Kopo

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Europa, Wahlen

Am 22. September 2013 wurde in Deutschland der neue Bundestag gewählt. Mit Angela Merkel an der Spitze und durch das Engagement vieler Einzelner hat die CDU/CSU einen hervorragenden Wahlkampf bestritten und ein atemberaubendes Wahlergebnis erzielt. Aber: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Deshalb dürften die Anstrengungen nicht mit der Bundestagswahl enden. Denn bereits am 25. Mai 2014 finden die Europawahl und gleichzeitig in den meisten deutschen Bundesländern auch die Kommunalwahlen statt. Beide Ebenen müssen sich gegenseitig unterstützen. Denn Europapolitik und Kommunalpolitik sind unmittelbar miteinander verwoben.

europa-deutschland-flaggen

sabine-verheyenEin Beitrag von Sabine Verheyen MdEP, kommunalpolitische
Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im europäischen Parlament
und Vorsitzende des Gesprächskreises „Europapolitik“ der KPV

 

Einerseits setzen die Kommunen Schätzungen zufolge 60 bis 80 Prozent aller EU-Rechtsvorschriften um. Das Leben der knapp 500 Millionen Bürger wird daher auf der lokalen Ebene täglich durch europäische Vorgaben beeinflusst. Diese Vorgaben müssen allerdings stets vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass die Interessen von mittlerweile 28 EU-Mitgliedstaaten Berücksichtigung finden müssen. Jeder EU-Mitgliedstaat hat sehr unterschiedliche Verantwortlichkeiten auf der kommunalen Ebene angesiedelt. Die starke Eigenständigkeit, die Kommunen in Deutschland aufweisen, ist in vielen anderen EU-Ländern in diesem Umfang nicht vorzufinden. Dadurch wird die Eigenständigkeit deutscher Kommunen durch europäische Richtlinien häufig tangiert.

Ein Beispiel war der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zu Dienstleistungskonzessionen. Dieser hätte beinahe zu einer europaweiten Ausschreibungsverpflichtung der Wasserver- und -entsorgung in vielen deutschen Kommunen geführt. Die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und dem Rat dauerten über zwei Jahre und waren nur durch die gute Zusammenarbeit auf allen politischen Ebenen von Erfolg gekrönt. Gerade der Brückenschlag zwischen Kommunalvertretern und Europaabgeordneten war dabei besonders wichtig und der gemeinsame Einsatz hat sich in jedem Fall gelohnt.

Andererseits reihen sich neben die Herausforderungen auch zahlreiche Chancen, welche sich für die Kommunen durch die Mitgliedschaft Deutschlands in der EU ergeben. Die europäischen Fördermittel und hier insbesondere die europäische Strukturpolitik können, wenn sie aktiv durch die Teilnahme an Ausschreibungen genutzt werden, positive Effekte erzielen. Durch die Strukturfonds EFRE, ESF und in schwächeren Regionen auch den Kohäsionsfonds können Kommunen und kommunale Akteure, also auch Vereine, Verbände, Weiterbildungszentren oder Arbeitsagenturen von Kofinanzierungen profitieren, um Infrastruktur- und Wirtschaftsförderungsprojekte zu realisieren oder um Unterstützung für ihr sozialpolitisches Engagement zu erhalten.

Dabei geht es aber längst nicht nur um das Wissen, wie europäische Fördermittel abgerufen werden können. Vielmehr muss ein ganz grundlegendes Verständnis für europäische Zusammenhänge und den europäischen Mehrwert entwickelt werden. Denn nur wer wirklich verinnerlicht, was die EU mit ihren Fördermitteln bezwecken möchte, kann auch seine Projekte an diesen Zielen ausrichten und damit seine Chance steigern, den Zuschlag zu erhalten. Am Anfang sollte daher nicht allein die Projektidee, sondern die Auswahl eines Förderziels und des dazugehörenden Programms stehen.

Viele Kommunen profitieren außerdem durch die LEADER-Regionen im Rahmen der EU-Agrarpolitik, durch die Euregios im Rahmen von INTERREG sowie durch Umweltschutzförderungen und Mittelstandsprogramme wie Öko-Profit und den Bildungscheck.
Die EU-Hilfen bei Kyrill zeigen zudem, dass die EU auch im Katastrophenfall den Kommunen zur Seite steht. Leider sind diese europäischen Impulse für Innovationen, Strukturwandel und Umweltschutz viel zu wenig bekannt – das sollte sich ändern.

„In jedem Fall gilt, dass Kommunen gut darin beraten sind, ihre Europaaktivitäten zu verstärken, um ihre Ausgangslage zu verbessern. Denn nur ein reger Informationsfluss zwischen diesen beiden Ebenen führt zu einer angemessenen Interessenvertretung der Kommunen in Europa.“

Zusammengefasst ist die Europabetroffenheit der Kommunen mit ihren Herausforderungen aber auch mit ihren Chancen als zwei Seiten einer Medaille zu verstehen. In jedem Fall gilt, dass Kommunen gut darin beraten sind, ihre Europaaktivitäten zu verstärken, um ihre Ausgangslage zu verbessern. Denn nur ein reger Informationsfluss zwischen diesen beiden Ebenen führt zu einer angemessenen Interessenvertretung der Kommunen in Europa.

