Das Modellvorhaben „Land(auf)Schwung“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zielt darauf ab, strukturschwache ländliche Regionen bei der Bewältigung des demografischen Wandels vor Ort zu unterstützen. Eckpunkte sind die Stärkung der regionalen Wertschöpfung und die Sicherung der Daseinsvorsorge, ein Schwerpunkt liegt auf interkommunaler und interregionaler Zusammenarbeit. Der Landkreis Greiz leistet mit der Förderung Erstaunliches – lassen Sie sich inspirieren!
Als eine von insgesamt 13 Siegerregionen ging der Landkreis Greiz im Jahr 2015 aus dem Wettbewerb des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hervor. 1,5 Millionen Euro gibt der Bund über drei Jahre verteilt zusätzlich zu bereits bestehenden Förderinstrumentarien an den Landkreis. Mindestens die gleiche Summe wollen regionale Partner investieren. Der Landkreis Greiz konnte in erster Linie dadurch überzeugen, dass nicht allgemeine Konzepte, sondern konkrete Projekte im Fokus standen, die seit Förderbeginn zielstrebig umsetzt werden. Federführend bei der Projektauswahl im Modellvorhaben ist die LEADER Aktionsgruppe Greizer Land e.V., die private, öffentliche und gewerbliche Partner, Vereine und Sozialträger vereint. Das Landratsamt stellt einen Förderlotsen, damit die zugesagten 1,5 Millionen Euro durch Nutzung weiterer Förderprogramme – wenn möglich – in der Region in größerem Umfang investitionswirksam werden. Bis jetzt ist das sehr gut gelungen, wie unter anderem folgende Beispiel-Projekte beweisen.
„Von der Regio-Kiste zur Öko-Marktgemeinschaft”
Das von Individualisten ausgehende, durch kleinunternehmerisches und ehrenamtliches Engagement getragene Projekt „Von der Regio-Kiste zur Öko-Marktgemeinschaft” bietet Kleinerzeugern eine professionelle Vermarktungsplattform an. Es hat sich zu einer professionellen Unternehmensform entwickelt, trägt zur Erhaltung regionaler Arbeitsplätze bei und schafft sogar neue. Diese positive Entwicklung wird dadurch ermöglicht, dass die gesamte Wertschöpfungskette aus der Region gestaltet wird: vom Anbau über die Erstverarbeitung bis zur Herstellung von küchenfertigen Bio-Gerichten – einschließlich der Logistik. Der Kundenzuspruch und die öffentliche Resonanz sind beeindruckend und das entstandene Netzwerk mit ganz unterschiedlichen Akteuren entwickelt sich stetig weiter. So entstanden 2016 in Braunichswalde und Altgernsdorf zwei Regioküchen, um lokal erzeugte Produkte weiter zu verarbeiten. Land(auf)Schwung-Mittel flossen beispielsweise in Technik zur Konservenherstellung, Waagen und Küchengerätschaften.
Absicherung des Nahverkehrs
Die Absicherung des Nahverkehrs als eine wesentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge ist ein großes Thema im ländlichen Raum. Der Landkreis Greiz zielt darauf ab, die klassischen ÖPNV-Angebote durch Schaffung innovativer und weitestgehend individueller Mobilität zu ergänzen. Insbesondere für weniger mobile Bevölkerungsgruppen ist es problematisch von A nach B zu kommen. Gerade in kleinräumigen Gebieten des Landkreises und in Zeiten geringer Auslastung ist eine umfassende Versorgung mit klassischen Angeboten des Nahverkehrs kaum noch abzusichern beziehungsweise wirtschaftlich darstellbar. Das Projekt „E-Mobilität“ erleichtert seit 2015 den weniger mobilen Bevölkerungsgruppen den Zugang zu Fahrdienstleistungen. Durch den Aufbau eines Elektrofahrzeugpools und dessen flexiblen Einsatz können nun die Ortslagen einer Landgemeinde untereinander und mit dem benachbarten Mittelzentrum Stadt Greiz verbunden werden. Kooperationen mit lokalen Partnern zum Fahrzeugwechsel und Verbleib wie Krankenhäuser, Ärzte, kommunalen Einrichtungen sind besprochen und bilden ein Servicenetz für die Bürger. Mit kostenlosen Stellflächen für E-Mobile wurde ein zusätzlicher Anreiz geschaffen.
„Vom Feld zum Gaumen“
Das Projekt „Vom Feld zum Gaumen – integrativ gestalten und erleben“ konnte ebenfalls 2015 erfolgreich gestartet werden. Ziel ist es, vor Ort die Verarbeitung von selbstgeernteten Früchten zu ermöglichen und der Bevölkerung Erlebnis- und Mitmachangebote zu unterbreiten. Eine Mostmaschine wurde angeschafft und bauliche Maßnahmen wurden vor Ort durchgeführt. Die entstandene Mosterei spricht Bürger an, die eigene Früchte für den eigenen Bedarf verarbeiten lassen möchten. Bedingt durch den ausgeprägten Mitmach- und Erlebnischarakter sowie die Verarbeitung klassischer Feldfrüchte der Region hat das Vorhaben einen besonders identitätsstiftenden Charakter. Angesichts eines zunehmenden Bewusstseins der Bevölkerung für Qualität und die Herkunft der Produkte gilt es, die Potenziale kleinräumiger Versorgung mit regionalen Produkten verstärkt zu aktivieren. Dieses Projekt ist ein Baustein dafür. Geplant ist überdies in Kooperation mit dem Verein „Lebenshilfe e.V.“ zehn bis 15 Menschen mit Behinderung in Teilzeit zu beschäftigen.
Eventhof Gräfenbrück
Zu den langfristigen Entwicklungszielen im Landkreis Greiz zählt auch die Gestaltung individuellen Lebens unter Nutzung historischer Bausubstanz. In Gräfenbrück werden derzeit zwei verlassene Vierseithöfe zu einem Eventhof umgestaltet. Neben einer Mitmachküche sind ein Hofladen, Ferienwohnungen und eine Reithalle geplant. Unter dem Aspekt der weiteren Sicherung der Daseinsvorsorge sollen die historischen Gebäude ebenso etwa zur Tagespflege, für altersgerechtes Wohnen oder für Angebote der Gesundheitsvorsorge nutzbar gemacht werden. Zentraler Ansatzpunkt ist dabei die gezielte Einbindung unternehmerischen Kapitals und unternehmerischen sowie ehrenamtlichen Engagements.
Ausblick
An Ideen, der Entwicklung im ländlichen Raum mit weiteren Projekten neuen Schwung zu geben, mangelt es im Landkreis Greiz nicht. Für die in Aussicht gestellte Verlängerung des Modellvorhabens wurde vorsorglich schon einmal Bedarf angemeldet.
Autorin: Martina Schweinsburg ist Landrätin des Landkreises Greiz in Thüringen und Präsidentin des Thüringer Landkreistags
Der Beitrag ist in der Januar-Ausgabe der KOPO erschienen.