Im Juni gab der Bundesrat den Weg für das E-Government Gesetz des Bundes frei. Verfolgt man die Diskussion dazu in Deutschland, gewinnt man den Eindruck, dass es dabei im Wesentlichen um Fragen der Sicherheit im Mail-Verkehr zwischen Bürgern und Staat geht. Dabei spielten Aspekte des Datenschutzes, aber auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle.
Der nächste Schritt muss sein, dass die Länder auch und gerade für die Kommunen Unsicherheiten durch eigene E-Government Gesetze beseitigen und damit den Weg frei machen für die eigentliche Aufgabe der nächsten Jahre: alle Möglichkeiten der Ersparnis von Zeit und Kosten bei der Erbringung kommunaler Leistungen zu nutzen.
Ein Beitrag von Dr. Alfred Reichwein,
Programmbereichsleiter „Organisationsmanagement“ und „Informationsmanagement“ bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt)
In den Anfängen der elektronischen Datenverarbeitung lautete ein viel zitierter Spruch der Computer-Kritiker: the computer is the solution, so where is the problem? Heute gewinnt man den Eindruck, dass die Perspektive sich verkehrt hat. Es gibt eine Vielzahl großer und größerer Probleme und der Computer könnte die Lösung sein. Die Kommunen stehen, bei all ihrer Unterschiedlichkeit vor dennoch vergleichbaren und nicht kleinen Herausforderungen:
- Sie haben den demographischen Wandel zu bewältigen, der sich mancherorts darin zeigt, dass Dienste und Leistungen in bevölkerungsarmen Regionen in bewährter Qualität zu erbringen sind, oder, fast überall darin, dass benötigte Fachkräfte in nicht ausreichender Zahl zur Verfügung stehen;
- Sie haben Vielfalt in der Stadtgesellschaft zu fördern und ihre Produkte und Dienstleistungen den unterschiedlichen Zielgruppen mit ihren jeweiligen Möglichkeiten und Bedürfnissen nahe zubringen;
- Sie müssen Energie und alle weiteren Ressourcen viel effizienter einsetzen und damit einen Beitrag zur nachhaltigeren Entwicklung leisten;
- Sie müssen Betreuung und Bildung von Jung bis Alt organisieren;
- Sie müssen Prozesse in interorganisationalen Leistungsnetzwerken (Brüggemann, Roeber) strategisch ausrichten und steuern;
- Dies alles, und noch viel mehr, mit Haushalten, die in vielen Städten eigentlich gar nicht mehr zu sanieren sind, sondern bei Unternehmen in einer vergleichbaren Situation schon lange den Gang zum Konkursrichter verlangt hätten.
Bei der Lösung all dieser Probleme kann die IT einen wesentlichen Beitrag liefern, wenn man sie denn nur entsprechend nutzen würde. Die Grafik auf der Internetseite der IBM zeigt anschaulich, in welchen Bereichen praktische Erfahrungen bei der Unterstützung von Regierungs-oder Verwaltungshandeln gesammelt wurden. Die hinterlegten Beispiele allerdings verweisen ohne Ausnahme auf Projekte in den USA. Leider sind Sie für deutsche kommunale Kollegen nicht übersetzt worden, vielleicht kann das die Firma veranlassen, damit sie als Beispielgeber breitere Beachtung finden können. Die Möglichkeiten moderner IT, die ja bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind, sondern sich täglich weiter entwickeln, vergleiche nur die Diskussion zu dem Thema Big Data in den letzten Monaten, könnten in bedeutendem Umfang aktuelle Herausforderungen in den Kommunen bewältigen helfen. Sie ließen sich von Herstellern und Vertretern der Behörden auf die Bedürfnisse unseres föderalen Staates finden weiter entwickeln. Dieses hätte auch in der Vergangenheit schon geschehen können, es gibt viele Gründe dafür, dass es nicht passiert ist. Eine wesentliche Ursache sehe ich darin, dass sich die oberste Führung in den Kommunen bisher zu wenig mit den Möglichkeiten der IT auseinandergesetzt hat und von da her dieses Instrument auch nicht strategisch nutzt. Andererseits haben die Anbieter von Lösungen in den Softwarehäusern oder Beratungsunternehmen nicht die richtige Sprache oder den Kommunikationskanal gefunden, die es gebraucht hätte, um auch in Deutschland Entwicklungen anzustoßen, die in anderen Ländern bereits Ergebnisse zeigen. Dennoch: es gibt Hinweise darauf, dass sich weitere Versuche lohnen könnten.
