Kopo

Religionspolitik heute – Ringvorlesung in Münster gibt Impulse

Allgemein, Innenpolitik

Nach den Anti-Islam-Äußerungen der AfD appellieren Politikwissenschaftler an die großen Volksparteien, sich dem „lange vernachlässigten Feld der Religionspolitik“ zuzuwenden. „Wir haben ein hohes Niveau der Polarisierung erreicht. Jetzt sollten alle Parteien eine offene und sachliche Debatte über die Rolle der christlichen Kirchen, des Islams und anderer religiöser Minderheiten sowie der Konfessionslosen führen“, sagte der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Willems vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster.

Der Wissenschaftler kündigte eine neue öffentliche Reihe „Religionspolitik heute“ des Exzellenzclusters und des Centrums für Religion und Moderne (CRM) der WWU mit Vorträgen und Podien ab dem 10. Mai in Münster an, die eine differenzierte Debatte über religionspolitische Grundsatzfragen und aktuelle Konflikte und Lösungswege stärken will. „Wir ziehen auch internationale Beispiele heran, da andere Länder in der Religionspolitik weiter sind als Deutschland“, so Prof. Willems.

Als Religionspolitik sind all jene politischen Prozesse und Beschlüsse zu verstehen, die die individuelle Praxis und kollektive Ausdrucksformen von Religion ebenso regeln wie den öffentlichen Status von Religionsgemeinschaften und religiösen Symbolen.

Die deutsche Politik habe die Bevölkerung nicht rechtzeitig auf die Religionsvielfalt vorbereitet und religionspolitische Debatten und Entscheidungen vermieden. Die Konflikte würden stattdessen den Gerichten überlassen. Dabei bestehe erheblicher Problemdruck, wie die Konflikte um Kopftuch, Schächten, Beschneidung, Islamunterricht oder Moscheebau zeigten. Der Politikwissenschaftler plädiert dafür, konsensfähige Regeln für die religiösen Praktiken verschiedener Religionsgemeinschaften in demokratischen Verfahren zu entwickeln.

Die Politik sei gut beraten, bundesweit Diskussionsprozesse über allgemeine und konkrete religionspolitische Fragen in Gang zu bringen, wie dies in Kanada gelungen sei, so Willems. „Entscheidend ist es, in welchen Verfahren und Foren sich religionspolitische Debatten und Entscheidungen künftig organisieren lassen.“ Ein Anfang sei die Deutsche Islam Konferenz (DIK) in Berlin. Weitere Foren, auch auf Länder- und Kommunenebene, sollten folgen.

„Nur wenn die Bevölkerung ein Verständnis für die Realität der religiösen Vielfalt entwickelt, können Abwägungsprozesse um die Rechte religiöser und nicht-religiöser Mehrheiten und Minderheiten gelingen, etwa hinsichtlich religiöser Bekleidungsvorschriften oder Feiertagen“, so Willems. Andernfalls nehme die christliche und konfessionslose Mehrheit Forderungen der muslimischen Minderheit so wahr, als wolle sie Sonderrechte durchsetzen oder als sei die säkulare Grundordnung in Gefahr. „Umgekehrt meinen Minderheiten, sie würden nicht anerkannt und von Mehrheitstraditionen bestimmt.“

Der Wissenschaftler hat die Ringvorlesung „Religionspolitik heute. Problemfelder und Perspektiven in Deutschland“ gemeinsam vorbereitet mit dem Religionssoziologen und Sprecher des Exzellenzclusters, Prof. Dr. Detlef Pollack, der Leiterin des Zentrums für Wissenschaftskommunikation, Viola van Melis, und dem Historiker und wissenschaftlichen Mitarbeiter im CRM, Dr. Daniel Gerster. In der öffentlichen Ringvorlesung „Religionspolitik heute“ sprechen Vertreterinnen und Vertreter der Politik-, Rechts- und Geschichtswissenschaft, Soziologie, Theologie und Kommunikationswissenschaft in Vorträgen und Kommentaren. Die Veranstaltungen finden dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 in Münster statt. Den Eröffnungsvortrag hält Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Willems am 10. Mai 2016 unter dem Titel „Religionspolitik heute. Eine Einführung in aktuelle Problemfelder und Positionen“.

Tags: , ,

Artikel drucken

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren