Oft gestaltet es sich schwierig, Personen, die seit vielen Jahren arbeitslos sind, wieder in Lohn und Brot zu bringen. „Bei bestimmten Menschen sind zunächst sozialintegrative Schritte nötig, die nachher zu einer mittel- bzw. langfristigen Integration in den Arbeitsmarkt führen können“, sagt Dr. Carolin Freier. Die Arbeitsmarktexpertin untersuchte in ihrer Dissertation
genau diese vorbereitenden Maßnahmen.
Freier kommt zu dem Schluss: „Es ist wichtig, die Bereiche Soziale Arbeit und Arbeitsvermittlung miteinander zu verschränken und Fachkräfte der Arbeitsvermittlung sowie Betreuer bei Maßnahmeträgern stärker einzubeziehen.“
Als Beispiel nennt sie einen Wohnungslosen, der mit einer Art Coaching zunächst sensibilisiert wird, die Bedeutung des Faktors Zeit kennenzulernen. Dabei könne er etwa verinnerlichen, wie wichtig es ist, kürzere Anwesenheitszeiten einzuhalten oder den eigenen Tagesablauf zu strukturieren. Flankiert wird diese Maßnahme von Fachkräften der Sozialdienste und der Jobcenter.
Ein anderes Beispiel ist die alleinerziehende Mutter, die es sich nicht zutraut, einen Job anzunehmen. Hier können etwa kleine Kaffeerunden mit anderen Alleinerziehenden der Startschuss zu einem positiven Selbstbezug sein, an dessen Ende ein „Ich schaffe es, wieder arbeiten zugehen“ steht. „Es sind kleine Schritte auf dem Weg in eine spätere Bildungs- oder Arbeitsmaßnahme“, erläutert die frühere FAU-Doktorandin Carolin Freier. „Die Chance, sich vorzubereiten, liefert erst die Voraussetzung für einen Ein-Euro-Job.“
Bei den sozialintegrativen Komponenten handelt es sich um persönlichkeitsstabilisierende Elemente, neuartige Kommunikationswege im Umgang mit Langzeitarbeitslosen und arbeitsmarktfernen Menschen sowie professionelle Unterstützung, um das Selbstbewusstsein und die Sozialkompetenz einzelner Arbeitsloser zu stärken. Die soziale Aktivierung soll zur umfassenden sozialen Teilhabe und Kommunikation mit anderen Menschen befähigen – ob im späteren Beruf oder im alltäglichen Privatleben. Sie bedeutet nicht, lediglich eine zweckgebundene Maßnahme wie zum Beispiel ein Bewerbungstraining durchzuführen, sondern folgt einem ganzheitlichen Ansatz.
Ziel der vorbereitenden Maßnahmen ist es außerdem, dass zum Beispiel langzeitarbeitslose Messies, Drogensüchtige oder Menschen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen sich öffnen und Vertrauen fassen. Andererseits sollen die Maßnahmen zur betreuten Entwicklung von Langzeitarbeitslosen beitragen. „Auf diese Weise gewinnen die Fachkräfte in den Jobcentern, bei den Maßnahmenträgern und bei den sozialen Diensten tiefere Einblicke, wie sie allein bei der Bearbeitung am Schreibtisch nicht möglich wären“, erläutert Freier.
Die Maßnahmen wurden im Rahmen des Forschungsprojektes „Soziale Aktivierung – Social Activation“ untersucht. Das Projekt befasst sich mit nicht-arbeitsförmigen Maßnahmen sozialer Aktivierung im Rahmen des SGBII; sie dienen vor allem der Sicherung und Verbesserung sozialer Teilhabe arbeitsmarktferner erwerbsfähiger Hilfebedürftiger. Aktivierung, auch soziale Aktivierung durch Beschäftigungsmaßnahmen ist in der deutschen Grundsicherungspolitik gang und gäbe, doch soziale Aktivierungsmaßnahmen erscheinen zunächst ungewöhnlich und neu – wie etwa Bewegungskurse und Selbsthilfegruppen, kulturbezogene Maßnahmen, aber auch die Förderung von Alltagskompetenz. Dabei stehen das Nahziel einer Teilhabeverbesserung und das weitere Ziel einer Verbesserung der Arbeitsmarktchancen gleichberechtigt nebeneinander. Das Projekt erkundet auf der Basis von Experteninterviews bei Grundsicherungsträgern, ob und in welchem Umfang in Deutschland solche Maßnahmen praktiziert werden, wie sie ausgestaltet sind, und welchen Beitrag sie zur Sozialintegration und Arbeitsmarktteilhabe leisten können. Das Projekt wurde geleitet von PD Dr. Markus Promberger am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB), der auch Privatdozent am Institut für Soziologie der FAU ist.
Dazu ist folgende Publikation erhältlich:
Freier, Carolin (2016): Soziale Aktivierung von Arbeitslosen? * Praktiken und Deutungen eines neuen Arbeitsmarktinstruments. (Gesellschaft der Unterschiede, 38), Bielefeld: Transcript, 262 S.