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Wind und Sonne sind schwierige Produzenten

Energie, Energiewende

Wir stehen vor einem grundlegenden Umbau unserer Energielandschaft, denn bis zum Jahr 2022 sollen alle Kernkraftwerke in Deutschland endgültig abgeschaltet werden. Bewältigt werden können die neuen Anforderungen nur mit einer leistungsfähigen Netzin-frastruktur. Deshalb brauchen wir einen Ausbau unserer Stromnetze – und dies rasch und in erheblichem Umfang.

Bundesnetzagentur-Drastische-Senkung-der-Terminierungsentgelte_very_largeEin Beitrag von Jochen Homann,
Präsident der Bundesnetzagentur

 

Sicherheit und Zuverlässigkeit der deutschen Stromversorgung sind von elementarer  Bedeutung für unser tägliches Leben. Sie sind ebenso zentral wie notwendig für ein Deutschland, das sich klar zum Industrieland bekennt und auf eine national wie international erfolgreiche deutsche Wirtschaft baut.

Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben und die Belange der Bürger  im Blick zu haben, muss ausreichend Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen stabil erzeugt und sicher zu den Abnehmern transportiert werden. Da bis zum Jahr 2022 alle deutschen Kernkraftwerke endgültig abgeschaltet sein werden und die Stromerzeugung überwiegend durch erneuerbare Energien erfolgen wird, stehen wir vor der großen Herausforderung, die Energiewende erfolgreich zu gestalten.

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Wind und Sonne sind gegenwärtig im Vergleich zu konventionellen Energien schwierige Produzenten. Sie richten sich nicht nach dem aktuellen Verbrauch und speisen ungesteuert ein – und zwar in die Verteilernetze statt in die Übertragungsnetze und somit dort, wo die Energie das Netz üblicherweise verlässt. Die bisher nur als Einbahnstraßen genutzten Verteilernetze müssen daher zu intelligenten Straßen mit Gegenverkehr ausgebaut werden, da sie den Strom nicht nur an die Kunden verteilen, sondern auch von den vielen dezentralen Erzeugern einsammeln müssen.

Dies bedeutet, dass wir vor einem grundlegenden Umbau unserer Energielandschaft stehen. Bewältigt werden können die neuen Anforderungen nur mit einer leistungsfähigen Netzinfrastruktur. Deshalb brauchen wir einen  Ausbau unserer Stromnetze – und dies rasch und in erheblichem Umfang.

Konventionelle Kraftwerke sind große und leistungsfähige Anlagen, die historisch begründet nahe an den industriellen Verbrauchsschwerpunkten im Süden und Westen Deutschlands Strom erzeugen.

Um mit Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse dieselbe Menge an Strom zu erzeugen, sind dagegen viele Erzeugungsanlagen notwendig, die sich oftmals gerade dort besonders wirtschaftlich errichten lassen, wo nur sehr wenig oder gar kein Strom verbraucht wird. Dies gilt insbesondere für Offshoreanlagen, also Windparks auf offener See mit einem sehr hohen Wirkungsgrad  Zudem eignet sich aus diversen Gründen nicht jede Industrieregion und jeder Ballungsraum dazu, dort in ausreichender Menge Windräder und Solarmodule aufzustellen. Die Folge ist, dass die aus Erneuerbaren gewonnene Energie künftig oft über weite Strecken zu den Verbrauchern transportiert werden muss.

Der rasche Zuwachs an regenerativer Energie belastet das Übertragungsnetz bereits heute und macht einen Ausbau der Netze erforderlich. Mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und dem Inkrafttreten des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) im Jahr 2011 wurde ein neues, fünfstufiges Verfahren zur Ermittlung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit und des vordringlichen Bedarfs im Bereich von Höchstspannungsleitungen sowie für deren Planung und Genehmigung eingeführt. Ein wesentliches Ziel dieses Verfahrens ist, die Dauer der Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu verkürzen und zugleich die Transparenz und Akzeptanz des Netzausbaus durch eine umfassende und frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit zu erhöhen.

Ausbaubedarf besteht jedoch nicht nur im Übertragungsnetz. Derzeit werden nahezu 100 Prozent der erneuerbaren Energien auf Verteilernetzebene eingespeist. Diese Leistung muss in das Netz aufgenommen werden, ohne dass die Versorgungssicherheit beeinträchtigt wird. Ein massiver Aus- und Umbau des Mittel- und Niederspannungsnetzes ist damit ebenso unabdingbar. Mittlerweile sind in vielen Teilen des deutschen Netzgebiets sämtliche Kapazitätsreserven bereits durch den Anschluss von Einspeiseanlagen ausgelastet.

Daneben spielt – besonders auf Verteilernetzebene – auch die Ertüchtigung des Netzes durch intelligente Steuerungs- und Kommunikationskomponenten eine wichtige Rolle. Grundsätzliches Problem bei der dezentralen Einspeisung der aus erneuerbaren Quellen stammenden Energie ist die Einhaltung der vorgeschriebenen Spannung an allen Punkten des Netzes. Intelligente Netze, so genannte Smart Grids, sollen die fluktuierende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und den Stromverbrauch ausbalancieren. Im Einzelfall wird der Netzbetreiber entscheiden müssen, ob ein Netzausbau oder eine intelligente Restrukturierung des Netzes vorteilhafter ist.

