1998 werden die verfolgbaren illegalen Entsorgungswege beziffert, welche Sortierreste aus der Gelbe-Sack-Sammlung und wilde Müllablagerungen in der Landschaft, an Containerstandplätzen sowie an Straßen und Autobahnen berücksichtigen. Bezüglich illegaler Abfallentsorgung kann anhand einzelner Abfallfraktionen durch Vergleiche mit Zahlen aus anderen Gebietskörperschaften ohne Verwiegung bestätigt werden, dass durch die Verwiegung keine Ausweichreaktionen größeren Ausmaßes zu erkennen sind. Illegale Restmüllentsorgung oder Fehlwürfe in den Wertstofferfassungssystemen sind mengenmäßig vergleichbar mit Landkreisen ohne Verwiegung.

Der Aufwand für die Landkreisverwaltung und den Entsorger, das Abfuhrsystem umzustellen, war nur mit überdurchschnittlichem Engagement und Arbeitseinsatz zu bewältigen. Der permanente Betreuungsaufwand in den Bereichen Soft- und Hardware sowie Fahrzeugtechnik und Personal ist gestiegen, da die größere Störanfälligkeit kompensiert werden musste. Nach 20-jähriger Erfahrung lautet die eindeutige Bilanz jedoch, dass sich das System gut bewährt hat.

Allerdings ist das Wiegesystem nur ein Bestandteil des Abfallwirtschaftskonzeptes des Landkreises, das in den letzten 20 Jahren kontinuierlich – orientiert an den Erfordernissen der Verwiegung – erweitert und angepasst wurde. Der Ausbau der Wertstofferfassungssysteme, wie zum Beispiel ein flächendeckendes Netz an Recyclinghöfen, die Einführung der Papiertonne, die Umstellung der Wertstoff- und Sperrmüllsammlung auf Abruf und das Grünabfallkonzept mit zahlreichen dezentralen Sammelstellen, ermöglicht eine maximale Wiederverwertung, gerechte und stabile Gebühren bei gleichzeitiger Serviceorientierung, unter Beachtung ökologischer Gesichtspunkte. Die sehr gute Mitwirkung der Bürger bei der Mülltrennung führt im Hinblick auf Recyclingquote und Restmüllmenge bei vergleichsweise geringen Gebühren seit Jahren zu einem Spitzenplatz in Deutschland. Vor 20 Jahren lagen die Gebühren für die 35 Liter Tonne bei umgerechnet 158 Euro, während im Jahr 2016 einem Vier-Personen-Haushalt durchschnittlich etwa 86 Euro ohne Biotonne und 124 Euro mit Biotonne berechnet wurden. Der Rückblick auf 20 Jahre Verwiegesystem im Landkreis Aschaffenburg fällt daher positiv aus. Alle damit verbundenen Ziele und Erwartungen haben sich erfüllt.

Foto: LK Aschaffenburg

Autor: Dr. Ulrich Reuter ist Landrat des Kreises Aschaffenburg und stellvertretender Bundesvorsitzender der KPV der CDU und CSU Deutschlands

Der Beitrag ist erschienen in der September- Ausgabe der KOPO

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