Das EU-Parlament als Hüter des Subsidiaritätsprinzips

Über 50 Jahre ist es her, dass mit den Römischen Verträgen erstmals die Möglichkeit eingerichtet wurde, auf europäischer Ebene Gesetze zu erlassen, die in allen Mitgliedsstaaten gelten. Seitdem wurden die Verträge regelmäßig aktualisiert und an die sich verändernde Realität in Europa angepasst. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Dezember 2009 spielen sowohl die europäischen Städte und Regionen als auch das Europäische Parlament eine größere Rolle als je zuvor. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht wurde gestärkt, es wurde ein Frühwarnsystem für Subsidiaritätsrügen eingeführt, es gibt nun die Möglichkeit, gegen die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips vor dem EuGH zu klagen und es wurde ein formeller, systematischer Dialog zwischen der EU-Kommission und Vertretern der kommunalen Ebene etabliert. Daher kann der Vertrag von Lissabon formal als Meilenstein in der Stärkung der kommunalen Ebene bezeichnet werden.

Gleichzeitig muss jedoch bedacht werden, dass die bloße Formulierung neuer oder gestärkter Rechte für Kommunen noch nicht zwangsweise eine Verbesserung ihrer Ausgangssituation in der politischen Praxis zur Folge hat. Hier sind die Kommunen selbst gefragt, stets ein Auge auf die Vorhaben der europäischen Ebene zu werfen. Dabei sind die Europaabgeordneten für Kommunen und kommunale Unternehmen auf europäischer Ebene wichtige und direkte Ansprechpartner, da das Europäische Parlament das einzige direkt gewählte Organ der EU ist und somit unmittelbar die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertritt. Die Europaabgeordneten bauen eine Brücke zwischen der europäischen und der kommunalen Ebene, indem sie neue Gesetzesinitiativen auf europäischer Ebene auf ihre kommunale Relevanz hin überprüfen, Kollegen und Entscheidungsträger anderer EU-Institutionen auf zentrale Anliegen der Kommunen aufmerksam machen und damit über die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips wachen.

Kommunen brauchen eine starke Stimme in Europa

Als kommunalpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament und ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Aachen plädiere ich für eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit im gemeinsamen Wahlkampf 2014. Damit die Kommunen eine starke Stimme in Europa erhalten, brauchen sie kompetente Ansprechpartner im Europäischen Parlament. Und auch die Europaabgeordneten sind auf starke kommunale Akteure angewiesen, die sich aktiv für ihre Anliegen einsetzen.

Bei der Ausgestaltung des Wahlkampfes muss daher die Wichtigkeit des Brückenschlags zwischen europäischer und kommunaler Ebene herausgestellt werden. Dies gelingt vor allem über eine wohl durchdachte, gemeinsame Themenauswahl. Es müssen Positiv-Beispiele herangezogen werden, die verdeutlichen, was gemeinsam bereits erreicht werden konnte. Denn immerhin hat das Europäische Parlament ein Mitspracherecht bei allen EU-Vorgaben, die eine regionale und lokale Wirkung haben. Die Europaabgeordneten reden mit bei Themen wie dem Steinkohleausstieg, einer neuen Bodenschutzrichtlinie, den Agrarreformen und der regionalen Strukturpolitik der EU.

Bei Letzterer setzt sich die CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament dafür ein, dass die Rahmengesetzgebung für die Strukturpolitik eine Beteiligung der Kommunen vorsieht. Die Operationellen Programme der Länder, mittels derer die Umsetzung erfolgt, würden dann unter Einbezug der Kommunen erstellt. Denn sie sind schließlich der Ort, an dem die Förderung ihre Wirkung entfaltet. Desweiteren konnten wir durchsetzen, dass Infrastrukturmaßnahmen und Tourismus auch in stärker entwickelten Regionen (Wettbewerbsregionen) förderfähig bleiben. Die Operationellen Programme der Länder sollten diesen Erfolg unbedingt aufnehmen. Außerdem wurde die EFRE-Förderung der Grenzregionen, die ca. 1 Milliarde Euro in Deutschland umfasst, nicht – wie ansonsten alle Programme für reichere Regionen – reduziert. Auch die Beibehaltung der Förderfähigkeit der nicht-erstattungsfähigen Mehrwertsteuer und Möglichkeiten der privaten Kofinanzierung standen für die reicheren Regionen auf der Kippe. Diese sind geblieben.

Diese Erfolge haben wir nur durch die tatkräftige Unterstützung unserer Kommunen erzielt! Nun gilt es, solche Beispiele aufzubereiten und im positiven Sinne für den Wahlkampf zu verwenden.

Zudem müssen wir gemeinsam darauf hinarbeiten, dass sich die Wahlbeteiligung sowohl bei den Kommunal- als auch bei den Europawahlen erhöht. Leider finden immer noch zu wenige Wähler den Weg zur Urne. Bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 lag die Wahlbeteiligung bei gerade einmal etwa 43 Prozent, bei den Kommunalwahlen immerhin bei durchschnittlich 53 Prozent.

Fazit: Die Kommunalwahlen und die Europawahl sind wichtige Ereignisse, die eine entsprechende Aufmerksamkeit verdienen. Daher ist es auch sehr zu begrüßen, dass der KPV-Bundesvorstand bei seinem nächsten Treffen erste Impulse setzen möchte. Es ist eine Projektgruppe „Europa- und Kommunalwahl 2014“ in Planung, die einen Grundstein für die Ausgestaltung der Zusammenarbeit im Wahlkampf 2014 legen wird.

Tags: ,

Artikel drucken

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren