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Kompetenzregion: Strukturwandel im Rhein-Erft-Kreis

Allgemein, Arbeitsmarkt, Strukturpolitik

Der geologische Vorrat an Braunkohle im Städtedreieck Köln-Mönchengladbach-Aachen repräsentiert das größte geschlossene Braunkohlevorkommen Europas. Die Lagerstättenvorräte in den nach aktuellem Stand genehmigten Abbauflächen der Tagebaue Hambach, Garzweiler und Inden belaufen sich auf circa drei Milliarden Tonnen. In den kommenden 30 Jahren werden weiterhin sehr große Mengen an Kohle gefördert; nach aktuellem Stand sind es zwischen 90 und 100 Millionen Tonnen jährlich.

Die Landinanspruchnahme ist gewaltig, mit einschneidenden Folgen für Mensch und Natur. Über die gesamte Betriebsdauer aller Abbauflächen im Rheinischen Revier werden 327,5 Quadratkilometer (km²) Flächen in Anspruch genommen worden sein, von denen aktuell 227 km² rekultiviert sind und noch 94 km² als Betriebsfläche dienen. An fünf Kraftwerksstandorten im Revier sind momentan noch 11 523 Megawatt (MW) Leistung installiert, die mit einer Brutto-Stromerzeugung von 74,5 Terrawatt-Stunden (TWh) gut 12 Prozent der bundesdeutschen und 40 Prozent der nordrhein-westfälischen Stromerzeugung leisten. Zusammen mit den drei Kohleveredelungsbetrieben – die alle im Rhein-Erft-Kreis liegen – beschäftigt das bergbautreibende Unternehmen im Rheinischen Revier an die 9400 Mitarbeiter, die für ein Gehaltsvolumen von etwa 800 Millionen Euro stehen.

Ausstieg aus der Kohle
So sehr der ökologische Nutzen des Kohleausstiegs auf der Hand liegt – zwei der drei größten CO2-Emitenten unter den Stromkraftwerken Europas liegen im Rheinischen Revier –, so folgenschwer wird er für den Rhein-Erft-Kreis sein. Die enorme Bedeutung der Gewinnung und Nutzung der Braunkohle im Revier wird mittelfristig, das heißt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten, abnehmen. Das Ende der Braunkohleförderung und -verstromung werden die heutigen Auszubildenden bei RWE noch deutlich vor dem Erreichen des Rentenalters erleben. Die mit den Tagebauen und Großkraftwerken verbundenen mittelständischen Wirtschaftsbetriebe in der Region sind ebenso betroffen.
Die Ungewissheit für das Rheinische Revier wird durch die zu erwartenden bundespolitischen Grundsatzentscheidungen über die Kohleverstromung noch erhöht. Gleichzeitig ist es ausgeschlossen, dass die Stromproduktion der Kohlekraftwerke durch die Ansiedlung regenerativer Energien hier im Kreis vollständig ersetzt werden kann. Für Windkraftanlagen in dieser Größenordnung fehlen schlicht die Flächen.

Zur Wahrheit gehört also: Der Rhein-Erft-Kreis wird mit dem Auslaufen der Kohleförderung bis zum Jahr 2045 seine Stellung als Energiekreis verlieren, wenn man alleine auf die Produktion von Energie setzt. Diese Entwicklung steht zwar allen Regionen bevor, die wirtschaftlich von Großkraftwerken der Kohle- und Atomindustrie geprägt sind. Mit Blick auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen eines solch grundsätzlichen Strukturwandels kann diese Erkenntnis aber nicht tröstlich wirken, selbst wenn ihr klimapolitischer Nutzen unzweifelhaft ist.

Gestaltung des Strukturwandels
Für die politischen und gesellschaftlichen Verantwortungsträger des Rheinischen Reviers stellt sich damit die Frage, wie man dieser Herausforderung gerecht werden kann. Erklärtes Ziel aller politischen Ebenen ist es, einen wirtschaftlichen Strukturbruch, der unweigerlich auch erhebliche soziale Verwerfungen mit sich bringen würde, zu vermeiden.
Eine nachhaltige Lösung muss darauf abzielen, die wirtschaftliche Stärke des Rhein-Erft-Kreises und des Rheinischen Reviers auf ein neues Fundament zu stellen. Im Rahmen seiner Kompetenzen wirkt der Kreis bereits an verschiedenen Stellen mit, um neue Entwicklungen einzuleiten. In der räumlichen Perspektive ist eine exklusive Fokussierung auf das Kreisgebiet dabei nicht zielführend; angesichts des enormen Ausmaßes des Strukturwandels müssen die betroffenen Kommunen und Kreise kooperieren und über den Tellerrand hinaus blicken.

In diesem Sinne kann die neu organisierte „Zukunftsagentur Rheinisches Revier“ eine besondere Rolle spielen. In ihr sind die betroffenen Landkreise, die Industrie- und Handels- sowie die Handwerkskammern des Reviers, die Gewerkschaften und das Land NRW gemeinsam aktiv. Ziel der Zukunftsagentur ist es, regionale Entwicklungspotentiale in den von den Tagebauen geprägten Regionen zu identifizieren sowie Interessen und Ziele zu bündeln und zu vernetzen, um bereits heute auf die anstehenden Strukturveränderungen reagieren zu können.

Nach meinem Verständnis – auch als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der „Zukunftsagentur Rheinisches Revier“ – muss der Strukturwandel von grundsätzlicher Bedeutung für die neue Landesregierung werden. Dies hat sie zu meiner Freude auf der Revierkonferenz am 8. Dezember durch den zuständigen Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, Prof. Dr. Andreas Pinkwart, auch zugesichert. Die Strahlkraft eines erfolgreichen schwarz-gelben Strukturwandels kann in wirtschaftlicher und damit auch in politisch-strategischer Hinsicht nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dies gilt insbesondere in Abgrenzung zur unverändert prekären Lage des Ruhrgebiets, die Resultat von fast 50 Jahren mangelhafter Entscheidungen und Fehlplanungen ist.

Fazit
Mit dem absehbaren Ende des Braunkohleabbaus im Rheinischen Revier wird die Wirtschaftsstruktur des Rhein-Erft-Kreises auf ein neues Fundament gestellt werden müssen. Angesichts der Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges ist die notwendige Neuausrichtung schon jetzt – knapp drei Jahrzehnte vor der Schließung des letzten Tagebaus – in die Wege zu leiten.

Foto: Landratsamt

Autor: Michael Kreuzberg ist Landrat des Rhein-Erft-Kreises

Der Beitrag ist erschienen in der Februar-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter.

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