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DIE Ganztagsschule gibt es nicht

Allgemein, Bildung, Kinderbetreuung, Soziales

Der Ausbau der Ganztagsschulen ist in den vergangenen zehn Jahren weit vorangeschritten: Mittlerweile wird in der amtlichen Statistik mehr als jede zweite Schule in Deutschland als Ganztagsschule geführt und an diesen Schulen nimmt im Durchschnitt die Hälfte der Schüler am Ganztagsbetrieb teil. Die Schulen bieten ihnen reichhaltige Bildungsmöglichkeiten und sind über Kooperationspartner in regionale Bildungslandschaften eingebunden.

Dies sind einige Ergebnisse einer aktuellen und bundesweit repräsentativen Befragung von Schulleitungen von Ganztagsschulen, die im Rahmen der langfristig angelegten Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) durchgeführt wurde. Die finanzielle Ausstattung hat sich seit 2012 leicht verbessert und die Schulen verzichten jetzt etwas häufiger auf einen Elternbeitrag zum Ganztag. Ganztagsschulen tragen auch zur inklusiven Bildung bei: Neun von zehn Ganztagsschulen – außer Gymnasien – haben Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufgenommen.

Zugleich zeigt die Befragung aber auch: DIE Ganztagsschule im Sinne einer einheitlichen und verbindlichen Beschreibung gibt es nicht. „In den vergangenen Jahren wurden von den Bundesländern zahlreiche unterschiedliche Definitionen von Ganztagsschule entwickelt – zum Beispiel in Bezug auf die Einbindung fachlicher Angebote, die Öffnungszeiten oder die Verbindlichkeit der Teilnahme. Das führt zu einer kaum überschaubaren Vielfalt“, so die Forscher des verantwortlichen StEG-Konsortiums.

Verschiedene Ergebnisse der Befragung belegen diese Einschätzung: Zum Beispiel sind zehn Prozent der Ganztagsschulen an weniger als drei Tagen geöffnet. Und nur an jeder zweiten Schule sind die außerunterrichtlichen Ganztagselemente konzeptionell mit dem Unterricht verbunden. Hinzu kommt, dass die Umsetzung des Ganztagbetriebs stark abhängig ist von der Schulgruppe (Schulen der Primarstufe, Schulen der nicht-gymnasialen Sekundarstufe I und Gymnasien) und deren jeweiligen strukturellen Anforderungen. So sind Primarschulen vornehmlich als offene Ganztagsschulen organisiert, haben aber zugleich mit 8,5 Stunden die umfangreichsten täglichen Öffnungszeiten. Schulen der nicht-gymnasialen Sekundarstufe I sind durch verbindlichere Organisationsmodelle gekennzeichnet, strukturieren den Ganztag aber im Vergleich zu den Gymnasien mehr durch sozial-erzieherische und alltagspraktische Angebote als durch fachbezogene Lerngelegenheiten.

Angesichts der Unterschiede kommt das StEG-Konsortium zu folgendem Hinweis: „Es wäre tendenziell denkbar, dass Ganztagsschulen irgendwann auf ihre zusätzlichen Betreuungszeiten und die Lösung schulformspezifischer Probleme reduziert werden, so dass pädagogisch motivierte Ziele aus dem Blick geraten.“ Eltern stünden dann mehr denn je vor der Aufgabe, genau prüfen zu müssen, ob die Schule ihre Anforderungen wirklich erfüllt. Hier sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bildungspolitischen Handlungsbedarf. Zwar werten sie den Stand des Ausbaus durchaus als Erfolg der Aktivitäten von Bund und Ländern in den vergangenen Jahren. Doch zugleich zeigen die Ergebnisse der Befragung, dass die 2003 von der Kultusministerkonferenz aufgestellten Kriterien für Ganztagsschulen an strukturbildender Kraft verlieren. Nach diesen Kriterien sollten Ganztagsschulen unter anderem an mindestens drei Tagen in der Woche Angebote im Umfang von mindestens sieben Zeitstunden vorhalten und sie konzeptionell mit dem Unterricht verbinden. Hierzu halten die Forschenden fest: „Eine angepasste Formulierung der einstigen Kriterien und Ziele von Ganztagsschule, ob schulgruppenspezifisch oder übergreifend, und eine deutlichere Unterscheidung von Halbtagsschulen mit erweiterter Betreuungsfunktion sollte überdacht werden.“

Klar ist für die StEG-Verantwortlichen aber auch, dass die Entwicklungsbedarfe nicht nur auf politischer Seite anzugehen sind. Die Daten deuten ebenso darauf hin, dass einige Schulen ihre Möglichkeiten als Ganztagsschulen nicht ausschöpfen. Das beinhaltet die Rhythmisierung des Schulalltags, das Setzen thematischer Schwerpunkte, kompetenzorientierte Lernangebote oder die Anreicherung der Lernkultur. In diesem Zusammenhang erinnert das StEG-Konsortium an ein zentrales Ergebnis der bisherigen Forschung im Rahmen der Studie, wonach die Förderziele der Ganztagsschule nicht einfach durch die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler am Ganztagsbetrieb erreicht werden können, sondern dies auch eine ausreichende pädagogische Qualität der Ganztagsangebote voraussetzt. Das wird im Kern durch aktuelle Forschungsbefunde bestätigt, die im April 2016 veröffentlicht werden. Die Definition von Qualitätsstandards und zusätzliche Anstrengungen zur Steigerung der pädagogischen Qualität von Ganztagsschulen bleiben demnach auf der Tagesordnung.

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