Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) hat einen Datenreport erstellt, der Aufschluss über die Hintergründe für den Bezug des Betreuungsgeldes gibt: An die 60 Prozent der Leistungsbezieher gaben an, sich parallel um einen Platz für ihr Kleinkind beworben zu haben. Auf der anderen Seite sind 40 Prozent der Eltern in Deutschland grundsätzlich der Überzeugung, Kinder in den ersten Lebensjahren sollten allein in der Familie groß werden. Das Betreuungsgeld ist für diese Entscheidung nicht ausschlaggebend.
Der Report, der Anfang 2015 vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben wurde, zeigt: In den Regionen, in denen die öffentlich geförderte Kindertagesbetreuung stark ausgebaut ist, gibt es verhältnismäßig wenige Familien, die Betreuungsgeld beziehen. Bei den Ein- und Zweijährigen lässt sich kein dämpfender Effekt des Betreuungsgeldes auf die Nutzung der Kindertagesbetreuungsangebote feststellen. Ein auffallender Unterschied ergibt sich beim Vergleich von Ost- und Westdeutschland: Die Bezugsdauer des Betreuungsgeldes ist in Ostdeutschland häufig kürzer, weil Eltern frühzeitiger einen Platz in einer Kita oder in der Tagespflege bekommen.
Ergänzend zu den Daten der amtlichen Statistik gibt die Analyse der KiföG-Länderstudien (KiföG = Kinderförderungsgesetz) näheren Aufschluss über die Nutzergruppen des Betreuungsgeldes:
- Die Kinderbetreuung ist in diesen Familien weniger partnerschaftlich aufgeteilt.
- Großeltern und/oder weitere Personen sind in die Betreuung des Kindes eingebunden.
- Die Mütter in den Familien haben eher einen geringeren Bildungsabschluss.
- Sie waren vor der Geburt des Kindes gar nicht oder nur geringfügig erwerbstätig.
- Die Familien sind häufiger der Überzeugung, dass Kinder erst mit zwei oder drei Jahren in eine Kita gehen sollten.
- In den Familien wird neben Deutsch häufig noch eine andere Sprache gesprochen.
- Im Westen beziehen die Familien neben dem Betreuungsgeld oft noch weitere Transferleistungen (SGB II, Sozialgeld).
Für sehr viele Eltern in Deutschland ist das Betreuungsgeld kein ausschlaggebender Anreiz dafür, ihre Kleinkinder zu Hause selbst zu betreuen. 40 Prozent sind unabhängig von finanziellen Leistungen überzeugte „Familienerziehende“, die ihr Kind in den ersten Lebensjahren lieber selbst betreuen wollen. Für sie ist das Betreuungsgeld ein Zeichen der Wertschätzung, das sie gern annehmen.
Nach Ansicht von DJI-Direktor Prof. Dr. Thomas Rauschenbach wird damit ein Befund bestätigt, der bereits in der zum Teil sehr ideologisch und emotional geführten Debatte um das Betreuungsgeld deutlich wurde: „Es ist nicht zu übersehen, dass es in Deutschland verschiedene Ansichten über die Betreuung und Erziehung von Kleinkindern gibt. Wir müssen akzeptieren, dass doch ein relativ großer Teil der Eltern seine Kinder in den ersten Lebensmonaten selbst betreuen möchte. Dennoch sollten wir weiter dafür werben, dass vor allem Kinder mit Migrationshintergrund im Sinne einer verbesserten sprachlichen Förderung und notwendigen kulturellen Integration die bestmöglichen Angebote öffentlich geförderter Betreuung erhalten.“ Insofern sei es beruhigend festzustellen, dass ab dem dritten Lebensjahr flächendeckend fast alle Kinder eine Einrichtung besuchen.
Das Betreuungsgeld war 2013 zeitgleich mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kleinkinder unter drei Jahren eingeführt worden. Vorgesehen war, Eltern 150 Euro monatlich zu zahlen, wenn sie ihr Kind zu Hause erziehen, statt es in einer Kita oder bei einer öffentlich geförderten Tagespflegeperson betreuen zu lassen. Doch das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung im Juli für nichtig erklärt. Der Grund: Die Länder seien zuständig. Für bis dahin bewilligte Bescheide gilt Bestandschutz. Als einziges Bundesland will Bayern die Leistung weiter zahlen und legte im Dezember einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor, über den im Januar 2016 abgestimmt wird.