 

Die neue Verantwortung der Bundesnetzagentur

Durch die Gesetzesnovellierungen im Energiebereich ist die Bundesnetzagentur für die Genehmigung des Szenariorahmens und für die Bestätigung des Netzentwicklungsplans, welche durch die Übertragungsnetzbetreiber jährlich erstellt werden, zuständig. Zudem gibt es eine Verlagerung von Zuständigkeiten der Länder auf die Bundesebene. Diese Bündelung liegt im Interesse einer wirksamen Beschleunigung des Netzausbaus. Für länderübergreifende und grenzüberschreitende Leitungsbauvorhaben ist künftig die Bundesnetzagentur für die Bundesfachplanung und für die Planfeststellung verantwortlich. Die damit vereinheitlichten Verfahren vereinfachen den Gesamtprozess, ermöglichen Synergieeffekte und reduzieren die Verwaltungskosten. Planungsverfahren wie auch die Anerkennung der Kosten für den Netzausbau liegen künftig in einer Hand. Verwaltungsabläufe werden weiter gestrafft und eine schnelle Planungs- und Investitionssicherheit für den Netzausbau sichergestellt. Darüber hinaus gibt es mit der Bundesnetzagentur einen einheitlichen Ansprechpartner für Öffentlichkeit, Behörden und Übertragungsnetzbetreiber.

Das heißt aber nicht, dass die Kommunen im Planungsverfahren keine Rolle mehr spielen. Im Gegenteil – die Aufgabe der Bundesfachplanung lässt sich nur dann bewältigen, wenn Bund, Länder und Kommunen nachhaltig zusammenwirken, um den Netzausbau abzustimmen und zu koordinieren. Die Bundesnetzagentur will die Energiewende durch einen offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern, ein konstruktives Zusammenwirken aller Beteiligten und einen gegenseitigen Austausch von Fachwissen gestalten, um so geplante Vorhaben und kommunale Entwicklungskonzepte in Einklang zu bringen.

Neben der fachlichen Zusammenarbeit im Planungs- und Genehmigungsverfahren gilt es, ein Konzept zu finden, mit dem die Einbußen der betroffenen Kommunen – die beispielsweise Flächen für den Bau neuer Leitungen zur Verfügung stellen müssen – kompensiert werden und mit dessen Hilfe die Akzeptanz von Leitungsbauvorhaben gefördert wird. Oftmals resultieren Akzeptanzprobleme daraus, dass die betroffenen Kommunen und Regionen nicht unmittelbar davon profitieren, dass neue Höchstspannungsleitungen gebaut werden. Hier sind Ausgleichsmechanismen zu entwickeln, die tatsächlich den unmittelbar Betroffenen zu Gute kommen.

 

Die ersten konkreten Schritte in Richtung Netzausbau

Im vergangenen Jahr legten die Übertragungsnetzbetreiber erstmalig den Entwurf eines Netzentwicklungsplans vor. Dieser basiert auf dem im Jahr 2011 von den Übertragungsnetzbetreibern erstellten und von der Bundesnetzagentur genehmigten Szenariorahmen und enthält ein Konzept für ein sicheres und zuverlässiges Übertragungsnetz im Jahr 2022. Die Bundesnetzagentur prüfte die vorgeschlagenen Maßnahmen und bestätigte diejenigen Leitungsvorhaben, bei denen eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit und ein vordringlicher Bedarf bestehen. Der bestätigte Netzentwicklungsplan 2012 wurde der Bundesregierung im November als Grundlage für das Bundesbedarfsplangesetz vorgelegt. Der Bundesbedarfsplanentwurf enthält Neubaumaßnahmen mit einer Gesamtlänge von rund 2.800 Kilometern und die Verstärkung bestehender Trassen auf einer Länge von 2.900 Kilometern. Das NOVA-Prinzip (Netzoptimierung vor –verstärkung vor –ausbau) gewährleistet, dass Optimierungsmaßnahmen Vorrang genießen und beispielsweise alte Leiterseile gegen leistungsstärkere Seile ausgetauscht werden, bevor netzverstärkende Maßnahmen oder Netzausbaumaßnahmen durchgeführt werden. Das Bundesbedarfsplangesetz befindet sich derzeit in der Schlussphase der parlamentarischen Beratungen, das Inkrafttreten ist im Sommer 2013 zu erwarten. Das Gesetz ist zentraler Baustein im Netzausbauverfahren, auf seiner Basis können die Planungs- und Genehmigungsverfahren für die einzelnen Leitungsvorhaben beginnen.

Es ist richtig und wichtig, dass der Szenariorahmen und der Netzentwicklungsplan jährlich neu erstellt werden. Somit kann flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen z.B. hinsichtlich Erzeugung und Verbrauch oder auf technologische Entwicklungen reagiert werden. Dies bedeutet auch, dass Leitungsvorhaben, für die aktuell keine energiewirtschaftliche Notwendigkeit und vordringlicher Bedarf bestehen, in Zukunft durchaus anders eingeschätzt und in künftige Netzentwicklungspläne aufgenommen werden können.

Eine breite Zustimmung  innerhalb der Bevölkerung ist von besonderer Bedeutung für ein erfolgreiches Gelingen der Energiewende und des Netzausbaus. Um diese zu fördern, bindet die Bundesnetzagentur die Öffentlichkeit frühzeitig ein. Neben den zahlreichen gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsstufen und Konsultationsverfahren bieten wir vielfältige Informations- und Dialogveranstaltungen an und stehen als Diskussionspartner zur Verfügung.

Fazit: Im Ergebnis ist es wichtig, dass durch den Netzausbau strukturelle Engpässe bei der Stromübertragung vermieden werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Energie tatsächlich zu den Verbrauchern gelangen kann. Deshalb brauchen wir eine leistungsfähige Netzinfrastruktur, die den wachsenden Herausforderungen der Energiewende gerecht wird.

 

Bild:XtravaganT@fotolia.com