Verwaltungsvorstände beschäftigen sich nicht mit IT
Wenn in der Vergangenheit die IT Thema im Verwaltungsvorstand war, dann meistens als Kostenfaktor oder Sicherheitsproblem, wenn eine Anwendung nicht zur Verfügung stand. Die Verwaltung ist in nahezu allen ihren Prozessen heute von IT durchsetzt und von ihr abhängig. Der Betrieb der IT ist zur Routine geworden. Die Fragestellungen sind überwiegend operativer Natur.
Verwaltungsvorstände verzichten in der Regel darauf, sich überhaupt mit IT Fragen zu beschäftigen, das überlässt man den Fachleuten. Halt: es gibt eine Ausnahme! Das sind die sozialen Medien und die Frage, wie diese die Kommunikation des Vorstands mit den Bürgern verändern könnten oder sollten. Die Verwaltungschefs oder Beigeordneten, die sich mit eigenen Blogs oder Facebook Accounts zu Worte melden sind aber so zahlreich wie schwarze Schwäne. Will man die IT als Instrument zur Bewältigung der strategischen Herausforderungen in einer Kommune nutzen, muss systematisch IT Kompetenz in den Verwaltungsvorstand Einzug halten.
Braucht die Kommune einen CIO?
Im Juni traf sich auf Einladung der Stadt München der KGSt-Innovations Zirkel kommunaler CIO aus Städten und Kreisen erstmalig. Ein Ergebnis war, dass die beteiligten Kommunen in sehr unterschiedlicher Weise die Aufgaben der Steuerung der IT organisiert haben. Viele, besonders auch kleinere Kommunen vertrauen bei der IT Steuerung auf die Kompetenz und die „Honorigkeit“ ihres Anbieters. Die Kollegen, mit denen man schon lange zusammenarbeitet, werden schon wissen, was wir brauchen. Auch wenn das vielerorts für die Bewältigung des operativen Geschäfts gelten mag, bleiben dabei Innovation und strategische Ausrichtung auf der Strecke.
Angesichts der Bedeutung des Instruments und der Innovationskraft, die von der IT mehr und mehr ausgeht, wird diese Haltung für die nächsten Jahre nicht ausreichen. Kommunen müssen eine IT Strategie entwickeln, die unmittelbar an den Herausforderungen anknüpft, z.B. der Bildungs- oder Sozialpolitik. Die Fragen von Open Government und Social Media einbezieht und die, wie eine sozialpolitische Ausrichtung die Ressourcenfrage mit thematisiert und klärt. Der Ausbau der IT und ihre neue Ausrichtung ist für die Kommunen ein strategischer Entwicklungspfad, an dem sie nicht vorbeikommen werden. Die Rolle (Person), die diese Strategie in der Verwaltung entwickelt und das strategische Konzept umsetzt und fortschreibt, können wir „Beauftragter für die IT-Strategie im Verwaltungsvorstand“ nennen oder auch CIO, benötigen tun wir sie auf jeden Fall.
Wir benötigen eine hohe Qualität der Angebote und Anbieter von IT
Zur Unterstützung der strategischen Entwicklung in den Kommunen gibt es bereits eine ganze Reihe von Anwendungen, viele davon im Ausland, die meisten müssen aber noch erarbeitet werden. Dabei sitzen in den Entwicklungslabors, zum Beispiel bei Fraunhofer FOKUS in Berlin viele engagierte und ideenreiche Menschen, die froh wären, wenn sich innovative kommunale Manager für ihre Arbeit interessieren würden. Nicht für jedes Problem ist die Lösung schon fertig, aber viele technische Möglichkeiten warten darauf in den Kontext einer sinnvollen kommunalen Aufgabenstellung eingebracht zu werden. Hierzu braucht es allerdings eine kontinuierliche Kommunikation zwischen den Entwicklern und den Anwendern, und dabei meine ich nicht die Kollegen in den kommunalen Rechenzentren. Hieraus erwächst Kompetenz für die IT Steuerung, die dem Vorstand ebenfalls mehr Sicherheit dahingehend geben wird, ob man die IT Leistungen in der richtigen Qualität und zum richtigen Preis einkauft.
Der Weg der Innovation verlangt Ressourcen und eine Portion Anstrengung
Jedes Unternehmen weiß, dass es, um im Wettbewerb zu bestehen, immer wieder Investitionen in Innovationen braucht. An der kommunalen Strategie orientierte IT Anwendungen sind nicht in einfachen Wirtschaftlichkeitsrechnungen mit einem kurzfristigen Return on Investment zu belegen. Mittel-und langfristig haben sie sich allerdings einer Untersuchung hinsichtlich ihres Beitrags zur Steigerung der Produktivität, der Qualität der Dienstleistungen oder der Attraktivität einer Kommune zu stellen. Zunächst müssen aber Mittel für innovative IT Projekte zur Verfügung gestellt werden, die sich nicht bereits im nächsten Haushalt entlastend bemerkbar machen.
Entscheidungen für solche Ressourcen sind Entscheidungen in Unsicherheit. Sie sind so gut
wie möglich durch Know-how und Erfahrungen abzusichern, Unsicherheit aber bleibt. Erhebliche Entlastungen beim bürokratischen Aufwand für Prozesse sind für Bürger und Wirtschaft dann zu erwarten, wenn die Abläufe und das Zusammenspiel horizontal wie vertikal neu organisieren und dabei auf die ein oder andere rechtliche Regelung anpassen. Das verlangt Anstrengung bei allen Akteuren und hier und da auch schon einmal das Abschneiden alter Zöpfe. Hierzu gibt das E-Government Gesetz und seine Umsetzung in den Ländergesetzen einen konkreten Auftrag.
Der Bund weiß zu wenig, was in den Kommunen passiert
Der Bund engagiert sich für die Entwicklung des EGovernment in Deutschland. Dabei spielen das Ranking der EU-Staaten dazu und der nach wie vor nachrangige Platz Deutschlands eine nicht unerhebliche Rolle. Bei vielen Projekten, die mit Ressourcen gut ausgestattet sind, fehlt den Kollegen aus den Bundesministerien der Einblick in die kommunale Praxis und die hieraus erwachsenden Anforderungen an Lösungen. Die Folge sind Projekte, die außer Hochglanzbroschüren, dicken Projektergebnisberichten und Beiträgen zum Umsatz von Beratungsunternehmen wenig bis gar keine Effekte haben. Die KGSt unterstützt seit einiger Zeit, neben den kommunalen Spitzenverbänden und in enger Abstimmung mit diesen, systematisch Projekte des IT- Planungsrats, um hier unmittelbar kommunales Know-how einzubringen. So wurde zur Begleitung des Projektes FIM (föderales Informationsmanagement) eine kommunale Arbeitsgruppe eingerichtet, die dem Projekt bei seiner Ausrichtung an praktischen Fragestellungen sehr gut tut. In Zukunft wird es darum gehen, auch die Projekte des IT-Planungsrats an den strategischen Aufgabenstellungen der Kommunen zu orientieren. Das erschließt Ressourcen und schafft gute Beispiele für die Neuaufstellung der kommunalen IT.
Eine Lösung: die Cloud?
Die IT Welt verändert sich weiter. Es scheint so zu werden, dass operative Leistungsangebote in der IT auch für Kommunen zukünftig auf Marktplätzen angeboten werden. Damit werden sie auf der Leistungs- wie auf der Kostenseite vergleichbar. Die Weiterentwicklung der kommunalen Fachanwendungen, der Aufbau von Führungsinformationssystemen, die Steuerung von Leistungspartnern über Service-Level Agreements, First-Level Supports und Schulungen, immer wieder Schulungen sind Aufgaben, die in die Rathäuser gehören. Sie sind in gebotener Professionalität, auch aber auch mit einem Stück erworbener Routine zu erledigen. Die bisher unzureichende Steuerung der Produktivität in diesen Bereichen die nächste Aufgabe, Marktplätze oder Clouds können dabei unterstützen. Damit können Mittel freigemacht werden, die die notwendigen Entwicklungsbudgets für die strategische Ausrichtung der IT finden. Der oft gehörte Grundsatz: „ nicht an der IT sparen, sondern mit der IT“ bekommt dann einen neuen Gehalt. An einigen IT Budgets kann gut gespart werden, damit man an anderer Stelle investieren kann. Die Entwicklung einer kommunalen IT-Strategie mit Blick auf die strategischen Ziele der Kommune und ihre Umsetzung in innovative Anwendungen kann viele Probleme und Herausforderungen lösen helfen. Sie sollte auf der to-do Liste des Verwaltungschefs ganz oben stehen.