Europa ist demografisch gespalten. Im Norden, im Westen und im Zentrum des Kontinents sorgen vergleichsweise hohe Kinderzahlen und Zuwanderung auf absehbare Zeit für Bevölkerungswachstum. Vielen Regionen Süd- und Osteuropas drohen dagegen eine starke Alterung und deutliche Bevölkerungsverluste. Die Regionen Europas sind unterschiedlich gut auf die demografischen Herausforderungen vorbereitet. Dies zeigt die Untersuchung des Berlin-Instituts, die insgesamt 290 Regionen analysiert hat.
Besonders gut stehen die hoch entwickelten Regionen der Schweiz, Süddeutschlands und Skandinaviens da. Grund hierfür sind mancherorts hohe Kinderzahlen und gute Bildungssysteme, etwa im Norden des Kontinents, und andernorts Zuwanderung aus europäischen und nicht-europäischen Ländern, vor allem in Deutschland. In peripheren Regionen dagegen – in Süd- und in Osteuropa, wo die Wirtschaftsleistung ohnehin niedriger liegt – verschlechtert die Abwanderung junger Menschen die Zukunftsaussichten zusätzlich. Zur Mitte des Jahrhunderts dürften in Griechenland und Portugal die im Schnitt ältesten Menschen Europas wohnen – und weniger als heute werden es auch sein. „Häufig können sich in Süd- und Osteuropa nur die Hauptstadtregionen demografisch stabilisieren, während ländliche Gebiete zusehends an Bevölkerung verlieren“, erklärte Stephan Sievert, Mitautor der Studie.
Die demografische Lage ist auch eine Folge der zahlreichen Krisen und Umwälzungen, die Europa im vergangenen Jahrzehnt erlebt hat. So löste die Wirtschaftskrise eine neue Süd-Nord-Wanderung aus. Die sogenannte Flüchtlingskrise hat vielerorts für unerwartet steigende Einwohnerzahlen gesorgt. „Die Integration der Neuankömmlinge wird dadurch zur großen Zukunftsaufgabe Europas“, so Stephan Sievert. „Nur wenn es gelingt, Migranten und Flüchtlinge schnell in Beschäftigung zu bringen, können sie auch vollständig an der Gesellschaft teilhaben“. Außerdem können erfolgreich integrierte Zuwanderer auch dazu beitragen, demografische Herausforderungen abzufedern. Viele Staaten Europas haben dies erkannt und erweitern sukzessive ihre Zuwanderungskanäle. Andere sind skeptischer. Gerade in den postsozialistischen Staaten stehen viele Menschen insbesondere Migranten von außerhalb Europas ablehnend gegenüber. Dabei werden auch diese Länder mittelfristig einen großen Bedarf an Zuwanderung haben. In Tschechien beispielsweise herrscht heute schon annähernd Vollbeschäftigung und die Arbeitgeber dürften künftig stärker auf offenere Migrationsregeln drängen.
Demografische Probleme lassen sich auch abmildern, indem bislang benachteiligte Gruppen besser in das Erwerbsleben einbezogen werden, etwa Frauen. Dies gelingt vor allem im Norden Europas. Dies hat einerseits mit kulturellen Unterschieden zu tun, aber auch mit der Verfügbarkeit von öffentlicher Kinderbetreuung – die es Müttern erlaubt, rasch nach der Geburt eines Kindes wieder in den Beruf zurückzukehren. Eine gute Familienpolitik wäre aber gerade in diesen Regionen wichtig, denn auch die Kinderzahlen sind parallel zur Wirtschaftskrise vielerorts gesunken.