Textilien haben den viertgrößten Einfluss auf die Umwelt und den Klimawandel. Das betrifft zum einen die Wasser- und Landnutzung, aber auch den Rohstoffverbrauch sowie den Ausstoß von Treibhausgasen. Künftig soll es deswegen verbindliche ökologische Designanforderungen für alle Textilien geben, die im europäischen Binnenmarkt vertrieben werden.
Die nun vorgestellte Textilstrategie der Europäischen Kommission soll dafür sorgen, dass bis 2030 schon bei der Produktion von Textilien auf Nachhaltigkeit und eine verbesserte Kreislaufwirtschaft geachtet wird. So sollen bereits während der Produktion weniger Abfälle anfallen. Textilien aller Bereiche sollen dabei einen hohen Anteil rezyklierter Fasern enthalten und frei von umweltschädlichen Schadstoffen sein. Neben den technischen Voraussetzungen liegt ein wesentlicher Schwerpunkt auch auf der Einbeziehung der Konsumenten. So soll „Fast Fashion“ durch die Verfügbarkeit langlebiger, hochwertiger und bezahlbarer Kleidung unattraktiv werden. Dazu gehört auch die Stärkung des „Re-Use“ Bereichs und von Reparaturservice-Einrichtungen.
Um die Umsetzung transparent zu gestalten, könnte wie bereits bei Haushaltsgeräten das Energieeffizienz-Label mit der Skala A-G genutzt werden. Dabei handelt es sich um die EU-Energieverbrauchskennzeichnung aus der EU-Ökodesign-Richtlinie. Dieses wichtige Instrument gilt bisher nur für Produktgruppen, bei denen der Energieverbrauch relevant ist. Das soll sich jetzt ändern. Zeitgleich mit der Textilstrategie hat die Europäische Kommission die Sustainable Products Initiative, kurz SPI, vorgestellt. Die SPI soll perspektivisch die Ökodesign-Richtlinie ersetzen. Die wichtigste Änderung: Die SPI soll künftig für wesentlich mehr Produktgruppen gelten. Grundsätzlich können alle Produktgruppen durch die SPI reguliert werden. Textilien wurden von der Kommission explizit als Pilotgruppe benannt.
Was kommt auf die Kommunen zu?
Für Verbraucherinnen und Verbraucher werden diese Regelungen hilfreich sein, künftig auf einen Blick erkennen zu können, wie nachhaltig ein Kleidungsstück ist. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, denn die methodischen Herausforderungen sind enorm, da die Energieeffizienz einer Spülmaschine einfacher zu bewerten ist als das ökologische Design einer Jeans. Eine Klassifizierung von Kleidungsstücken soll über verschiedene Aspekte erfolgen, unter anderem Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Einsatz von Rezyklatfasern. Bezogen auf diese Aspekte will die Kommission für die verschiedenen Bewertungsstufen jeweils Mindestanforderungen festlegen. Perspektivisch sollen die untersten Qualitätsstufen nicht mehr im Binnenmarkt vertrieben werden dürfen. Eine Schwelle dafür muss noch definiert werden.
Jedoch muss der Textilsektor differenziert betrachtet werden. Technische Textilien, Funktionsbekleidung oder Heimtextilien müssen anders beurteilt werden als reguläre Alltagsbekleidung. Der Fokus sollte klar auf „Fast Fashion“ liegen. Denn das ist Bekleidung von minderer Qualität, mit geringer Haltbarkeit, ohne Anreize zur Reparatur und mit Fasermixen, die das Recycling erschweren. Den Fasern kommt in der EU-Textilstrategie eine entscheidende Rolle zu. Denn die Kommission verfolgt dafür das Ziel eines geschlossenen Stoffkreislaufs.
Schon seit mehreren Jahrzehnten wird noch tragfähige Second-Hand-Bekleidung in Ländern außerhalb Europas vermarktet. Dabei kann es dazu kommen, dass Textilien, die eigentlich Abfall sind, bei der Ausfuhr fälschlicherweise als Gebraucht- waren eingestuft werden. Durch den Trend zu „Fast Fashion“ wird das Problem immer virulenter, deshalb ist es umso wichtiger, dass wir mit diesen nicht mehr tragfähigen Alttextilien etwas Sinnvolles anfangen – und damit ist nicht eine Ausweitung des Downcyclings zu Putzlappen oder die sogenannte „thermische Verwertung“, also Verbrennung gemeint.
Des Weiteren wird im Moment weltweit weniger als ein Prozent des für Textilien eingesetzten Materials erneut für die Herstellungvon Bekleidung verwendet. Das soll sich ändern. In den kommenden Jahren soll die Infrastruktur für ein hochwertiges „Faser-zu-Faser“-Recycling im industriellen Maßstab aufgebaut werden. Deutschland ist ein weltweit anerkannter Standort in der Textilforschung. Dieses Innovationspotenzial soll genutzt werden um so genannte „Recycling-Hubs“ zu errichten, die den gesamten Wertschöpfungsprozess abbilden. Das Ziel ist die Herstellung von hochwertigen und sortenreinen Rezyklatgarnen für die erneute Verwendung in Kleidung.
Solche Garne können derzeit nur dann sortenrein hergestellt werden, wenn bei der Sortierung die Zusammensetzung der Fasern zweifelsfrei erkannt wird – und zwar elektronisch. Deshalb wird der Digitale Produktpass auch für Textilien verpflichtend. Das Ziel des geschlossenen Stoffkreislaufs muss auch finanziert werden. Gleichzeitig müssen die bisher im Verkaufspreis nicht ausgewiesenen Kosten für Mensch und Umwelt besser sichtbar werden. Mit der EU-Textilstrategie soll deshalb europaweit eine erweiterte Herstellerverantwortung eingeführt werden. Konkret hieße das, dass Inverkehrbringer eine gestaffelte Gebühr für die Sammlung und Verwertung von Textilien zahlen: je ökologischer das Design, desto weniger wird fällig. „Öko-Modulation“ der Gebühren ist der Begriff, der dafür verwendet wird.
Ein erheblicher Anteil der Beiträge soll in Maßnahmen zur Abfallvermeidung und in die Vorbereitung zur Wiederverwendung investiert werden. Damit darf jedoch nicht der gesetzliche Sammelauftrag der Kommunen, deren Organisationshoheit und das Engagement gemeinnütziger Träger infrage gestellt werden. Gleichzeitig steht den immer weiter zunehmenden Mengen bei den Altkleidern eine sinkende Qualität bei steigenden Erfassungskosten gegenüber. Das ist auf Dauer für die Kommunen nicht umsetzbar. Deswegen braucht es eine effektive, erweiterte Herstellerverantwortung durch die finanzielle Unterstützung der bestehenden, flächendeckenden kommunal-gemeinnützigen Erfassungsstruktur.
Bewertung
Die Vision für Textilien in der Europäischen Kommission ist klar: Bis 2030 sollen in der EU auf den Markt gebrachte Textilien langlebig und recycelbar gestaltet und unter Wahrung der sozialen Rechte und des Umweltschutzes hergestellt sein. Die Textilstrategie ist ein wichtiger Schritt hin zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sowie mehr Nachhaltigkeit im Textilbereich. Eine grundlegende Voraussetzung für eine Kreislaufwirtschaft ist die Getrennterfassung der Abfallströme, auch von Alttextilien.
Bislang landen noch immer mehr als 70 Prozent des textilen Abfalls weltweit auf Deponien. Insbesondere der Textilsektor bietet ein großes Potenzial für mehr Abfallvermeidung und besseres Recycling. Denn während die Textilproduktion weltweit immer weiter ansteigt, ist die durchschnittliche Nutzungsdauer von Kleidungsstücken in den letzten Jahren dramatisch gesunken. Daher ist es zwingend notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, die Wiederverwendung, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit von Textilien erhöhen. Zudem sollte der Einsatz von recycelten Fasern gefördert werden. Auf diese Weise können Abfälle und Emissionen deutlich minimiert werden, und es geraten weniger umweltschädliche Chemikalien und Mikroplastik ins Wasser.
Deutschland besitzt bereits ein etabliertes und akzeptiertes System der Textilverwertung. Allerdings braucht es weitere Maßnahmen, die eine Wiederverwendung und das Recycling stärken. Wichtig ist dabei, dass die Kommunen und ihre bisherigen Kompetenzen angemessen in den Prozess eingebunden werden. Dann wird die Textilstrategie ein entscheidender Baustein hin zu einer nachhaltigeren Textilwirtschaft.
Ein nächstes Vorschlagspaket ist aktuell für den Sommer vorgesehen, darin sollen unter anderem Verpackungen und bio logisch abbaubare Kunststoffe genauer betrachtet sowie die Kommunalabwasser-Richtlinie überarbeitet werden.
Autorin: Sabine Verheyen MdEP, Beauftragte der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament für die Kommunen und Vorsitzende des Gesprächskreises „Europapolitik“ der KPV
Dieser Beitrag ist in der September-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO) erschienen.
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