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Intelligente Wärme schlägt ideologisierte Vorgaben

Energiewende

Energiepolitik geht nicht ohne Zahlen, Daten und Fakten. Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, hat in der Vergangenheit, insbesondere seit der Jahrtausendwende, aber nicht immer eine große Rolle gespielt. Viele Probleme, die wir heute im Kontext des Krieges in der Ukraine diskutieren, sind in Wahrheit das Ergebnis der Energiepolitik der vergangenen 20 Jahre. Diese wiederum ist eine direkte Folge unserer Wirtschaftspolitik. Und da wir in einer globalisierten Welt leben, sind wir in all diesen Fragen nicht allein auf der Welt.

Was hat das mit Heizungen zu tun? Sehr viel. Erstens weil die Wärme-Debatte eine gesellschaftliche Debatte ist, die geführt werden muss. Es geht um Vernunft oder Blase, um soziale Gerechtigkeit, um Föderalismus versus Zentralismus, um Klimaschutz und um die Frage, wer Recht hat: Diejenigen, die zentralistisch die Technologie von morgen vorgeben wollen, oder diejenigen, die im Sinne der Subsidiarität und des christlichen Verständnisses der Eigenverantwortlichkeit darauf setzen, dass der Staat lenken und steuern muss, aber nicht in alle Bereiche des Lebens und der Wirtschaft eingreifen darf. Zweitens geht es um einen bedeutenden Teil des Energieverbrauchs in Deutschland – Energie, die wir an anderer Stelle dringender benötigen und die eingespart werden kann, ohne dass man hierfür neue Technologien erfinden müsste. Und drittens geht es um den ernstgemeinten Klimaschutz jedes Einzelnen: Große Aufgaben lassen sich nicht delegieren, weder an den Staat noch an die Weltgemeinschaft. Man muss sie selbst angehen.

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Haushalte sind nicht so klein wie man denkt – im doppelten Sinne


Auch wenn der einzelne Haushalt klein ist, spielt die Summe aller Haushalte eine entscheidende Rolle bei der Energiebereitstellung und beim Energieverbrauch. Rund ein Drittel der Primärenergie in Deutschland wird von Haushalten verbraucht, im Jahr 2020 waren das 344.000 Terrajoule (sämtliche Zahlen stammen vom Statistischen Landesamt sowie von Destatis). Vier Fünftel davon gehen in die Wärme. Wir können also viel über Lichtmanagement und intelligente Energiesteuerung in Häusern sprechen – Dreh- und Angelpunkt bleibt die Energiebereitstellung im Wärmebereich.

Im Durchschnitt hat ein Wohnquadratmeter in Baden-Württemberg aktuell einen Energieverbrauch
von 150 kWh. Der größte Energietreiber ist dabei die Flächengröße selbst: Während der Energieverbrauch bezogen auf die Fläche kontinuierlich zurückgeht – das Maximum lag mit 197 kWh im Jahr 1996, das Minimum mit 116 kWh je Quadratmeter im Jahr 2014, steigt die Fläche je Einwohner in Baden-Württemberg ungebremst weiter: Die durchschnittliche Pro-Kopf-Wohnfläche (44,6 m2/EW) ist trotz steigender Bevölkerungszahlen seit dem Jahr 2000 um 5,3 Quadratmeter oder um rund 13 Prozent gestiegen.

Bei der Wahl der Heizung könnte es bunter nicht sein. Baden Württemberg ist ländlicher geprägt als der Durchschnitt der Länder, außerdem spielt das Eigenheim eine größere Rolle als anderswo. Das spiegelt sich auch in den Vergleichswerten wider: Betrachtet man die bewohnten Wohnungen in Baden-Württemberg, so wurden im Jahr 2020 rund 43 Prozent mit Gas und rund 34 Prozent mit Öl beheizt. Der Energieträgermix im Land unterscheidet sich laut Statistischem Landesamt vom bundesweiten Mittel. Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil der mit Gas beheizten Wohnungen demnach mit 52 Prozent rund neun Prozentpunkte über dem Landesmittel. Dagegen liegt der Anteil für Heizöl rund elf Prozentpunkte, der für Holz und Strom jeweils 2 Prozentpunkte unter dem Wert in Baden-Württemberg.

Wohnungsbesitzer reagieren auf Diskussionen und den Markt


Dass die Menschen heute auf andere Technologien setzen als noch vor wenigen Jahren, zeigt sich in den Neuinvestitionen. Die sind maßgeblich für die Politik, denn: Die Frage ist nicht, für was sich die Menschen gestern entschieden haben, sondern wie man Anreize setzen muss, damit sie sich morgen anders, sprich: nachhaltiger entscheiden. Zwischen 2014 und 2018 hat die zur Heizung verwendete Energieart in bewohnten Wohnungen bei Fernwärme um knapp 22 Prozent und bei Umweltwärme (Wärmepumpen) um gut 17 Prozent zugenommen. Wohnungen in Gebäuden, die ab 2011 errichtet wurden, werden nur noch selten mit Heizöl, dafür zu 63 Prozent mit Wärmepumpen beheizt. An zweiter Stelle folgte mit rund 21 Prozent Gas und an dritter Stelle mit knapp 9 Prozent Fernwärme. Der Anteil der Gasheizungen wiederum sank im Jahr 2022 auf nur noch 14 Prozent. Das zeigt: Die Menschen reagieren sehr wohl auf Anreize und globale Änderungen.

Genau diese Änderungsbereitschaft der Bevölkerung muss die Politik nutzen. Deshalb haben wir in Baden-Württemberg den Katalog der nutzbaren Technologien zur Erfüllung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes auch erweitert und nicht eingeschränkt. Seit der Neufassung des Klimaschutzgesetzes sind nun auch biogene Flüssiggase als Erfüllungstatbestand erlaubt – dies ist insbesondere in ländlichen Bereichen wichtig. Dass ausgerechnet das nun in Vorbereitung befindliche GEG diesen Weg der Technologieoffenheit versperrt, ist aus baden-württembergischer Sicht nicht nachvollziehbar. Das alleinige Setzen auf „Electric-Only“-Lösungen, vor allem der Wärmepumpe, ist allein schon mit Blick auf die Strombereitstellung – Baden-Württemberg produziert nur noch die Hälfte des Stroms selbst, der Anteil der Erneuerbaren liegt weit unterhalb des Bundesschnitts, die Stromtrassen aus dem Norden werden erst gegen Ende des Jahrzehnts fertiggestellt sein – völlig unverständlich. Viele Verbraucher würden gerne auf Biomasse umstellen, sie trauen den Diskussionen auf Europäischer Ebene nicht, wo es vor allem Grüne, Linke und Sozialisten sind, die – konträr zur 65-Prozent-Forderung im GEG – ein Aus der Anerkennung von Biomasse als klimaneutral verlangen.

Bürger, Kommunen und Unternehmen sind seit Jahren auf dem Weg, das Thema Wärme klimaneutral und technologieoffen in den Griff zu bekommen. Neue Netze entstehen mit großer Solarthermie ebenso wie mit intelligenten Abwärmenutzungen, Wärmepumpen an Flüssen und Seen, in Verbindung mit Biogasanlagen oder mit tiefer und bodennaher Geothermie. Wir hoffen deshalb sehr, dass die Vernunft siegt, und dass der Bundesgesetzgeber anstatt auf investitionsabschreckende Erfüllungstatbestände lieber auf die einzige Währung setzt, die beim Klimaschutz eine Rolle spielt: CO2 pro bewohntem Quadratmeter und eingespartes CO2 pro eingesetztem Euro. Alles andere regeln Ingenieure, Konzepte, Bürger und der Markt.

Foto: © BdV/bildkraftwerk

Autor: Raimund Haser MdL, Umwelt- und Energiepolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg

Dieser Beitrag ist in der April-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO) erschienen.
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