Mit dem sogenannten „Osterpaket“ sollen zahlreiche energiepolitische Inhalte des Koalitionsvertrags der Ampel umgesetzt werden – und gleichzeitig die Unabhängigkeit von russischen Energieträgern forciert werden. Aus Sicht der Stadtwerke und kommunalen Energieversorger zeigt sich ein gemischtes Bild: Das Oster-Paket enthält Licht und Schatten gleichermaßen.
Der heimtückische Überfall Russlands auf die Ukraine hat uns alle schockiert. Das unbeschreibliche Leid der Menschen in der Ukraine macht uns fassungslos. Gleichzeitig offenbart der Krieg, wie abhängig wir uns in Deutschland von russischen Energieimporten gemacht haben und wie sehr diese Abhängigkeit unsere eigenen Handlungsspielräume einschränkt. Die Auswirkungen des Krieges auf die Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit unserer Energieversorgung sind in Gänze noch nicht absehbar. Klar ist aber: Wir müssen jetzt zügig für mehr Unabhängigkeit von russischem Gas, Kohle und Öl sorgen. Teil einer langfristigen Lösung ist der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze. Daher ist es gut, dass die Bundesregierung kurz vor Ostern ein umfassendes Energiesofortmaßnahmenpaket beschlossen hat.
Nägel mit Köpfen beim EE-Ausbau
In der energiepolitischen Lage, die sich durch den Überfall Russlands auf die Ukraine weiter angespannt hat, ist es gut, dass die Bundesregierung beim Ausbau der erneuerbaren Energien Nägel mit Köpfen machen will. Ob Beschlüsse zu Windenergie, Artenschutz und Flächenverfügbarkeit oder EEG-Novelle: All das zeugt von der Entschlossenheit, den Erneuerbaren-Ausbau voranzubringen. Die EEG-Novelle sieht vor, Ausbaupfade und Ausschreibungsmengen zu erhöhen. Das ist mit Blick auf das ambitionierte Ziel, 80 Prozent des Stroms bis 2030 aus Erneuerbaren zu gewinnen, konsequent und richtig. Ambitioniertere Ziele allein reichen allerdings nicht – es bleibt abzuwarten, wie wirkungsvoll tatsächlich bestehende Hürden zum Beispiel beim Artenschutz, aber auch im Planungsrecht, von der Koalition beseitigt werden. Die Stadtwerke warten darauf, sie stehen bereit, in den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu investieren.
Gut ist zum Beispiel, dass die Ampel die Rahmenbedingungen für Solarenergie verbessern will. Wichtig wäre, dass Solar-Dachanlagen wieder eine angemessene Förderung erhalten und so Städte einen stärkeren Beitrag zur Energiewende leisten können. Der Entwurf sieht jedoch leider nach wie vor keine Erhöhung des Mieterstromzuschlags vor.
Schattendasein für Erneuerbare abseits von Sonne und Wind
Es fehlen allerdings auch notwendige Perspektiven für treibhausgasneutrale Energien jenseits von Wind, Sonne und Co. Sinnvoll wäre, auch Strom aus Grubengas sowie Strom, der mit Energie aus thermischer Verwertung und Klärschlamm erzeugt wird, mit einzubeziehen. Zudem sollte der Weg für Wasserstoff und weitere klimaneutrale Energien wie Biomethan geebnet werden, statt Hürden aufzubauen.
Lauwarme Wärmewende
Die gleiche Entschlossenheit wie beim Erneuerbaren-Ausbau wäre auch beim Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und Fernwärme notwendig. Hier greift der Entwurf jedoch nicht nur zu kurz, sondern erschwert Investitionen. Ursache sind neue Anforderungen an KWK-Anlagen. Das ist angesichts eines stark veränderten Marktumfelds und zusätzlicher Hürden auf europäischer Ebene wie der EU-Taxonomie enttäuschend: Eigentlich ist ein schneller und massiver Zubau an gesicherter Leistung erforderlich, gerade wenn die Koalition den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen will. Der VKU wird sich dafür einsetzen, die KWKG-Evaluierung um ein halbes Jahr vorzuziehen und neue Anreize für den Bau zusätzlicher Anlagen zu schaffen.
Besonders bedauerlich: Während die Branche weiter auf die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) und die Reform der Wärmelieferverordnung wartet, wird mit der Verschärfung der kartellrechtlichen Aufsicht die Hürde für den Aus- und Umbau der Wärmenetze hochgeschraubt. Das ist sachlich nicht gerechtfertigt und aus Wettbewerbssicht unnötig.
Fortschritte bei Grund- und Ersatzversorgung
Gut sind auch die EnWG-Anpassungen zur Entkoppelung der Grund- und Ersatzversorgung. Richtig ist die Verpflichtung aller Energielieferanten, die Einstellung der Energiebelieferung rechtzeitig vorher anzukündigen. Grundversorger wie Stadtwerke können sich so künftig besser auf das Auffangen von Neukunden vorbereiten und solche Herausforderungen für alle besser bewältigen.
Nächste Schritte
Die Ampel-Regierung will die Reformen von Bundestag und Bundesrat vor der Sommerpause 2022 beschließen lassen. Die EEG-Reform soll größtenteils zum 01.01.2023 in Kraft treten, die Änderungen des EnWG noch im August 2022. Themen außerhalb des EEG (Genehmigungsverfahren, Flächenausweisung etc.) werden in einem separaten Artikelgesetz („Sommerpaket“) behandelt. Dessen Entwurf ist noch in Arbeit. Er soll aber bereits im Mai vom Bundeskabinett beschlossen und in das laufende parlamentarische Verfahren zum Osterpaket eingespeist werden. Hier müssen wir aufpassen, dass dieser hohe Zeitdruck nicht zu handwerklichen Mängeln führt.
Die Bundesregierung beweist mit dem Osterpaket ihre Entschlossenheit zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Die kommunalen Unternehmen stehen als Praktiker und Pragmatiker vor Ort zur Umsetzung bereit. Viele ihrer Möglichkeiten zur Emissionsreduktion und Energiegewinnung – etwa KWK, Wasserstoff und erneuerbare Energiequellen abseits von Sonne und Wind – werden im Osterpaket leider nur unzureichend gefördert oder sogar gebremst. Wir hoffen, dass die Koalition hier noch nachbessert und rechtliche Bremsklötze aus dem Weg räumt, damit Deutschland die Klimaziele erreichen und sich schnellstmöglich unabhängig von russischem Gas, Öl und Kohle machen kann.
Autor: Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU)
Dieser Beitrag erscheint in der Mai-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO).
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