Kopo

Ampel-Regierung ist kommunalfeindlich

Innenpolitik

Halbzeit der Ampel-Regierung in Berlin – und damit Zeit für eine Zwischenbilanz des bisherigen Regierungshandelns durch die kommunale Brille. Unsere Befürchtungen haben sich bewahrheitet: Mit dem Ende der unionsgeführten Bundesregierung haben die Kommunen keinen starken Partner im Bund an ihrer Seite.

Im Koalitionsvertrag der so genannten Fortschrittskoalition hieß es noch vollmundig: „Unser Ziel sind leistungsfähige Kommunen mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit vor Ort, eine verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge, eine starke Wirtschaft und eine engagierte Zivilgesellschaft. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind die Basis für Vertrauen in unsere Demokratie und halten unser Land zusammen.“ Vollste Zustimmung – schade nur, dass diese hehren Ziele nicht mit entsprechenden Maßnahmen unterfüttert worden. Schlimmer noch, die Ampelregierung agiert an vielen Stellen desinteressiert bis kommunalfeindlich. Das ist umso schlimmer, als wir die Kommunen in diesen Zeiten mannigfaltiger Krisen dringender denn je als Stabilitätsanker benötigen. Es ist eine Binsenweisheit: Damit die Kommunen ihren Aufgaben der Daseinsvorsorge gerecht werden können, müssen sie über auskömmliche Finanzmittel verfügen. Doch vielen Kommunen fehlt das nötige Geld.

Foto: © julian – stock.adobe.com

So wiesen die Gemeinden und Gemeindeverbände (ohne Stadtstaaten) in Deutschland im ersten Halbjahr 2023 ein Finanzierungsdefizit von 7,3 Milliarden Euro auf. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen der vierteljährlichen Kassenstatistik mitteilt, war das Finanzierungsdefizit damit deutlich höher als im 1. Halbjahr 2022. Damals hatte das Defizit 1,6 Milliarden Euro betragen. Kostentreiber sind die Personalkosten durch den Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst, die Inflation, die hohen Energiekosten und gestiegene Ausgaben für kommunale Sozialleistungen. Erschwerend hinzukommt, dass die Ampelregierung mit dem Konnexitätsprinzip gebrochen hat: Werden den Kommunen von Bund und Ländern neue Aufgaben übertragen, müssen diese auch die daraus für die Kommunen entstehenden Kosten ausgleichen. Der bewährte Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“, gilt jedoch in der Ampel-Regierung nicht mehr.

Veranlassungskonnexität wird zur Ausführungskonnexität


Die Bundesregierung hat bisher 25 Gesetze verabschiedet, die die Kommunen bis 2025 18,921 Milliarden Euro kosten werden. Ab 2026 liegt die jährliche Belastung bei 4,3 Milliarden Euro. Auf sich allein gestellt können die Kommunen diese Mehrbelastungen nur ausgleichen, wenn sie vor Ort die Grund- oder Gewerbesteuer erhöhen. Damit liegt der Schwarze-Peter dann bei den Verantwortlichen vor Ort. Dass die Ampel-Regierung am falschen Ende spart, zeigt sich auch am Haushaltsentwurf 2024: Während sie das Bürgergeld um 12 Prozent erhöht und mit dem Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen für die geplante Kindergrundsicherung Millionenbeträge versenkt, kürzt sie die Mittel für Städte und Gemeinden drastisch. So stehen im Fördertopf des GAK, dem wichtigsten Instrument zur Unterstützung ländlicher Räume, circa 500 Millionen Euro weniger zur Verfügung als 2023.

Offenbar hat die Ampel-Regierung die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse aufgegeben und konzentriert sich alleinig auf die Ballungszentren. Hier soll neuer Wohnraum entstehen, während in den ländlichen Gegenden Millionen Wohnungen leer stehen und die Infrastruktur verfällt. Genauso fatal ist, dass die Gelder für die Digitalisierung im Gesundheitssektor zurückgefahren werden. Gerade in dünn besiedelten ländlichen Gegenden müssten wir die Telemedizin stärken. Die Weigerung, an gesichts der Finanznotlage in den Krankenhäusern, kein Sofortprogramm ins Auge zu fassen, ist fast eine Kampfansage an den ländlichen Raum. Herr Lauterbach nimmt das Krankenhaussterben hin, um Zeit für die Legalisierung von Cannabis zu haben. So sieht die Prioritätensetzung der Ampel leider aktuell aus.

Altschuldenfrage bleibt ungelöst


Hohe Erwartungen weckte der damalige Finanzminister Olaf Scholz mit seiner Ankündigung, er habe eine fertige Lösung für die Altschuldenproblematik. Die Ankündigung des Vorhabens, von dem insbesondere NRW profitieren würde, findet sich auch im Koalitionsvertrag. Nur einen konkreten Plan, wie eine Neuverschuldung der Kommunen in Zukunft verhindert und wie die erforderliche Grundgesetzänderung ausgestaltet werden sollden gibt es bisher nicht. Bundesfinanzminister Lindner setzt nach wie vor auf die Uneinigkeit der Länder bei diesem Thema – und der Bundeskanzler schweigt wie so oft.

Keine Antworten auf wachsenden Migrationsdruck


Die schwierige Haushaltslage ist für viele Kommunen ein Problem, die größte Herausforderung – das bestätigen mir alle Gespräche mit Verantwortlichen vor Ort – liegt aber in der ungesteuert hohen Zuwanderung nach Deutschland. Nur die Bundesregierung scheint davon nichts mitzubekommen, obwohl Bürgermeister und Landräte jeglicher Parteicouleur verzweifelte Hilferufe nach Berlin senden. Sie sind was Unterbringung, Betreuung und Integration anbelangt an ihrer Belastungsgrenze angekommen – oder auch schon darüber hinaus. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung die Zuwanderung nach Deutschland wirksam zu begrenzen. Geeignete Maßnahmen hat die CDU/CSU-Fraktion auf den Tisch gelegt. Mehr dazu auch im Video, siehe QR-Code am Ende des Artikels.

Erschwerend hinzu kommt, dass auch für diese so wichtigen Aufgaben der Versorgung und Integration das Geld fehlt. 3,75 Milliarden Euro stellt der Bund den Kommunen 2023 zur Verfügung – zu wenig, so das einstimmige Urteil der kommunalen Spitzenverbände. Sie fordern eine Rückkehr zum „atmenden“ Modell, das sich an der tatsächlichen Anzahl der Flüchtlinge orientiert. Die alle paar Monate auf Druck der Kommunen und Länder stattfindenden Runden im Kanzleramt zur Finanzierung sind respektlos den Kommunen gegenüber, die vor Ort improvisieren und den „Laden am Laufen halten“. Sie verdienen endlich eine verlässliche Finanzierungszusage.

Gleichwertige Lebensverhältnisse?


Im Koalitionsvertrag hat die Ampel-Regierung noch angekündigt, einen Beitrag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse leisten zu wollen. In der Praxis betreibt sie eine Klientelpolitik für die Menschen in den großen Städten. Eindrücklichstes Beispiel dafür ist das 49-Euro-Ticket wie auch das 9-Euro-Ticket. Ich spreche bewusst nicht vom Deutschland-Ticket: Denn eines ist jetzt schon klar, beim Preis von 49 Euro kann es auf Dauer nicht bleiben. Viel schlimmer aber ist, dass das 49-Euro-Ticket in keinster Weise geeignet ist, die Verkehrswende voranzubringen. Ein hoch subventioniertes Ticket schafft keine zusätzlichen Verbindungen. Damit Menschen im ländlichen Raum auf den ÖPNV umsteigen können, müssten wir aber in Qualität und Quantität des ÖPNV investieren. Und auch klimapolitisch ist es ein Reinfall. Das UBA errechnet eine jährliche CO2-Einsparung von 500 Tonnen im Jahr. Das bedeutet bei einer Subventionierung von drei Milliarden Euro einen CO2-Vermeidungspreis je Tonne von 6.000 Euro. Im Augenblick wird die Tonne CO2 zwischen 70 und 80 Euro gehandelt.

