Die flächendeckende ambulante Gesundheitsversorgung gerät zusehends unter Druck. Zwar richtet die Politik ihren Fokus aktuell auf den stationären Bereich und die Reform der Krankenhauslandschaft, aber auch mit Blickauf die ambulante haus- und fachärztliche Versorgung müssen die Weichen auf Zukunftsfestigkeit gestellt werden.
Die ambulante Versorgung in Deutschland steht vor einem Umbruch: 36 Prozent der Hausärztinnen und -ärzte sind über 60 und gehen in absehbarer Zeit in den Ruhestand. Gleichzeitig haben sich die Erwartungen an den Beruf der Ärztin beziehungsweise des Arztes gewandelt. Die tradierte selbstständige Niederlassung hat an Attraktivität verloren. Laut des diesjährigen Berufsmonitorings der KBV und dem Bundesverband der Medizinstudierenden können sich 90 Prozent der befragten Medizinstudentinnen und -studenten die Ausübung des Berufs in Anstellung vorstellen.
Diese Erkenntnisse sind wichtig, weil Politik und Selbstverwaltung die Sicherstellung der ambulanten Versorgung nur gewährleisten können, wenn sie solche Rahmenbedingungen schafft und fördert, die den gewandelten Erwartungen an den Arztberuf Rechnung tragen. Regulierungen, die die selbstständige Niederlassung in der Einzelpraxis forcieren, sind hier kontraproduktiv. Stattdessen brauchen wir Kooperationsmodelle und Praxisorganisationsformen, in denen arbeitsteiliges und kollegiales Arbeiten im Fokus stehen.
Medizinische Versorgungszentren und hier insbesondere MVZ-Gruppen können aufgrund der Organisationsstrukturen einen erheblichen Beitrag zur regionalen Versorgung beitragen. Das Bündeln von Ressourcen, die Vernetzung und Kooperation von Ärztinnen und Ärzten, die Arbeitsteilung innerhalb des MVZ zwischen verschiedenen Berufsgruppen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen es, flexibler und adäquat auf die gewandelte Notwendigkeit zu reagieren.
Bessere Versorgung in ländlichen Gebieten
Mit Nebenbetriebsstätten sichern sie auch die Versorgung in ländlichen Gebieten und sozialschwachen Stadtteilen. Die Praxis zeigt, dass es MVZ-Gruppen besser gelingt, Ärztinnen und Ärzte für die Arbeit in den Zweigpraxen zu gewinnen als dies wahrscheinlich über Landarztquoten und rein finanzielle Anreize der Kassenärztlichen Vereinigungen gelingen kann. Denn rein finanzielle Anreize motivieren Ärztinnen und Ärzte nicht mehr. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Die Abnahme von Bürokratie sowie die Niederlassung ohne die Risiken der Selbständigkeit können von Vorteil sein. Teilzeitangebote und die Sicherstellung des kollegialen Austausches innerhalb der Gruppe, auch wenn man in einer ländlichen Region arbeitet, können ebenfalls im Einzelfall überzeugen.
Dennoch können durch den aktuellen Engpass der medizinischen Fachkräfte nicht alle vakanten Stellen besetzt werden. Hinzu kommt, dass viele jüngere Ärztinnen und Ärzte aufgrund der Rahmenbedingungen und der Infrastruktur lieber eine Stelle in der Stadt als auf dem Land annehmen.
Die Politik muss daher geeignete Rahmenbedingungen setzten, um ansprechende Standortbedingungen zu schaffen. Eine entscheidende Rolle spielen hier unter anderem flexible Kinderbetreuungsangebote, damit sich junge Ärztinnen und Ärzte, die sich neben ihrem Beruf in der Phase der Familienplanung befinden, auf eine gesicherte Kinderbetreuung verlassen können. Ist dies nicht der Fall, fällt bereits hier oft der erste Dominostein, denn ohne eine soziale Infrastruktur und ohne wohnortnahe Gesundheitsversorgung ziehen auch andere Fachkräfte nicht in die Region, worunter wiederum die Standortattraktivität leidet.
MVZ-Gruppen sind nicht das Allheilmittel, aber eine Stellschraube, um die flächendeckende Gesundheitsversorgung auch in Zukunft sicherzustellen. Begleitet werden muss dies mit einer Modernisierung der Regulatorik: Telemedizinische Angebote, Delegation und gegebenenfalls Substitutionsmöglichkeiten ärztlicher Leistungen müssen diskutiert und sinnvoll umgesetzt werden.
Ärzte entscheiden über Qualität eines MVZ, nicht Gesellschafter
In der aktuellen Diskussion über MVZ wird aber so getan, als stammten die Probleme in der ambulanten Versorgung aus einer bestimmten Träger- oder Inhaberschaft. Diesen Gedanken halte ich für absurd. Ein „gutes“ MVZ macht sich nicht an den Gesellschaftern fest, sondern an den dort tätigen Ärztinnen und Ärzten. Es definiert sich über gut ausgebildetes medizinisches Fachpersonal, moderne Medizintechnik, effiziente Strukturen und Prozesse, Compliance-Regeln und ein etabliertes Qualitätsmanagement. Außerdem sind MVZ-Gruppen auch Kooperationspartner bei der sektorübergreifenden Versorgung und Träger der dringend benötigten Ambulantisierung.
Eine zielführende Diskussion wird nur gelingen, wenn wir der Realität ins Auge schauen. Die Demographie zwingt uns zu Lösungen. Ein regulatorischer Eingriff, der das Engagement von Kapitalgebern de facto verhindern würde, ändert nichts an den Notwendigkeiten. Vielmehr würde sie Lücken in die haus- und fachärztliche Versorgung reißen. Stattdessen brauchen wir ein Bekenntnis der Politik zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrages für die bestmögliche Versorgungsqualität der Patientinnen und Patienten.
Autorin: Sybille Stauch-Eckmann, Vorsitzende des Vorstandes beim Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren
Dieser Beitrag ist in der Dezember-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO) erschienen.
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