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Meseberger Erklärung zur Integration

Allgemein, Innenpolitik

Die Bundesregierung hat heute das Integrationsgesetz beschlossen, das Flüchtlingen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern und sie zugleich bei der Integration in die Pflicht nehmen soll. Die „Meseberger Erklärung zur Integration“ erläutert das Integrationskonzept ausführlich:

„Deutschland ist ein starkes und weltoffenes Land. Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund haben in der Vergangenheit ihren Platz in unserer Gesellschaft gefunden. Jetzt gilt es, von den vielen Menschen, die in jüngerer Zeit zu uns gekommen sind, diejenigen in unser Land zu integrieren, die über längere Zeit Schutz bei uns finden. Das schnelle Erlernen der deutschen Sprache, die zügige Integration in Ausbildung, Studium und den Arbeitsmarkt, das Verständnis für und die Beachtung der Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens sowie die Einhaltung unserer Gesetze sind unabdingbar für eine erfolgreiche Integration. Die neu Angekommenen sollen zu guten Nachbarn und Bürgern werden. So wird es uns gelingen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und Parallelgesellschaften in unserem Land zu verhindern.

Bei der Bewältigung dieser Aufgabe starten wir nicht bei null. Wir haben bereits in der Vergangenheit viele Instrumente und Maßnahmen entwickelt, um Integration erfolgreich und aktiv zu unterstützen. In Reaktion auf die besonderen Herausforderungen der Flüchtlingslage hat die Bundesregierung weitere wichtige Weichen gestellt. Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz haben wir die Grundlagen für einen frühen Beginn von Integrationskursen und anderen Integrationsmaßnahmen für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive bereits während des laufenden Asylverfahrens geschaffen. Auch den Zugang zum Arbeitsmarkt haben wir erleichtert und die Mittel für die Jobcenter sowie für Sprachfördermaßnahmen erheblich erhöht.

Kern unserer integrationspolitischen Maßnahmen ist das Prinzip des Förderns und Forderns. Integration ist ein Angebot, aber auch eine Verpflichtung zu eigener Anstrengung. Integration kann nur als wechselseitiger Prozess gelingen. Sie setzt die Aufnahmebereitschaft der einheimischen Bevölkerung voraus, aber auch die Bereitschaft der Zugewanderten, die Menschen, die Gesellschaft und die Regeln des Aufnahmelands zu respektieren und sich um ihre eigene Integration aktiv zu bemühen.

Ein wesentlicher Leitgedanke unserer Integrationspolitik ist die Gerechtigkeit sowohl gegenüber denjenigen, die als Flüchtlinge bei uns anerkannt wurden, als auch gegenüber der einheimischen Bevölkerung. Deshalb werden wir weiterhin überall dort, wo Teile der einheimischen Bevölkerung einen gleichartigen Förderbedarf haben wie Flüchtlinge, etwa beim Wohnungsbau, bei Kinder- und Ganztagsbetreuung sowie schulischer Bildung oder bei der Ausbildungsförderung und Arbeitsmarktintegration, die Fördermaßnahmen so ausgestalten, dass sie beiden Gruppen zugutekommen. Der Integrationskraft von Frauen und Familien kommt besondere Bedeutung zu. Ihre besonderen Belange wollen wir deshalb berücksichtigen.

Die Bundesregierung verknüpft die Integration in Deutschland auch mit außen-, entwicklungs-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen in den Herkunfts-, Erstaufnahme und Transitländern. Diese umfassen Humanitäre Hilfe und Flüchtlingshilfe in Krisenregionen, den Ausbau von Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, Wirtschaftsförderung, den Ausbau von Infrastruktur, die Stärkung staatlicher Strukturen sowie die Unterstützung politischer Prozesse zur Konfliktlösung.

Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Erfolgreiche Integration entscheidet sich bei jedem einzelnen Menschen vor Ort, in einer bestimmten Umgebung und in persönlichen Kontakten. Daher sind unser aller Einsatz und das Engagement aller gesellschaftlichen Akteure so wichtig. Der Staat muss einen vernünftigen Rahmen für Integration gewährleisten. In diesem Zusammenhang wollen wir auch die Chancen, die der ländliche Raum bei der Integration bietet, angemessen berücksichtigen. Auch kulturelle Integration trägt dazu bei, dass die Zugewanderten ihre neue Umgebung verstehen und dass sie hier verstanden werden.

Die Bundeskanzlerin hat am 22. April 2016 mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder ein „Gemeinsames Konzept von Bund und Ländern für die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen“ beschlossen. Dabei geht es einerseits um die Verdeutlichung eines ebenenübergreifenden schlüssigen Gesamtansatzes, wonach gesetzliche Maßnahmen im Bund und in den Ländern, Bundes- und Landesprogramme sowie konkrete Projekte und Strukturen vor Ort erkennbar Teil eines Ganzen sind. Andererseits soll das erprobte Instrumentarium – vor allem in den Bereichen Sprachförderung, Integrationskurse, Bildung, Ausbildung, Studium und Arbeitsmarkt sowie beim Wohnungsbau – passgenau eingesetzt, praxisgerecht verzahnt und über die nächsten Jahre zielgerichtet ausgebaut werden.

Zusätzlich ergreift der Bund gesetzliche Maßnahmen, um die Leitlinie des Förderns und Forderns noch konsequenter um- und durchzusetzen. Mit dem heute beschlossenen Entwurf eines Integrationsgesetzes sowie dem Entwurf einer Verordnung zum Integrationsgesetz werden die Fördermöglichkeiten und Pflichten des Einzelnen zielgerichtet definiert und rechtliche Konsequenzen für fehlende oder besondere Integrationsbemühungen klar geregelt. Konkret umfasst sind insbesondere folgende Verbesserungen:

  • Sprach- und Wertevermittlung sind zentrales Fundament für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft sowie in Bildung, Ausbildung, Studium und Arbeitsmarkt. Daher werden wir die Zugangsmöglichkeiten für die Teilnahme an Integrationskursen verbessern. Die Möglichkeit, Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte zur Teilnahme am Integrationskurs zu verpflichten, wird erweitert beziehungsweise für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive neu geschaffen. Der Spracherwerb soll so früh wie möglich erfolgen. Das Integrationsgesetz setzt hierfür Anreize, indem der Teilnahmeanspruch an einem Integrationskurs künftig nach einem statt nach bisher zwei Jahren erlischt. Zusätzlich werden in der Integrationskursverordnung die Voraussetzungen für höhere Kurskapazitäten, mehr Transparenz und eine effizientere Steuerung des Integrationskurssystems geschaffen. Beispielsweise werden Integrationskurse künftig schneller zustande kommen – statt bisher nach drei Monaten künftig spätestens nach sechs Wochen. Der Orientierungskurs wird von bisher 60 auf 100 Unterrichtseinheiten aufgestockt und inhaltlich stärker auf die Wertevermittlung ausgerichtet.
  • Mit der Wohnsitzzuweisung wird eine gleichmäßigere Verteilung der Schutzberechtigten ermöglicht. Sie verfolgt gleichermaßen die Ziele der Sicherstellung der Integration, der Vermeidung von integrationshemmender Segregation und der Vermeidung von sozialen Brennpunkten.
  • Integrationsmaßnahmen sollen frühzeitig ansetzen. Mit dem Arbeitsmarktprogramm „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ werden für Leistungsberechtige nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 100.000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten aus Bundesmitteln geschaffen. Dies ermöglicht eine sinnvolle und gemeinnützige Betätigung schon während des Asylverfahrens und bewirkt zugleich eine niedrigschwellige Heranführung an den Arbeitsmarkt. Mit Blick auf die Rückkehrpflichten in ihre Heimat gilt das Programm nicht für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sowie für vollziehbar ausreisepflichtige Personen.
  • Um die Integration in den Arbeitsmarkt noch weiter zu erleichtern, wird für Gestattete mit guter Bleibeperspektive, für Geduldete ohne Beschäftigungsverbot und für Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel der Zugang zu Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – befristet bis Ende 2018 – erheblich erleichtert.
  • Wir schaffen zudem mehr Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe. Künftig erhält der Auszubildende eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung. Die bisher bestehende Altersgrenze für den Beginn der Ausbildung wird aufgehoben. Um Missbrauch zu vermeiden, erlischt der Status automatisch bei Abbruch der Ausbildung. Nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung erhält der Geduldete eine weitere Duldung für die Dauer von sechs Monaten zur Arbeitsplatzsuche. Für eine anschließende Beschäftigung wird eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre erteilt. Im Falle der strafrechtlichen Verurteilung wird die Aufenthaltserlaubnis widerrufen.
  • Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird weiter erleichtert. Für einen Zeitraum von drei Jahren wird bei Asylbewerbern und Geduldeten in Abhängigkeit von der regionalen Arbeitslosigkeit und unter Beteiligung der Länder gänzlich auf die Vorrangprüfung verzichtet. Dies ermöglicht zugleich die Zulassung für eine Tätigkeit in der Leiharbeit.
  • Wir haben außerdem Mitwirkungspflichten bei Integrationsmaßnahmen festgelegt. Ablehnung und Abbruch von Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen und Integrationskursen ohne wichtigen Grund haben Leistungseinschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz zur Folge.
  • Auch das Leistungssystem des Asylbewerberleistungsgesetzes haben wir angepasst. Bestimmtes Fehlverhalten ist künftig mit Leistungskürzungen verbunden. Die Verschleierung von einzusetzendem Vermögen wird künftig weiter erschwert.
  • Künftig wird die Aufenthaltsgestattung mit dem Erhalt des Ankunftsnachweises entstehen, um bisher bestehende Unsicherheiten in der Praxis zu beseitigen. Damit stellen wir sicher, dass Asylsuchende rechtssicher und frühzeitig unter anderem Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsleistungen bekommen. Zusätzliche Änderungen des Asylgesetzes ermöglichen, die Prozesse im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch effizienter auszugestalten.
  • Einen umfassenden Integrationsanreiz setzen wir schließlich mit Blick auf die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis. Diese wird künftig nur erteilt, wenn der anerkannte Flüchtling Integrationsleistungen erbracht hat.