Auch beim Thema Breitband und Mobilfunk – ein wichtiger Standortfaktor für den ländlichen Raum – agiert die Ampelregierung sehr zurückhaltend. So wurde das beliebte Förderprogramm zum Ausbau der Glasfaserversorgung im Herbst 2022 ohne Vorwarnung gestoppt. Eine neue Förderrichtlinie mit bundeszentralistischer Ausrichtung erschien erst im 2. Quartal. Zusätzlich stellt sich die Ampel bei den Verlegemethoden quer. Statt pragmatisch auch oberirdische Leitungen zu erlauben und damit den Glasfaserausbau schnell voranzubringen, blockiert die Ampel entsprechende Vorstöße. Ins Bild passt, dass die Ampel Mehrheit die Schaffung eines Parlamentarischen Beirates für Gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundestag abgelehnt hat. Auch der „Gleichwertigkeits-Check“, mit dem neue Gesetze auf ihre Folgen für die Schaffung Gleichwertiger Lebensverhältnisse abgeklopft werden sollen, wird nicht weiter verfolgt.

Effiziente Klimapolitik statt teurer Verbotsideologie


Immensen Schaden hat die Ampel-Regierung der Umwelt- und Klimapolitik zugefügt. Deutschland hatte bei der Energiewende lange eine Vorreiterrolle. Dies nicht zuletzt, weil viele Menschen im Land hinter dieser Mammutaufgabe standen. Diese breite Akzeptanz geht gerade verloren durch eine völlig überzogene Verbotspolitik und dem sinnlosen Überbietungswettkampf um immer kürzere Fristen, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Die Verunsicherung durch das Gebäudeenergiegesetz ist groß – dem Klima geholfen hat es Null. Vielmehr setzte ein Run auf effiziente Gasheizungen ein. Ähnliches werden wir übrigens beim von der EU beschlossenen Verbrenner-Aus 2035 erleben. Auch die Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung schafft keinen Mehrwert.Entscheidend ist, dass das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht wird. Das wissen auch die Verantwortlichen vor Ort. Viele Kommunen haben schon längst ehrgeizige Pläne verabschiedet, in den Bundesländern Baden-Württemberg, Schleswig- Holstein, Niedersachsen und Hessen gibt es zudem bereits gesetzliche Regelungen zur Wärmeplanung. Was es nicht braucht, ist ein weiteres Gesetz auf Bundesebene mit Detailvorgaben. Das erzeugt nur Unsicherheit und führt zu weiterer Bürokratie. Außerdem ist der Markt leergefegt, was Beratungsleistungen angeht, da nun alle Kommunen gleichzeitig ihre Wärmepläne vorlegen sollen. Das Windhundrennen um den schnellsten Plan hat bereits begonnen – nur damit sind noch keine Maßnahmen in die Tat umgesetzt. Das Stromverteilnetz muss ertüchtigt werden für Wärmepumpen und E Autos. Nah-und Fernwärmenetzte müssen neu gebaut werden und das Gasnetz, wo sinnvoll, auf Wasserstoff umgerüstet werden. All das kostet viel Geld – mit Folgen für den steuerlichen Querverbund. Wenn die Stadtwerke hohe Investitionen tätigen müssen und ihnen gleichzeitig die Einnahmequelle der Gasversorgung wegbricht, fehlt das Geld für Schwimmbäder und andere defizitäre Einrichtungen.

Positiv bleiben


Vieles hat sich für die Kommunen mit dem Ende der unionsgeführten Bundesregierung verschlechtert. Dennoch dürfen wir nicht unseren Optimismus verlieren und müssen weiterhin durch unsere Lösungen vor Ort und in Berlin die Menschen überzeugen. Die Hälfte der Regierungszeit ist vorbei, es ist Licht am Ende des Tunnels.

Foto: © Tobias Koch

Autor: Christian Haase MdB, Haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Bundesvorsitzender der Kommunal-politischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV)

Dieser Beitrag erscheint in der KOPO-Ausgabe 11/2023.
Sie besitzen noch kein Abo der KOPO? Das können Sie hier gleich ändern.

Tags: , ,

Artikel drucken

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren