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Der Kampf gegen den Investitionsstau

Finanzen

Teile von Deutschlands Infrastruktur sind in einem alarmierenden Zustand. Von bröckelnden Brücken bis hin zu sanierungsbedürftigen Schulen und Kitas – der Investitionsstau ist offensichtlich. Doch wie können Kommunen mit angespannter Haushaltslage diese Herausforderungen bewältigen? Der Beitrag wirft einen Blick auf innovative Finanzierungsmöglichkeiten und Partnerschaftsmodelle, um die dringend benötigten Investitionen anzukurbeln und die Infrastruktur unseres Landes zu modernisieren.

Marode Straßenbrücken, permanente Verspätungen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, sanierungsbedürftige Kitas und Schulen: Es ist mittlerweile Konsens, dass sich in der öffentlichen Infrastruktur in Deutschland ein gewaltiger Investitionsstau gebildet hat. Eine Hauptlast der erforderlichen Investitionen entfällt dabei auf die Städte und Gemeinden, deren Finanzsituation zumeist sehr angespannt ist.
Hinzu kommt die Energiewende, für die enorme Investitionen in die Transformation der Wirtschaft getätigt werden müssen. Um bis 2040 klimaneutral zu werden, sind Netze umzurüsten und die Energieversorgung auf erneuerbaren Quellen umzustellen. Nach Schätzungen von Deloitte und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sind hierzulande bis zum Jahr 2030 Investitionen in einer Höhe von 600 Milliarden Euro erforderlich. Trotz eines leichten Aufwärtstrends bleiben die tatsächlichen Investitionen derzeit noch deutlich hinter den angestrebten Volumina zurück.
Wenn wir auch nur in die Nähe der angestrebten Summen kommen wollen, müssen wir ihre Finanzierung stärker als bisher auf viele Schultern und Akteure verteilen. Tatsächlich setzt sich mittlerweile verstärkt die Erkenntnis durch, dass neben staatlichen Finanzierungen und Bankkrediten auch privates Kapital einzubeziehen ist.

Investitionen über öffentliche Garantien absichern
Aus Investorensicht ist die schwache Bonität von Infrastrukturprojekten oft ein entscheidendes Investitionshemmnis. Öffentliche Garantieinstrumente zur Verbesserung der Kreditqualität können hier eine Lösung sein. So können Investitionen privater Kapitalgeber abgesichert und das Rendite-Risiko-Profil einer Investition verbessert werden. In diesem Zusammenhang benötigt es auch neue Garantiestrukturen des Bundes – angelehnt an das europäische InvestEU-Programm – mit Fokus auf größere Marktgängigkeit. Der Vorteil einer solchen Garantiestruktur besteht auch darin, dass diese zwar als Eventualverbindlichkeit im Haushalt, nicht aber auf die aktuell kontrovers diskutierte Schuldenbremse anzurechnen wäre.
Wir plädieren bei öffentlichen Infrastrukturprojekten zudem für kooperative Partnerschaftsmodelle. Es zeigt sich regelmäßig, dass Kommunen dabei gegenüber einer konventionellen Beschaffung der öffentlichen Hand von einer höheren Projektdisziplin sowie größerer Termin- und Kostentreue profitieren. Dabei muss klar gesagt werden: Es geht hier nicht um eine Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur, sondern darum, private Akteure in die Realisierung und Finanzierung der Projekte einzubinden.

Kapitalmärkte ausbauen, Verbriefungen wiederbeleben
Im Unterschied zu den USA sind die Kapitalmärkte in Europa noch immer weniger integriert. Vor dem Hintergrund der enormen Investitionsbedarfe können wir es uns aber nicht mehr leisten, die zusätzlichen Finanzierungspotenziale der Kapitalmärkte ungenutzt zu lassen, zumal es gleichzeitig ein großes Interesse von Anlegern gibt, in „grüne“ Projekte zu investieren.

Derzeit nutzen vor allem große und international tätige Unternehmen die Kapitalmärkte zusätzlich zu einer Bankfinanzierung. Bei mittelständischen Unternehmen dominiert die klassische Bankfinanzierung. Das gilt auch für kleinere und kommunale Energieunternehmen, die oft nur einen eingeschränkten Kapitalmarktzugang haben. Beim Ausbau des hiesigen Kapitalmarkts liefert das im vergangenen Jahr verabschiedete Zukunftsfinanzierungsgesetz erste Impulse, soweit das national zu bewerkstelligen ist. Es bedarf aber noch deutlich größerer und vor allem europäischer Schritte.
Dies betrifft zum einen die europäische Kapitalmarktunion. Aktuell verhindern diverse Barrieren und die große Regulierungsdichte einen effizient funktionierenden europäischen Kapitalmarkt. Die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Kapitalmarkt innerhalb der EU sollten daher einer kritischen Durchsicht unterzogen werden. Wir halten die Stärkung der Kapitalmarktunion für ein Vorhaben, das mit Priorität in der nächsten Legislatur verfolgt werden muss. Die bisherigen Aktionspläne der EU-Kommission beinhalten gute und sinnvolle Ansätze, mündeten zuletzt aber immer wieder in neuen regulatorischen Vorgaben für die Kapitalmarktteilnehmer.

Ein zweiter Ansatz, der bei den Transformationserfordernissen entscheidend helfen kann, ist eine Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes. Als ein vermeintlicher Auslöser der globalen Finanzmarktkrise ab 2007 hängt Verbriefungen immer noch ein schlechter Ruf nach, unseres Erachtens zu Unrecht. Tatsächlich können sie als Brückeninstrument zwischen der Kreditfinanzierung vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen und dem Kapitalmarkt neue Finanzierungsquellen für die Energiewende und die Erneuerung öffentlicher Infrastrukturen erschließen. Zur Belebung des europäischen Verbriefungsmarkt plädieren wir daher für eine Überarbeitung des Rahmenwerks für Verbriefungen.
Die öffentlichen Banken werden bei der Transformationsfinanzierung weiterhin ein entscheidender Player sein. Dies gilt zuvorderst für die Förderinstitute des Bundes und der Länder. Es gilt aber auch für die Landesbanken und weitere öffentliche Institute, die mit ihrem speziellen Finanzierungswissen und ihrer Kapitalmarkterfahrung in der Lage sind, externe Investoren in die Finanzierung von öffentlicher Infrastruktur einzubinden.

Autoren: 

Iris Bethge-Krauß, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands
Dominik Lamminger, Mitglied der VÖB-Geschäftsleitung und Leiter des Geschäftsbereichs Förderbanken, Finanzierung und Arbeitgeberverband

Dieser Beitrag erscheint in der KOPO-Ausgabe 4/2024.
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