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Von ideologischen Scheuklappen befreien

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Putins Angriff auf die Ukraine stellt eine Zäsur dar. Die Bundesregierung spricht von einer Zeitenwende. Wir haben bei Christian Haase, Bundesvorsitzendem der Kommunalpolitischen Vereinigung der Union und haushaltspolitischem Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nachgefragt: Wird die Bundesregierung ihren Ansprüchen gerecht?

KOPO: Putins Angriff auf die Ukraine macht die Menschen hier fassungslos. Viele möchten praktisch helfen und fordern einen Importstopp von russischem Erdöl und Erdgas, um nicht weiter Geld in Russlands Kriegskasse zu spülen. Was halten Sie von solchen Forderungen?

Foto: © Jan Kopetzky

Christian Haase MdB: Die Hilfsbereitschaft der Menschen in Deutschland macht mich stolz. Die ehrenamtlichen Helfer leisten Großartiges bei der Aufnahme, Versorgung und Unterbringung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Das brutale Vorgehen Putins, der auch vor Angriffen auf Kinderkrankenhäuser und Geburtenstationen nicht zurückschreckt, lässt einem nicht kalt. Dennoch gilt gerade jetzt: Besonnen bleiben, nicht irrational handeln und die Eskalation nicht weiter befeuern. Deshalb kann ich zum jetzigen Zeitpunkt ein Energieembargo nicht ausschließen. Wir müssen auch darauf vorbereitet sein, dass Putin den Förderhahn zudreht. Deshalb brauchen wir jetzt schnell eine höhere Unabhängigkeit von russischen Rohstoffimporten. Dabei müssen wir die Auswirkungen auf die Rohstoffversorgung der Wirtschaft und die Wärmeversorgung der Bürgerinnen und Bürger im Blick haben. Eine wahrlich große Herausforderung.

KOPO: Also zurück zu heimischer Braunkohle und Kernkraft?

Christian Haase MdB: In der Tat müssen wir uns von ideologischen Scheuklappen befreien. Es gilt das energiepolitische Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz im Gleichgewicht zu halten. Das heißt nicht, dass wir jetzt den Klimaschutz über Bord werfen. Im Gegenteil: Wir müssen Windräder und Solaranlagen massiv zubauen, wir brauchen synthetische Kraftstoffe, wir brauchen grünen Wasserstoff. Aber es darf keine Denkverbote geben, was politisch festgelegte Ausstiegstermine angeht. Und noch eine Bemerkung zu ideologischen Verboten: Ich setzte mich dafür ein, dass das Heizen mit Holz weiterhin erlaubt ist. Holz ist ein heimischer, erneuerbarer Energieträger. Wer mit Brennholz heizt, unterstützt die Wirtschaft vor Ort.

KOPO: Auch die Diesel- und Benzinpreise steigen immer weiter. Hier haben gerade Pendler keine Wahl.

Christian Haase MdB: Richtig, hier muss der Staat eingreifen. Wir müssen die Mehrwertsteuer auf Energie senken, um auch die Menschen mit mittleren Einkommen zu entlasten. Es kann doch nicht sein, dass der Staat an den galoppierenden Preisen verdient. Was die Heizkosten angeht, muss die Bundesregierung nachbessern: Ein einmaliger Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger ist zu wenig, wir brauchen eine dynamische Anpassung des Wohngeldes an die Energiekosten.

KOPO: Kommen wir noch einmal auf die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu sprechen. Wir schaffen das – stimmt der Satz heute?

Christian Haase MdB: Wir müssen es schaffen. Klar ist, wir stehen erst am Anfang. Wir wissen nicht, wie lange dieser Krieg noch dauern wird und wie viele Menschen noch bei uns Schutz suchen werden. Der Bund muss sich um die zentrale Koordination und Verteilung der Menschen kümmern. Das Land Berlin hat bereits Alarm geschlagen. Finanziell stehen die Länder in der Pflicht: Sie müssen die Kommunen bei den anstehenden Aufgaben unterstützen, damit sie Erstversorgung, Unterkunft und psychologische Hilfsangebote für die traumatisierten Menschen bereitstellen können. Wir müssen genau wissen, wie viele Menschen bei uns Schutz suchen. Da die Registrierung freiwillig ist, brauchen wir eine mehrsprachige Informationskampagne, die den ankommenden Menschen die Vorteile einer Registrierung verdeutlicht, wie beispielsweise finanzielle Zuschüsse zur Verpflegung und Unterkunft nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie eine Arbeitserlaubnis. Wir können es den Menschen nicht zumuten, tagelang auf Termine für die Registrierung zu warten. Um die Verfahren zu beschleunigen, brauchen Städte und Gemeinden Personal und entsprechende Software. Hier müssen Bund und Länder finanziell unterstützen. Eine Pflicht zur Registrierung muss es auch für private Anbieter von Unterkünften geben: Wir dürfen nicht zulassen, dass Kriminelle die Notlage von Frauen und Kindern ausnutzen. Wir wissen, dass die Impfqoute gegen das Coronavirus in der Ukraine nur bei 20 Prozent liegt. Das müssen wir ebenfalls bei der Unterbringung berücksichtigen.

KOPO: Vieles, was die SPD jahrelang blockiert hat, wird jetzt im Eiltempo nachgeholt. Ich denke dabei an die Zusage, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato nun doch einhalten zu wollen. Was ist mit der Wehrpflicht?

Christian Haase MdB: Ich bin dafür, das geht jedoch nicht von Heute auf Morgen. Als KPV werben wir nun schon seit Jahren dafür, die Wehrpflicht in Form einer Dienstpflicht für Männer und Frauen wieder einzuführen. Die Aussetzung der Wehrpflicht und der Wegfall des Zivildienstes haben Lücken nicht nur in der Armee gerissen. Immer weniger Menschen sind auch in Zivil- und Katastrophenschutz ausgebildet und können ‚Erste Hilfe‘ leisten. Gleichzeitig besteht eine Bedrohung durch Terrorismus und Extremwetterlagen. Sie erfordern haupt- und ehrenamtliche Einsatzkräfte.

KOPO: Der Ukraine-Krieg hat die Corona-Pandemie aus den Schlagzeilen verdrängt. Dabei breitet sich das Virus weiter aus. Deutschland hat in Europa die mit höchsten Infektionszahlen. Experten warnen, dass bei einem derartig dynamischen Infektionsgeschehen trotz grundsätzlich milderer Verläufe bei Omnikron es zu einer kritischen Zunahme an schweren Erkrankungen mit Krankenhausaufenthalt kommen wird.

Christian Haase MdB: Und die Bundesregierung streicht nahezu alle Maßnahmen zum 20. März. Damit konterkarieren wir alle unsere bisherigen Anstrengungen. Wir sollten an der Maskenpflicht festhalten. Der Schutz gerade von FFP2-Masken wurde durch zahlreiche Studien belegt. Die Menschen haben sich daran gewöhnt und gerade bei kurzen Aufenthaltsdauern, wie etwa beim Einkaufen, stört es doch wirklich nicht. Am meisten ärgert mich aber, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht so schlecht vorbereitet wurde. Es herrscht Chaos und Unsicherheit, dabei hatten wir einen langen Vorlauf.

Das Gespräch wurde am 21.03. geführt.

Dieser Beitrag erscheint in der April-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO).

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