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Fällmittel-­Engpass belastet Klärwerke

Strukturpolitik, Versorgung

Der Abwasserwirtschaft droht ein erheblicher Engpass der für den Phosphorabbau notwendigen Betriebsmittel. Insbesondere die für die Fällung benötigten Eisensalze sind aktuell äußerst knapp. Bereits jede zweite Kläranlage meldet Lieferausfälle. Auch bei alternativen Fällmitteln ist die Situation äußerst angespannt.

Von dem Fällmittelengpass ist bereits jetzt, Stand Oktober, jede zweite Kläranlage in Deutschland betroffen. Dies hat eine erste DWA-Umfrage unter den Betreibern der Kläranlagen bereits Mitte September ergeben. Das Ausmaß des Mangels unterstreicht eine zweite Umfrage der DWA aus dem Oktober. Danach fehlen rund 60 Prozent der benötigten Fällmittel bis zum Jahresende. Die Zahlen basieren auf den Aussagen von rund 700 Kläranlagenbetreibern, die Kläranlagen mit einer Gesamtausbaugröße von 60 Millionen Einwohnerwerten betreiben. Die Gesamtausbaugröße der deutschen Kläranlagen beträgt rund 150 Millionen Einwohnerwerte.

Der Großteil der deutschen Kläranlagen ist beim Phosphorabbau auf eine chemische Fällung angewiesen. Hierfür werden vor allem Eisensalze eingesetzt, bei denen der Mangel aktuell besonders ausgeprägt ist. Bei Eisen(III)-chloridsulfat, dem am häufigsten eingesetzten Fällmittel, fehlen den Betrieben aktuell rund 85 Prozent.

Wie fast alle Probleme aktuell, hängt auch der Mangel an Fällmitteln eng mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zusammen. Der Krieg hat zu einer erheblichen Steigerung der Gas- und Energiepreise und zu Störungen in vielen Lieferketten geführt, die die Rohmaterialien für die Produktion von Fällmitteln verknappt haben, z.B. von Salzsäure. Zudem werden Fällmittel wie Eisensalze regelmäßig nicht primär produziert, sondern sie fallen bei der Herstellung anderer Stoffe als Abfall- bzw. Nebenprodukte an. Vielfach lohnt sich die Herstellung der Hauptprodukte auch wegen einer eingebrochenen Nachfrage nicht mehr, so dass Hersteller von Fällmitteln die Produktion gestoppt oder stark zurückgefahren haben. Darunter leidet nun auch die Wasserwirtschaft.

Foto: © darknightsky – stock.adobe.com

Für die Kläranlagenbetreiber ist dieser Mangel kritisch. Wenn ohne Fällmittel die gesetzlichen Anforderungen für Phosphor nicht eingehalten werden können, drohen ordnungsrechtliche und abgabenrechtliche, schlimmstenfalls strafrechtliche Konsequenzen. Und das Reißen der Grenzwerte kann nicht immer verhindert werden. Schließlich lässt sich der Abwasserzulauf zu den Anlagen nicht anhalten wie vielleicht ein Fließband beim produzierenden Gewerbe.

Was also tun?


Nach ersten Meldungen seitens der Mitglieder hat die DWA bereits Anfang September intensive Gespräche mit dem Bundesumweltministerium gestartet. Seit Ende September sind in diese Gespräche weitere Bundesministerien, insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium, die Bundesländer sowie weitere Verbände und die Hersteller involviert. Höchste Priorität hat dabei die Beschaffung von Fällmitteln und damit die Beendigung der Mangellage. Schließlich geht es um bestmöglichen Gewässerschutz und eine Vermeidung der Anreicherung von Nährstoffen, besonders in empfindlichen Gewässern wie beispielsweise die Randgebiete von Nord- und Ostsee.

Aktuell deutet aber viel darauf hin, dass eine ausreichende Versorgung mit Fällmitteln kurzfristig nicht sichergestellt werden kann. Es fehlen nach DWA Erkenntnissen allein bis Ende 2022 deutlich über 100.000 Tonnen, die kaum substituiert oder in kurzer Zeit anderweitig beschafft werden können. Die knappen Fällmittel müssen daher in den nächsten Monaten mit maximaler Effizienz eingsetzt werden. Für die sichere Einhaltung der Grenzwerte und um Strafzahlungen bei der Abwasserabgabe zu vermeiden, planen viele Kläranlagenbetreiber in der Regel einen Sicherheitspuffer ein. Der Verzicht auf diesen Puffer könnte größere Mengen Fällmittel einsparen. Die Kläranlagenbetreiber benötigen dafür aber die Sicherheit, keine Sanktionen für unvermeidbare Überschreitung der rechtlichen Vorgaben zu erleiden.

Kooperativer Ansatz und runde Tische


Länder wie beispielsweise Schleswig-Holstein und Niedersachsen setzen auf eine enge Zusammenabeit. Denn sollte der Mangel anhalten, womit vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen in Gestalt von Energiekrise, Inflation, Störungen von Lieferketten, rezessionsbedingten Nachfrageeinbrüchen, einer nächste Corona-Welle usw. jedenfalls gerechnet werden muss, ist die Frage zu entscheiden, wo die vorhandenen Fällmittelmengen (die es ja gibt!) zugunsten der Gewässer am sinnvollsten eingesetzt werden könnten. Dies geht nur in enger Kooperation und mit intensiver Unterstützung der Behörden.

Die DWA wirbt wir für einen kooperativen Ansatz und für Runde Tische auf regionaler oder Landesebene, die es in Schleswig-Holstein auf Initiative des Landesministeriums wohl bald geben soll. Bei der weiteren Krisenbewältigung unter Federführung des BMUV wird es zudem darum gehen müssen, in den Fällen, wo zumutbare Bemühungen der Ersatzbeschaffung notwendiger Fällmittel scheitern, Sanktionen infolge der Notlage zu vermeiden. P-Wert-Überschreitungen bei der Einleitung von gereinigtem Abwasser sollten den Betrieben nicht abwasserabgabentechnisch zugerechnet werden. Die ansonsten entstehenden Strafzahlungen müssten im Endeffekt von den Bürgern über die Abwassergebühr getragen werden.

Foto: © DWA

Autor: Ass. Jur. Christoph Leptien, Leiter DWA-Stabsstelle Politik

Dieser Beitrag ist in der November-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO) erschienen.
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