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Erreichbarkeit – das A und O für die Regionalentwicklung?

Strukturpolitik

Muss die Straße nur breit genug sein, damit der Fortschritt in einer Region ankommt? Die gängigen Annahmen der Politik über Erreichbarkeit und Raumentwicklung hat Dr. Frieder Voll für den Alpenraum untersucht.

Für seine Studie ist der Forscher vom Institut für Geographie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg (FAU) mit dem Dissertationspreis 2012 der Interakademischen Kommission Alpenforschung (ICAS) ausgezeichnet worden.

Auf Basis von Daten der Eurac, der Europäischen Akademie in Bozen, hat Frieder Voll Karten erstellt und die Erreichbarkeit des Alpenraums mit der Bevölkerungsdichte in einen Zusammenhang gesetzt. Die Erreichbarkeit bezieht sich auf den motorisierten Individualverkehr, gemessen in Zeit – denn allein die Strecke sagt in den schmalen Tälern und gewundenen Passstraßen der Alpen wenig aus. Zudem hat er die politische Diskussion um den Ausbau des Straßennetzes und die Erreichbarkeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz herausgearbeitet. Das Ergebnis: Allein aus der Erreichbarkeit kann nicht auf eine positive Entwicklung einer Region geschlossen werden. Auch andere Faktoren spielen eine Rolle.

Der Tourismus etwa kann von schlechter Erreichbarkeit profitieren. Attraktive Ferienregionen zählen in der Nähe großer Zentren vor allem Tagesgäste und die Seilbahnen sind ausgelastet. Doch die Gastronomie leidet und die Betten der Hotels bleiben leer. Schlechte Erreichbarkeit dagegen hält Touristen länger am Ort, sie kann auch – St. Moritz lässt grüßen – zum Zeichen von Exklusivität werden. Gute Erreichbarkeit kann für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen, sie kann die eigenständige Entwicklung einer Region aber auch bremsen. Wenn die Straßen schnell sind, wächst um Städte und Metropolen ein Speckgürtel – Gemeinden, die außer Wohnraum wenig bieten.

Der Forscher benennt das Problem: Die Bedeutung von Erreichbarkeit wird auf politischer Ebene falsch eingeschätzt. Was dazu führen kann, dass Regionen abgekoppelt werden – etwa weil die nächste Stadt so nahe ist, dass man die Versorgung im ländlichen Raum zurückfährt. Oder dass erst Einwohnerzahlen ab 20.000 oder 30.000 als Potenziale begriffen und entwickelt werden. „In Österreich steht der Versorgungsaspekt im Vordergrund, in der Schweiz wird gerade diskutiert, ob man sich stärker auf die Städte konzentrieren soll“, berichtet Dr. Frieder Voll. Er rät: Die Politik in den Alpenländern sollte vorsichtiger mit der Erreichbarkeit argumentieren und alle Aspekte einbeziehen. Und die Regionen müssen sich überlegen, in welche Richtung sie sich entwickeln wollen.

 

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