Spricht man Kommunalpolitiker auf das Thema Lichtverschmutzung an, erlebt man häufig große Vorbehalte. Aussagen wie „Willst Du die Menschen nachts im Stockdunkeln laufen lassen?“, „Die Union steht für Innere Sicherheit, da können wir doch nicht wollen, dass mehr eingebrochen wird“ oder „Mit dem Thema sollen sich doch die Grünen unbeliebt machen“ schlagen einem dann entgegen. Schade! Denn diese Äußerungen zeigen, dass sich viele mit diesem Thema noch nicht befasst haben und von Vorurteilen leiten lassen, die den Realitäten nicht standhalten.
Generell ist die Dunkelheit bei uns negativ besetzt. Wir verbinden damit Ängste, Kriminalität und Unheimliches, während wir Helligkeit mit Orientierung und Sicherheit gleichsetzen. Daher neigen wir wohl auch oftmals dazu, dieses Thema mehr emotional als rational anzugehen.
Energie ist – spätestens nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine – zu einem teuren und knappen Gut geworden. Können wir es uns überhaupt noch leisten, rund ein Drittel des Lichts zu verschwenden? Denn zu viel Licht kommt nicht dort an, wo es hin soll, sondern strahlt in den Himmel.
Neben den Einsparmöglichkeiten von Energie und Geld in Zeiten von Energieverknappung und angespannter Finanzlagen in den Kommunen gibt es weitere gute Gründe für die Einsparung von künstlichem Licht. Denn auch, wenn wir die Artenvielfalt erhalten und die Schöpfung wahren wollen, kommen wir um das Thema Lichtverschmutzung nicht herum – gerade auch als Mitglieder einer christlichen Partei.
Seit der Mensch über elektrisches Licht verfügt, werden unsere Städte und Gemeinden immer heller. Nicht nur Gebäude werden angeleuchtet; auch helle Straßenlampen vertreiben die Dunkelheit. Die Lichtglocken über unseren Städten und Gemeinden dehnen sich immer weiter aus, zumal die Mehrheit der Kommunen mittlerweile auf weiße LEDs umrüsten, deren bläuliches Licht stärker gestreut wird als das herkömmliche Licht. Sterne sind am erhellten Himmel kaum noch auszumachen. Zunehmend hat der Mensch die Nacht zum Tag gemacht. Dabei hat die dunkle Nacht eine wichtige Funktion in unserem Ökosystem.
Viele Tiere sind nachtaktiv. Von Natur aus sind sie darauf ausgerichtet, im Dunkel der Nacht auf Nahrungssuche zu gehen. Zudem verenden Milliarden von Insekten im Licht der Lampen. Rund 60 Prozent dieser nachtaktiven Insekten sind Bestäuber. Auch beklagen Ökologen, dass Zugvögel durch die nächtliche Beleuchtung von ihren nächtlichen Flugrouten abkommen. So wird eine große Anzahl von Vögeln durch Licht in den Tod gelockt. Wenn es das Dunkel der Nacht nicht mehr gibt, wirkt sich dies also negativ auf viele Tiere und entsprechend auf die Artenvielfalt aus. Die Eingriffe in das Ökosystem durch überzogene Beleuchtung sind somit nicht marginal.
Was Kommunen tun können: Bedarfsgerechte Beleuchtung
Kommunen können auf recht einfache Weise nicht nur Energie einsparen, sondern auch das Ökosystem schonen: Denn es ist, besonders mit LED-Beleuchtung, möglich, das Licht zielgenau dorthin auszurichten, wo es benötigt wird, nämlich direkt auf die Verkehrsflächen. Leuchten können so abgeschirmt werden, dass unerwünschtes Abstrahlen von Licht nach oben verhindert wird. Auch können LEDs über Bewegungsmelder in Sekundenschnelle aktiviert werden, wenn sich Autos, Fahrräder oder Fußgänger nähern. Dadurch wird das Licht nur dann aktiviert, wenn es gebraucht wird und gleichzeitig über Nacht Licht eingespart. Es gibt auch moderne Möglichkeiten wie eine Licht-Anschaltfunktion für Bürger übers Handy, wofür eine vorherige Registrierung notwendig ist. Diese technisch hochwertige Lösung kann dort zum Einsatz kommen, wo nachts die Lichter abgeschaltet werden; sie ist allerdings kostspieliger. Bislang nutzen leider noch zu wenige Kommunen die Möglichkeiten einer bedarfsorientierten Lichtsteuerung.
Einige Kommunen in Deutschland haben sich jedoch schon zu Nachtabschaltungen, zumindest in Teilen ihrer Kommune, durchgerungen. So schaltet Ottobeuren die Straßenbeleuchtung von Montag bis Freitag zwischen 1 und 5 Uhr nachts aus, samstags und sonntags von 2 bis 5 Uhr. Zwischen 10. Mai und 15. August unterbleibt die morgendliche Wiedereinschaltung. Ausgenommen ist das Ortszentrum wegen der Ein- und Ausfallstraßen sowie des Krankenhauses. Auch in der Großstadt Berlin bleibt die Beleuchtung nachts an vielen Stellen unterhalb des Richtwertes – ohne bekannte negative Folgen.
Aber auch, wer aus Sicherheitsgründen so stark beleuchten möchte, dass ein Fußgänger ein Hindernis rechtzeitig erkennen kann, kommt nach Forschungen von Prof. Steve Fotios/Universität Sheffield mit einer Helligkeit von 0,2 Lux aus, was der Helligkeit bei Vollmond entspricht. Bis zu 2 Lux Helligkeit verbessert sich die Sehfähigkeit. Weiteres Licht bringt dann keine Verbesserung mehr.
Zudem können Kommunen durch die richtige Auswahl der Lichtfarbe dazu beitragen, das Ökosystem zu schonen. Um insektenfreundlich zu beleuchten, muss die Lichttemperatur unter 3.000, besser sogar unter 2.700 Kelvin, liegen. Die Umstellung auf warmes Licht mit geringem Blauanteil wird auch von Vogelschützern gefordert. Zudem sollte auf die Beleuchtung von Hochhäusern zu Zeiten des Vogelzugs komplett verzichtet werden.
Mehr Licht bedeutet nicht automatisch mehr Sicherheit
Im Gegenteil. Ist ein Weg sehr stark beleuchtet, kann ein Fußgänger des Nachts wegen des zu starken Kontrastes zum unbeleuchteten Umfeld wenig von der direkten Umgebung des Weges erkennen. Ist dieser Weg nachts jedoch schwächer beleuchtet, kann ein Fußgänger diesen immer noch gut sehen, aber auch noch rechts und links des Weges etwas erkennen, was sein Sicherheitsgefühl bzw. seine Sicherheit erhöht. Das Erzeugen von sehr starken Kontrasten zwischen beleuchteten Flächen und dem umliegenden Dunkelraum verringert die Sicherheit. Daher sollte das Beleuchtungsniveau niedrig, dafür aber gleichmäßig sein.
2005 entschloss sich die Stadt Rheine, die Beleuchtung nachts komplett abzuschalten. Der Unmut der Bürger war anfänglich durchaus da. Die Sorgen der Bürger legten sich aber, denn die Polizeistatistik zeigte, dass es zu keiner Zunahme der Straftaten kam. Dafür aber sparte die Stadt jährlich rund 85.000 Euro ein. Dies deckt sich mit den Erfahrungen der anderen Kommunen mit Nachabschaltungen, bei denen es ebenfalls weder zu einer Zunahme bei den Verkehrsunfällen noch bei den Einbrüchen kam.
Ohne intensive Aufklärung und Bürgerinformation geht es nicht!
Die Tatsache, dass laut Polizeistatistik über 60 Prozent der Einbrüche tagsüber, nämlich zwischen 8.00 und 18.00 Uhr stattfinden, zeigt, dass Licht und gute Sichtbarkeit Einbrecher offenbar nicht von ihrem Vorhaben abhalten.
Infografik: Einbrecher kommen vor allem tagsüber
In vielen Ländern gibt es gesetzliche Vorgaben zur Reduzierung der Lichtverschmutzung. Frankreich hat 2013 zum Beispiel die Abschaltung der Fassaden- und Schaufensterbeleuchtung nach ein Uhr nachts vorgeschrieben. Für die nächtliche Beleuchtung im öffentlichen Raum gibt es in Deutschland keine verbindlichen Grenzwerte, sondern nur Richtwerte. Die Kommunen erhalten dadurch große Handlungsspielräume. Wichtig ist, die Bevölkerung auf diesem Weg durch eine gute Informationspolitik und Aufklärung mitzunehmen.
Der Umweltreferent der Marktgemeinde Ottobeuren, Helmut Scharpf, hat 2011 einen Erfahrungsbericht als Leitfaden für Kommunen herausgegeben.
Auch er berichtet vom notwendigen politischen Stehvermögen und der notwendigen intensiven Mitnahme der Bürger durch Informationsveranstaltungen, gegebenenfalls auch durch eine Bürgerbefragung. Hilfreich sei es, einen Vertreter aus einer Kommune, die bereits Maßnahmen zur Reduzierung von Lichtverschmutzung umgesetzt habe, einzuladen, der nicht nur den politischen Gremien, sondern auch den Bürgern von den Erfahrungen seiner Kommune berichten und konkrete Fragen beantworten könne. Eine längere Probephase in ausgewählten Straßen oder Vierteln sei ratsam. Die Akzeptanz in der Bevölkerung sei größer, wenn zunächst nur für vier bis fünf Stunden in der Nacht abgeschaltet werde.
Dies bestätigt auch die Stadt Herford in ihrem Bericht zur Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung.
Neben Fachliteratur (empfehlenswert: Annette Krop-Benesch: Licht aus?, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2019) findet man im Internet auch etliche Erfahrungsberichte von Kommunen sowie auch für alle Regionen Ansprechpartner und Fachleute, die gerne vor Ort beraten.
Autorin: Dr. Astrid Mannes, Mitglied des Kreistages Darmstadt-Dieburg, Bürgermeisterin a.D.
Dieser Beitrag ist in der April-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO) erschienen.
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