 

Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, erhalten in den Unterbringungseinrichtungen Fürsorge und Obhut. Dabei wurde und wird bei Betreuung und Unterbringung auch auf die unterschiedliche Herkunft dieser Flüchtlinge, Geschlecht, Alter und Familienstand Rücksicht genommen, soweit dies aufgrund der großen Zahl aufzunehmender Flüchtlinge möglich war und ist.

Übergriffe auf Frauen, Kinder und andere Schutzbedürftige werden wir nicht akzeptieren, ganz gleich ob sie gegen Bürger unseres Landes oder gegen Flüchtlinge gerichtet sind. Deshalb hat die Bundesregierung Übergriffe auf Frauen, wie z.B. in der Silvesternacht scharf verurteilt und durch Änderung von Gesetzen schnell reagiert. Auch Übergriffen in Flüchtlingsunterkünften muss konsequent entgegengewirkt werden. Der Bund wird gemeinsam mit den Ländern zeitnah prüfen, inwieweit eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist, um diesen Schutz zu gewährleisten.

Auch die Asylsuchenden ohne eine gute Bleibeperspektive sollen während ihres Aufenthalts in unserem Land Orientierung erhalten. Für diese Zielgruppe soll daher ein Orientierungsangebot zunächst als Pilotprojekt in der 2. Jahreshälfte 2016 geschaffen werden. Ausgeschlossen bleibt, wer aus einem sicheren Herkunftsland kommt.

Die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in den öffentlichen Verwaltungen bleibt ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. Auf Grundlage der voraussichtlich im Sommer 2016 vorliegenden Auswertung der Erhebung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung werden wir weitere Maßnahmen prüfen.

Wir werden schließlich noch den Nationalen Integrationspreis schaffen, um Kommunen, Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen zu würdigen, die sich in beispielgebender Weise um die Integration von Migrantinnen und Migranten verdient gemacht haben. Der Preis wird jährlich von der Bundeskanzlerin verliehen.“

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