Hamburg bekommt ein neues Wahlgesetz. Anfang der Woche gab das Hamburgische Verfassungsgericht einer Klage recht, die die Drei-Prozent-Hürde für die Bezirksversammlungswahlen in der Hansestadt für verfassungswidrig ansah. Sie entspräche nicht dem Prinzip der Gleichbehandlung und führe zu einer Ungleichgewichtung der Wählerstimmen, urteilten die Verfassungsrichter.
Die Bürgerschaft muss rechtzeitig zu den nächsten Bezirksversammlungswahlen erneut das Wahlgesetz ändern. Das ist die unmittelbare Folge des Urteils des Hamburgischen Verfassungsgerichts. Seit 2009 galt in Hamburg für die Bezirksversammlungswahlen eine Drei-Prozent-Hürde. Von 2004 bis 2009 gab es sogar eine Fünf-Prozent-Hürde. Die Verfassungsrichter urteilten, dass der Anspruch der Parteien und Einzelbewerber auf Chancengleichheit durch diese Klausel beeinträchtigt sei und schafften sie nun wieder ab.
Aus Sicht des Verfassungsgerichts ist es dabei kein Problem, dass es für die Bürgerschaft und den Bundestag eine Fünf-Prozent-Klausel gilt. Unterschiedliche Regelungen seien durchaus verfassungskonform. Entscheidend sei, dass die Funktionsfähigkeit eines Parlaments nicht durch Splitterparteien, Wählerinitiativen und Einzelbewerber beeinträchtigt wird. Im Falle der Bürgerschaft, und sicherlich auch des Bundestages, sehen die Verfassungsrichter instabile und wechselnde Mehrheiten als Gefahr für den funktionierenden Ablauf der Beratungen und Entscheidungen an.
„Die Gefahr ist bei den Bezirksversammlungen eher gering“, sagte Gerichtspräsident Pradel und verwies auf die zahlreichen Kommunen, in denen es keine Sperrklausel gebe. „Im Frankfurter Stadtrat sitzen 13 Parteien, und das führt nicht zur Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit“, so der Vorsitzende. Ähnlich sei die Lage in Köln, Düsseldorf oder München.
Ein entscheidender Punkt kommt aus Sicht des Verfassungsgerichts hinzu: Zwar werden die Bezirksabgeordneten durch allgemeine Wahl bestimmt. „Aber die Bezirksversammlungen sind keine Volksvertretungen im Sinne des Grundgesetzes“, sagte Pradel. Die Bezirksversammlungen seien nur Teil der Bezirksämter. „Ihr rechtlicher Status ist der eines Verwaltungsausschusses“, so Pradel. Anders als Gemeinde- und Stadträte hätten sie keine originären Aufgaben und keine Personal- oder Finanzhoheit.
Gegen die Sperrklausel hatte ein 51 Jahre alter Hamburger, der der Piratenpartei angehört, geklagt. Er forderte in seiner Klage, dass auch die Bezirksversammlungswahl vom Februar 2011 wiederholt werden müsse. Dies lehnten die Richter allerdings ab. Sie erklärten, dass die Bürger im Vertrauen auf die damals noch existierende Drei-Prozent-Hürde ihre Wahlentscheidung getroffen haben. „Hier gilt Bestandsschutz“, betonte Gerichtspräsident Pradel. eine nachträgliche Änderung der Sitzverteilung eine Wahlverfälschung ergäbe.
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