Kopo

Neue UVP – Gefahr für Unternehmen?

Europa, Umwelt

Die Änderungen der geplanten Neuauflage der EU-Richtlinie zu Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) könnten erhebliche Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen sowie Kommunen haben, denn es könnte sein, dass für fast jedes neue Vorhaben oder sogar den Abriss älterer Häuser umfangreiche Prüfungen notwendig sind. Dies könnte Neuvorhaben gänzlich zum Stillstand bringen.

©-jorisvo-#43574830

Die Umweltverträglichkeits-Richtlinie (UVP) gehört zu den ersten Umweltregulierungsinstrumenten der Europäischen Union; sie wurde bereits 1985 eingeführt und mehrmals überarbeitet. Die Richtlinie sieht vor, dass bei (öffentlichen wie privaten) Projekten, bei denen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind, eine so genannte Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden muss. Es gilt vor einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Projekts dessen Umweltauswirkungen umfassend zu beschreiben und zu bewerten. Die Ausgestaltung der Richtlinie ist entscheidend für Deutschland und Europa als Investitionsstandort und für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.

karl-heinz-florenzEin Beitrag von Karl-Heinz Florenz MdEP, Mitglied
im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments

 

Die Auswirkungen sind enorm – so fällt im Prinzip (fast) jedes größere Bauvorhaben unter den Geltungsbereich dieser Richtlinie:  Industrievorhaben (neue Werkshallen, neue Niederlassungen), nach dem aktuellen Text z.T. sogar Abrissvorhaben, sowie allgemein Vorhaben aus dem Bereich Energiewirtschaft (Netzausbau, neue Windparks, etc.), Verkehrs- und Infrastrukturprojekte.

Sind neue Projekte allerdings mit zu viel Aufwand verbunden, könnte dies unseren Wunsch nach Wirtschaftswachstum und Voranschreiten der Energiewende gefährden. Neue Genehmigungen wären langwierig, teurer und rechtsunsicher. Kurzum: Es ist wünschenswert, ein hohes Umweltschutz- und Sicherheitsniveau zu gewährleisten, dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Projekte zukünftig nicht mehr durchgeführt werden.

Gut gedacht, aber nicht gut gemacht

Bereits 2011 begann in der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission eine öffentliche Konsultation zur UVP-Richtlinie. Fast 1.400 Beiträge wurden eingereicht, davon fast die Hälfte aus Deutschland.

Der Großteil der Beiträge gab an, dass keine radikalen Änderungen notwendig seien, die Richtlinie jedoch besser mit anderen EU-Regelungen abgestimmt werden müsse – man erhoffte eine „Modernisierung“. Spezifische Schlussfolgerungen im Hinblick auf die sehr hohe Anzahl an Problemfällen in Deutschland wurden von der Kommission nicht getroffen. Auch die oft vorgebrachten Hinweise auf eventuelle Behinderung von Projekten wurden nicht berücksichtigt. Statt Umsetzungshilfe und gezielten Änderungen kam es im Vorschlag der Kommission zu einer Verschärfung der Richtlinie.

Vor diesem Hintergrund gestaltete sich auch das parlamentarische Verfahren zu diesem hochtechnischen Dossier zunächst schwierig. Problematisch war auch die zunächst vergleichsweise geringe Wahrnehmung – viele (kleinere und mittlere) Unternehmen realisierten zunächst die Wichtigkeit des Vorschlags nicht, weil sie „heute“ noch nicht betroffen sind, wohl aber in Zukunft vor Problemen stehen könnten, etwa wenn ein neues Projekt ansteht.

Im Bestreben, einen Ausgleich zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen zu erreichen, bemühte sich die CDU/ CSU Gruppe im Europäischen Parlament über ein Set von Änderungsanträgen, das sowohl im federführenden Umweltausschuss wie auch im Plenum eingereicht wurde, um umfangreiche Verbesserungen in insgesamt acht Bereichen:

Probleme im Einzelnen – Linie der CDU/ CSU: 

1. Kein Paradigmenwechsel: Keine materiellen Genehmigungsvoraussetzungen, keine Schadens-begrenzungs- und Ausgleichsregelungen in der UVP vorsehen 

Über die Neuregelung sollen grundlegend neue materielle Genehmigungsvoraussetzungen für Projekte eingeführt werden. War die UVP bisher ein reines Verfahrensinstrument, ein Prüf-Katalog, anhand dessen man das (nationale) Fachrecht prüfte (in Bezug auf Industrieemissionen = IVU, für Betriebe, die mit gefährlichen Stoffen arbeiten = SEVESO, etc.), wären nach der Neuregelung auch Ausgleichsmechanismen und Genehmigungsbedingungen vorgesehen, die ins Fachrecht eingreifen. Die Neuerungen würden zu Doppelregelungen führen und zu Rechtsunsicherheit; sie würden das Umweltrecht schlicht ineffektiver machen. Ein Beispiel hierfür wäre die Industrieemissionsrichtlinie. Das Parlament kämpfte dafür, dass KMU nicht unter IVU fallen. Zöge man allerdings materielles Recht in die UVP, könnte es sein, dass KMU im Rahmen der UVP Verpflichtungen erfüllen müssen, die sie unter Fachrecht nicht erfüllen müssten. Dies kann und darf nicht unser Ziel sein!

2. Öffentlichkeitsbeteiligung nicht unangemessen ausweiten

Der Kommissionsvorschlag enthielt bereits eine Reihe von Ausweitungen hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit, der EP-Umweltausschuss ging noch darüber hinaus. Neue Informationszugangsrechte und erweiterte Klagerechte würden jedoch nicht unbedingt eine Verbesserung nach sich ziehen – im Gegenteil. Nach dem Text, den der Umweltausschuss abstimmte, hätte „die Öffentlichkeit“ das Recht gehabt, bei jedem Projekt eine UVP zu verlangen. Dass dies jedoch auch missbraucht werden könnte, um Projekte zu verzögern, ist klar. Wenn nötig, sollte die Diskussion daher im Rahmen der Aarhus-Richtlinie geführt werden.

3. Keine Verpflichtung für akkreditierte Sachverständige 

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Erstellung und Überprüfung des Umweltberichts nach Ansicht der Kommission künftig nur noch von zugelassenen und technisch kompetenten Sachverständigen vorgenommen werden darf. Natürlich gibt es in einzelnen Mitgliedstaaten Probleme in Bezug auf die Unabhängigkeit, doch sollte für den Projektträger die Möglichkeit bestehen, den Umweltbericht selbst zu erstellen, wenn er die Expertise hat.

4. Keine Alternativen-Prüfung und keine Darstellung des Basisszenarios

Der Projektträger sollte im Umweltbericht nur die von ihm geprüften Alternativen darlegen müssen. In der UVP geht es um ein konkretes Projekt und die Frage, ob dies genehmigt werden kann, nicht um die Auswahl unter verschiedenen Möglichkeiten. Der Projektträger ist der einzige, der prüfen kann, welche Alternativen für ihn möglich und sinnvoll wären und hat das vor Einreichung der Unterlagen sicher getan. Auch die Verpflichtung zur Anfertigung eines Basisszenarios (d.h. Entwicklung der Umwelt ohne jegliche Einflussnahme) wäre unangemessen; die Rahmenbedingungen einer solchen Betrachtung sind unklar.

5. Anwendungsbereich und Umfang der UVP-Richtlinie nicht erweitern

Der Projektbegriff darf nicht auf „Durchführung von Bau- und Abrissarbeiten“ erweitert werden, sondern sollte wie bisher nur für die Errichtung gelten. Auch die Erweiterung des Umfangs der UVP auf überregionale oder globale Umweltphänomene wie Biodiversität, Klimawandel etc. ist schwierig.

6. Keine Ausweitung der Vorprüfung und kein obligatorischer Scoping-Termin

Die vom Projektträger im Rahmen der Vorprüfung (so genanntes „Screening“) zwingend zu liefernden Informationen sind erheblich ausgeweitet worden. Die Vorprüfung ist aber eigentlich dazu da, zu prüfen, ob eine „richtige UVP“ durchgeführt werden muss oder nicht. Für größere Unternehmen ist das i.d.R. kein Problem, aber für KMU kann dies erhebliche Probleme schaffen. Es darf nicht sein, dass ein KMU in Bezug auf die kleine Erweiterung des Werksgeländes Unmengen Zeit und Geld aufwenden muss, nur um zu erfahren, dass eine UVP nicht nötig ist. Auch der freiwillige „Scoping-Termin“ sollte nicht verpflichtend werden. Zweck des Scopings ist, dem Projektträger Hilfestellungen zu geben und ihm eine Einschätzung des bestehenden Untersuchungs-bedarfs zu geben. Gerade bei ähnlich gelagerten Projekten macht es keinen Sinn, jedes Mal ein Scoping vornehmen zu müssen.

7. Angemessene Übergangsregelung

Nach dem Richtlinienvorschlag sollen Projekte, bei denen die UVP vor Ablauf der Umsetzungsfrist noch nicht abgeschlossen wurde, nach der geänderten UVP-Richtlinie fortgeführt werden. Das hieße, man müsste „mittendrin“ alles anders machen. Aus Gründen des Bestands-/ Vertrauensschutzes  sollten Projekte, für die ein Genehmigungsantrag vor Ablauf der Umsetzungsfrist eingereicht wurde, nach der geltenden UVP-Richtlinie zu Ende geführt werden können.

8. Fracking/ Shale Gas und Exploration von Bodenschätzen

In diesem Bereich stellten sich mehrere Fragen: Soll „fracking“ nochmals spezifisch als UVP-pflichtig genannt werden? Nach Auffassung der Kommission sind fracking-Vorhaben bereits jetzt UVP-pflichtig, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Vorhaben signifikante Umweltauswirkungen haben. Da aber nicht jeder Mitgliedsstaat bzw. jede Behörde dies so berücksichtigt, könnte eine Klarstellung sinnvoll sein – so argumentieren zumindest zahlreiche Umweltverbände und auch Bürger. Weitere Frage war, ob bereits die Exploration unter die UVP fallen soll; die gleiche Frage stellte sich auch in Bezug auf Bodenschätze allgemein. Letztendlich wurde ein Kompromissvorschlag des Berichterstatters angenommen.

Fazit

Die CDU/ CSU hat einige Verbesserungen im Text erreicht (auch im Hinblick auf die Frage der Experten, in Bezug auf die Übergangsregelung und die Faktoren, die geprüft werden müssen), die Gruppe war jedoch nicht in allen Bereichen erfolgreich. Das Spannungsverhältnis Wirtschaft – Umweltschutz konnte nicht zufriedenstellend gelöst werden.

Nach der Entscheidung im Plenum werden nun informelle Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Rat und Kommission aufgenommen; eine Einigung wird Anfang des kommenden Jahres angestrebt. Aufgrund der teils sehr knappen Entscheidungen werden sich die Verhandlungen jedoch schwierig gestalten.

 

Tags: ,

Artikel drucken

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren