Kopo

EUREGIO-Klinik Nordhorn – Beispiel einer erfolgreichen Fusion

Allgemein, Gesundheit, Strukturpolitik

Die Krankenhausversorgung im ländlichen Raum zu gewährleisten und zukunftsfest auszugestalten ist eine dauernde Herausforderung unter sich permanent ändernden Rahmenbedingungen. Dieser Herausforderung hat sich der Landkreis Grafschaft Bentheim um die Jahrtausendwende angenommen. In der Kreisstadt Nordhorn existierten bis dahin zwei Krankenhäuser, die erfolgreich fusionierten. Eine Erfolgsgeschichte, die nicht immer einfach war.

Euregio-Klinik Nordhorn; Foto: Landratsamt Grafschaft Bentheim

Bis zur Jahrtausendwende gab es in Nordhorn zwei Krankenhäuser, das Marienkrankenhaus mit zuletzt rund 260 Planbetten und das Grafschafter Klinikum mit 398 Planbetten. Der wirtschaftliche Druck war bereits gegen Ende der 1990er Jahre deutlich spürbar. Es gab Gespräche mit den gesetzlichen Krankenkassen über eine mögliche Zukunft und ab 1999 begann der Zusammenschluss beider Häuser.

Ein langer und mitunter auch langsamer Prozess

Seit dem Jahr 2000 befasste sich eine Arbeitsgruppe mit der Erhebung des Ist-Zustandes beider Häuser. Diesem Gremium gehörten Vertreter des Aufsichts- bzw. Verwaltungsrates und die Geschäftsführer des Marienkrankenhauses sowie des Grafschafter Klinikums an. Ein „engerer Schulterschluss“, wie die Lokalzeitung meldete, wurde diskutiert. Im Rückblick lässt sich kritisch anmerken, dass zu jenem Zeitpunkt in beiden Häusern noch die Hoffnung auf eine mögliche Sicherung des eigenen Standortes bestand. Mitte 2001 wurde eine Beratungsfirma eingeschaltet, welche die notwendigen Daten ermittelte und im Sommer 2002 einen Endbericht vorlegte. Darin wurde mit notwendiger Härte und Klarheit eine einzige Option aufgezeigt: die Fusion. Unter dieser Prämisse bildete sich eine Aktionsgruppe, die ab September 2002 in Diskussion und Verhandlung trat.
Es ist nicht einfach, zwei traditionsreiche und etablierte Einrichtungen mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu verschmelzen. Allein die Frage, ob kirchliches Vermögen überhaupt in eine neue gemeinsame Rechtsform übergehen könne, führte zu Irritationen und schließlich zu komplexen Konstrukten. In dieser Phase entstand die Idee einer Holding- bzw. Betriebsführungs-GmbH. Der Aktionsgruppe wurde eine Arbeitsgruppe vorgeschaltet und ein externer Moderator wurde hinzugezogen. Noch immer aber war das Verhältnis beider Parteien nicht unproblematisch und konfliktfrei. Dennoch warf trotz aller Vorbehalte, Irritationen und Probleme keine Seite das Tuch. Der vorläufige Ausschluss kontroverser Themen erleichterte den Verhandlungsprozess nur zeitweise. Wichtiger waren vermutlich die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit und der Medien sowie die Anstöße von außen. Die Krankenkassen machten Druck. Die damalige niedersächsische Gesundheitsministerin Dr. Ursula von der Leyen appellierte im März 2004 eindringlich an die Vernunft aller Beteiligten und sprach sich deutlich für den Zusammenschluss aus. Die wirtschaftliche Lage trug das ihre bei. Stark rückläufige Fallzahlen und erhebliche Jahresfehlbeträge waren eine deutliche Ansage.

Ohne Zusammenschluss kein Überleben

Der Erhalt der wohnortnahen stationären Versorgung für die 135.000 Bürger des Landkreises rückte nun in den Mittelpunkt der Gespräche. Eingeschaltete Experten nahmen die Bewertungen der Häuser vor und erstellten eine Prognose zur weiteren Entwicklung. Den Wendepunkt markierte im Oktober 2005 die Absichtserklärung, in welcher die Rahmenbedingungen für die weitere Umsetzung des Zusammenschlusses von beiden Seiten verbindlich unterzeichnet wurden. In der Folgezeit wurde mithilfe externer Berater ein medizinisches Konzept inklusive Struktur-, Erlös- und Personalplanung erarbeitet. 2007 schließlich begann die Umsetzung mit der Holdinggesellschaft, die zu gleichen Teilen vom Landkreis und von der Katholischen St. Augustinus-Kirchengemeinde gegründet wurde. Grund für diese komplexe Lösung waren die zwei nebeneinander stehenden Versorgungsmodelle (KZVK, VBL). Als im Juli 2007 die „neue“ EUREGIO-Klinik an den Start ging, verfügte man am Standort Albert-Schweitzer-Straße über 311 und am Standort Hannoverstraße über 202 Planbetten.

Zusammenführung als Chance zur Neuausrichtung

Parallel zur Zusammenführung vollzog sich schrittweise eine Neuausrichtung. Dazu gehörte eine räumliche Bündelung und Konzentration, mit der auch umfangreiche bauliche Maßnahmen und Investitionen in Medizintechnik verbunden waren. Das geplante Investitionsvolumen lag bei rund 60 Millionen Euro. Von Seiten des Landes Niedersachsen wurden 44,5 Milionen Euro getragen. Glücklicherweise wurde frühzeitig daran gedacht, auch die Belegschaften beider Häuser einzubinden und die Bildung einer neuen Identität zu fördern. Die Mitarbeiterschaft war es, die der Belastung durch die Umbaumaßnahmen im laufenden Betrieb standhalten musste und dieses mit Bravour tat.

Bilanz und aktueller Stand

Im Herbst des Jahres 2017 lässt sich festhalten: die allseitige Kraftanstrengung hat sich gelohnt. Die EUREGIO-Klinik ist zu einer akzeptierten und erfolgreich agierenden Einrichtung geworden. Dies ist auch zurückzuführen auf den Ausbau verschiedener Disziplinen wie beispielsweise der Neurologie und dem Bauchzentrum, aber ebenso auf Kooperationen mit anderen Krankenhäusern der Region, wie dem Bonifatius-Hospital in Lingen. Im Laufe der Jahre haben sich immer wieder Anpassungen früherer Konzepte und Entscheidungen ergeben. Eine bedeutende Änderung war die Aufgabe der Planung eines zweiten Standortes für die Psychiatrie am ehemaligen Marienkrankenhaus. Stattdessen wurde im Jahr 2016 ein Neubau mit einem Investitionsvolumen von 15,7 Millionen Euro realisiert, der mit einer großzügigen finanziellen Unterstützung gefördert wurde. Damit ist die Einhäusigkeit der Fachrichtungen Somatik und Psychiatrie für die Zukunft gesichert. Jüngst ist auch ein Parkhaus für die EUREGIO-Klinik errichtet worden, das den Bedürfnissen der Bürger Rechnung trägt.

Schon dem Bericht für 2013 ließen sich erfreuliche Aussagen entnehmen: „Die Gesamtleistung des Krankenhauses hat sich hinsichtlich der Fallzahl im Vorjahresvergleich deutlich verbessert“, hieß es dort. Diese positive Entwicklung hat sich in den vergangenen Jahren fortgesetzt. Im Vergleich zu 2013 ließen sich 2016 die stationären Fallzahlen in der Somatik um 2,9 Prozent steigern. Bei den DRG-Relativgewichten lag die Steigerung im selben Zeitraum bei 1,9 Prozent. In der Psychiatrie haben sich die stationären Belegungstage um zehn Prozent erhöht. Auf Basis dieser Leistungsentwicklung konnten in den vergangenen Geschäftsjahren regelmäßig positive Jahresergebnisse erzielt werden. Damit ließen sich nicht förderfähige Sanierungsmaßnahmen wieder in größerem Umfang umsetzen. Die Auslastung des Hauses ist sehr hoch, so dass 2017 ein noch nicht genutzter Bereich mit zwölf Betten freigegeben wird. Parallel dazu wird das medizinische Leistungsangebot dem Bedarf entsprechend sukzessive ausgebaut. Die neurologische Schlaganfallstation ist als regionales Schlaganfallzentrum zertifiziert worden, die Zulassung zum Verletztenartenverfahren der Berufsgenossenschaft ist in Kooperation mit dem Ludmillenstift in Meppen erfolgt und das Angebot der Inneren Medizin ist um die Fachkompetenz Pneumologie ergänzt worden. Die Klinik beteiligt sich aktiv an der Nachwuchswerbung und ist Lehrkrankenhaus der Universität Münster. Auf der Tagesordnung des nächsten Jahres steht der Neubau einer Tagesklinik mit 15 Plätzen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Erfreulicherweise wurde im Zuge dieser Entwicklung der Personalbestand vor allem in den Dienstarten Ärztlicher Dienst, Pflegedienst und Funktionsdienst deutlich ausgebaut. Aus der Mitarbeiterschaft wurde 2016 ein neues Leitbild für die EUREGIO-Klinik erarbeitet. Für 2017 und 2018 ist der Abschluss einer Gesamtzertifizierung nach DIN EN ISO 9001 vorgesehen. Aktuell verfügt die Klinik über 506 Planbetten in elf Haupt- und vier Belegabteilungen. Das Haus beschäftigt rund 1.350 Mitarbeiter. Jährlich werden etwa 20.000 Patienten stationär und ca. 40.000 ambulant betreut.

Fazit

Als Fazit des vergangenen mittlerweile rund 17 Jahre währenden Prozesses lässt sich festhalten: Eine qualitativ wertige, zukunftsfeste und finanzierbare Krankenhausversorgung in der Region kann nur durch eine dauerhafte gemeinsame Kraftanstrengung der wesentlichen Akteure vor Ort gewährleistet werden. Zusammenschlüsse und Kooperationen stoßen nicht immer auf allseitiges Gefallen, aber in der Regel letztlich wohl doch der einzige Weg, eine funktionierende wohnortnahe Versorgung für die Bürger aufrecht zu erhalten. Die Kliniken in Deutschland stecken in einem verschärften Überlebenskampf. Diese Entwicklung wird noch einige Zeit andauern. Dabei haben die kommunalen Krankenhäuser die gleichen harten Rahmenbedingungen wie andere – und wir wollen uns diesen auch in Zukunft erfolgreich stellen. Denn wir sind verantwortlich für die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages, und die gesundheitspolitische Daseinsvorsorge genieß in der Grafschaft höchste Priorität. Ein kommunales beziehungsweise kirchliches Krankenhaus ist streng nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu führen, aber die Träger verzichten bewußt auf eine Gewinnabführung – wie oft in privaten Kliniken -, sondern der Gewinn verbleibt im Krankenhaus für die Finanzierung notwendiger Investitionen und Innovationen, die letztendlich den Patientinnenn und Patienten sowie den Bürgern zugutekommen. Übersehen wird häufig, dass das Krankenhaus vor Ort auch einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor und großen Arbeitgeber darstellt.

Foto: Landratsamt Grafschaft Bentheim

Autor: Friedrich Kethorn ist Landrat des Landkreises Grafschaft Bentheim

Der Beitrag ist erschienen in der Oktober-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO)

 

Tags: , , , ,

Artikel drucken

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren