Heute treten neue Regeln in Kraft, die dafür sorgen sollen, dass die EU-Bürger über große Gefahren durch Industrieanlagen in ihrer unmittelbaren Umgebung besser informiert werden.
Die Regeln sind Bestandteil einer Überarbeitung der sog. Seveso-Richtlinie, einem Instrument des industriellen Risikomanagements, das an die jüngsten Änderungen der internationalen und der europäischen Einstufung von Chemikalien angepasst wird. Durch die Richtlinie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Notfallpläne für Gebiete in der Umgebung von Industrieanlagen zu erarbeiten, in denen sich große Mengen gefährlicher Stoffe befinden.
Insbesondere ergeben sich für die Bürger folgende Verbesserungen:
- besserer Zugang zu Informationen über die Gefahren aus der Tätigkeit nahegelegener Industrieanlagen sowie über Verhaltensregeln bei einem Unfall; dies erhöht auch das Vertrauen in die Tätigkeit dieser Unternehmen;
- wirksamere Vorschriften über die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit in Planungsvorhaben im Zusammenhang mit Seveso-Anlagen;
- Zugang zu Gerichten für die Bürger, denen keine ausreichende Möglichkeit zur Information oder zur Teilnahme gewährt wurde;
- strengere Maßstäbe für die Inspektion von Betrieben zur wirksameren Durchsetzung von Sicherheitsvorschriften
Künftig müssen öffentliche Informationen über Risiken elektronisch bereitgestellt werden. Alle Betriebe, die unter diese Richtlinie fallen, müssen darüber informieren, wie der Alarm ausgelöst wird und wie sich die Bürger im Falle eines schweren Unfalls verhalten sollen. Beim Auftreten eines Unfalls müssen die zuständigen Behörden jeden informieren, der davon betroffen sein könnte, und die wichtigste Maßnahmen angeben, die in diesem Fall zu treffen sind. Durch die Änderung der Gesetze zur Flächennutzungsplanung wird bei der Planung von neuen Betrieben und von Infrastrukturen in der Nähe bestehender Betriebe ein geeigneter Sicherheitsabstand eingeführt. Die Verfahrensvorschriften für die öffentliche Anhörung zu Vorhaben, Plänen und Programmen wurden verschärft. Künftig müssen Behörden und Betriebe, die große Unfallpotenziale bewerten und Maßnahmen zu deren Verhütung treffen, etwaige größere Risiken durch die Nähe zu anderen Industrieansiedlungen und mögliche Auswirkungen auf benachbarte Anlagen stärker berücksichtigen.
Die Mitgliedstaaten müssen diese Vorschriften ab 1. Juni 2015 anwenden; ab diesem Zeitpunkt treten in Europa auch die neuen Rechtsvorschriften zur Einstufung von Chemikalien in vollem Umfang in Kraft.
Hintergrund
Die Seveso-Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen stammt aus dem Jahr 1982. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass alle unter diese Richtlinie fallenden Betreiber über ein Konzept zur Verhütung schwerer Unfälle verfügen. Betreiber, die beim Umgang mit gefährlichen Stoffen bestimmte Mengenschwellen überschreiten, müssen regelmäßig die Öffentlichkeit informieren, die von einem Unfall betroffen sein könnte, und Sicherheitsberichte erstellen sowie über ein Sicherheitsmanagementsystem und einen internen Notfallplan verfügen. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass für die Umgebung Notfallpläne vorliegen und Maßnahmen zur Begrenzung von Unfallfolgen geplant sind. Diese Ziele sind auch bei der Flächennutzungsplanung zu berücksichtigen.
Außerdem gilt die Richtlinie als entscheidender Faktor für die Verringerung der Wahrscheinlichkeit und der Auswirkungen schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, denn die Zahl der gemeldeten Unfälle ging trotz der gestiegenen Zahl entsprechender Betriebe zwischen 2000 und 2008 um 10 % zurück. Dieses Konzept wurde weltweit übernommen.