Die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland und auch in Berlin um Schutz und Asyl nachsuchen, ist in den letzten Monaten stark angestiegen. So hat Berlin alleine im Juli dieses Jahres 4.106 Menschen neu aufgenommen. Damit wurden nach dem Königsteiner Schlüssel in diesem Jahr bereits 15.598 Asylsuchende nach Berlin verteilt. Das sind schon 3.400 mehr als im gesamten letzten Jahr. Um die Unterbringung, Versorgung und Integration der Flüchtlinge und Asylsuchenden weiter zu verbessern, hat der Senat jetzt ein gesamtstädtisches Konzept beschlossen.
Unter anderem ist vorgesehen, für die Schaffung dringend benötigter zusätzlicher Unterkünfte künftig stärker als bisher geeignete landeseigene Immobilien und Grundstücke zu nutzen und diese für die Unterbringung von Flüchtlingen zu ertüchtigen. Damit wird vor allem auch das Ziel verfolgt, bei der Auswahl der Betreiber unabhängig sein zu können. Um schneller neue Unterkünfte in Betrieb nehmen zu können, sollen zudem standardisierte Gebäude in Modulbauweise an 36 Standorten in den kommenden zwei Jahren errichtet werden.
Darüber hinaus soll die Vermittlung von Mietwohnungen an Flüchtlinge weiter ausgebaut werden. Hierzu hat das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) die Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) vertraglich verlängert und erweitert. Seit 2011 konnte die Zahl der in Wohnungen vermittelten Flüchtlinge jährlich gesteigert werden, für das laufende Jahr rechnet der Senat mit rund 1.550 vermittelten Menschen. Dies wäre eine weitere Erhöhung der Wohnungsvermittlung.
Großen Raum im Konzept nehmen der Ausbau der Beschulung und die Betreuung von Flüchtlingskindern ein. Als wichtigstes Ziel nennt der Senat die Sicherstellung der Beschulung der Flüchtlingskinder und Jugendlichen in Regelschulen, um eine schnellstmögliche Integration in den schulischen Alltag zu unterstützen. Hierfür sollen in allen Schulregionen regionale Anlaufstellen zur Sicherung des zeitnahen Beginns des Schulbesuchs eingerichtet werden. Auch die allgemein- bzw. schulärztlichen Untersuchungen vor Besuch der Schule werden sichergestellt. Zu den weiteren angestrebten Maßnahmen gehören u. a. die konzeptionelle Weiterentwicklung des Landesprogramms „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“ mit dem Schwerpunkt „Jugendsozialarbeit mit besonderen Aufgaben“ und die Ausstellung des „berlinpass-BuT“ durch die Schulen selbst. Die Bildungsverwaltung hat auch Vorhaben im Bereich der Oberstufenzentren, bei den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, im Rahmen der Familienförderung sowie bei der Jugend- und Jugendsozialarbeit in das Konzept aufgenommen.
Der Senat bekennt sich ausdrücklich zu einer gelebten Willkommenskultur. Um diese zu festigen, soll die Teilhabe der Flüchtlinge am sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben gefördert und es sollen Instrumente entwickelt werden, die den Flüchtlingen die Vertretung ihrer berechtigten Interessen, etwa als Bewohnerinnen und Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften, erleichtert. Weitere Maßnahmen sind bei der Beteiligung des Wohnumfelds und der Einbindung bürgerschaftlichen Engagements beabsichtigt. Dafür soll das berlinweite Netz der Stadtteilzentren sukzessive auf bisher unterversorgte Regionen ausgedehnt werden. Dazu wurden vom Berliner Abgeordnetenhaus für den Doppelhaushalt 2014/15 weitere 500.000 € zur Verfügung gestellt, weitere 600.000 € sind im Haushaltsbeschluss für 2016/17 vorgesehen. Die Bezirksverwaltungen werden durch jeweils zwei Beschäftigungspositionen verstärkt, um die dezentrale Flüchtlingsarbeit zu unterstützen.
Für interessierte Bürgerinnen und Bürger, die im Rahmen des ehrenamtlichen Engagements Flüchtlingen helfen wollen, wird mit der Stiftung „Gute Tat“ ein „Rotes Telefon der Flüchtlingshilfe“ unter der Hotline-Nummer 390 88 399 geschaltet. Hier erfahren hilfsbereite Freiwillige, wo und wie sie helfen können.
Einen weiteren Schwerpunkt im Senatskonzept bildet die Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeitsmarkt. So ist u. a. die Schaffung einer zentralen Anlauf- und Koordinierungsstelle bei der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen geplant, die für die Anpassung und Fortentwicklung des Regelsystems zur Unterstützung der beruflichen Integration von Flüchtlingen behilflich ist. Ziel ist es, die Angebote und Maßnahmen der Arbeitsmarktakteure abzustimmen und zu verzahnen. Dies betrifft Angebote des Landes, von Kammern, Innungen, Arbeitsagenturen und JobCentern sowie von Maßnahmeträgern der Flüchtlingshilfe und von Qualifizierungsprojekten. Um die erste Orientierung der geflüchteten Menschen zu erleichtern werden in jedem Bezirk speziell für diese Zielgruppe Integrationslotsen eingestellt.
In Übereinstimmung mit den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels, bei dem auf Bundesebene die Konsequenzen aus dem anhaltend hohen Zuzug von Asylsuchenden nach Deutschland erörtert wurden, sollen die Anstrengungen zur Integration für anerkannte Schutzberechtigte ebenso wie für Asylsuchende und Geduldete mit jeweils guter Bleibeperspektive (das betrifft insbesondere syrische Bürgerkriegsflüchtlinge) intensiviert werden. Dies gilt zentral im Bereich der Sprachförderung. Durch eine mobile Bildungsberatung sollen die beruflichen Qualifikationen der in Berlin aufgenommenen Flüchtlinge möglichst frühzeitig festgestellt und eine gezielte Beratung über individuelle Fördermaßnahmen ermöglicht werden.
Schließlich soll – wie bereits in den beiden übrigen Stadtstaaten Hamburg und Bremen – auch in Berlin die medizinische Versorgung von Flüchtlingen zukünftig durch die Ausgabe einer Gesundheitskarte vereinfacht und verbessert werden. Ziel ist es, dies im vierten Quartal 2015 zu erreichen.
Die Maßnahmen des Flüchtlingskonzepts werden über den laufenden und über den Haushaltsplan 2016/17 abgesichert. Bereits heute hat der Senat Sofortmaßnahmen in einem Umfang von 3 Mio. € beschlossen.