Die Studierenden der Übersetzer- und Dolmetscherschmiede in Germersheim sind nicht nur Sprachexperten, sondern sind auch Kulturexperten. Diese Fähigkeiten hat sich der Landkreis Germersheim zunutze gemacht, um den alltäglichen Umgang der Behörden mit ausländischen Mitbürgern zu verbessern.
Germersheim ist der Landkreis mit dem höchsten Ausländeranteil in Rheinland-Pfalz. Mit Unterstützung des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat die Kreisverwaltung ein Projekt zur interkulturellen Öffnung umgesetzt, das aktiv zur Willkommenskultur für ausländische Bürger beiträgt. Die ungewöhnliche Kooperation hilft nur den Mitarbeitern der Verwaltung und ihren Besuchern, sondern auch den Studenten, die so Gelegenheit hatten, sich in andere Berufsfelder hineinzuversetzen.
In Germersheim ist die interkulturelle Kompetenz sozusagen zu Hause: Aus über 100 Nationen stammen die Studierenden in der Südpfälzer Kreisstadt, die sich am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) zum Dolmetscher oder Übersetzer ausbilden lassen. Fast die Hälfte ihrer Studenten sind selbst Ausländer, aber alle Studierenden haben mit einer Fremdsprache automatisch auch die jeweilige Kultur erlernt.
Diese Kenntnisse konnten die Studierenden bei dem Lehr-Forschungsprojekt „Interkulturelle Kompetenzentwicklung“ einbringen, das mit dem Landkreis Germersheim entwickelt wurde. Zunächst öffnete die Kreisverwaltung ihre Türen für die Studierenden, damit sie in Gesprächen mit den Mitarbeitern und in der Beobachtung des Arbeitsalltags erst einmal die Situation erfassen und den Bedarf ermitteln konnten. Klassische Probleme sind Verständnisschwierigkeiten oder fehlende Unterlagen, aber auch Aushänge oder Beschilderungen sind für manche ausländischen Mitbürger ein Hindernis. Vom Jugendamt bis zur Wohngeldstelle und vom Bauamt bis zur Fahrzeugzulassung – die gesamte Verwaltung wurde in das Projekt einbezogen.
Die Ergebnisse der Interviews und der teilnehmenden Beobachtung flossen in Schulungskonzepte für verschiedene Zielgruppen, wie Führungskräfte oder Mitarbeiter mit Kundenkontakt, ein. Schließlich organisierten die Studierenden Schulungen in Form von Workshops, um mit den Mitarbeitern individuell passende Lösungen und Instrumentarien für ihre tägliche Praxis mit ausländischen Bürgern zu erarbeiten.
Knapp 70 Studierende waren seit dem Jahresende 2012 bis zum Frühjahr dieses Jahres an dem Lehr-Forschungsprojekt beteiligt. Die Ergebnisse sind prinzipiell auf andere Einrichtungen, auch Städte und Gemeinden, übertragbar. Gespräche dazu laufen bereits.