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Mit Pumpspeichern zur Energiewende

Energiewende

Gerade der Angriffskrieg auf die Ukraine hat Deutschland, der EU und auch der Welt nochmals mehr als deutlich vor Augen geführt, was Abhängigkeiten bei Energien bedeuten. Der Ausbau erneuerbarer Energien muss dringend forciert werden, um Energiesouveränität in den drei Sektoren Strom, Wärme und Mobilität möglichst weitgehend zu erreichen.

Mit wachsendem Anteil volatiler Energiequellen wird es gleichzeitig bedeutender, Erzeugung und Bedarf auszugleichen und stabil zu halten. Denn Sonnenstrom haben wir zunächst nur, wenn die Sonne scheint. Der Energiebedarf geht jedoch rund um die Uhr. Ein noch so langes oder dickes Kabel wird das Problem nicht lösen können. Technologien zu Energiespeicherung bieten das Potenzial diesen Herausforderungen zu begegnen. Energiespeicher sind zudem nicht wirklich neu. Bereits lange sind sie Bestandteil des Strommarkts, doch wachsen mit der Energiewende sie in neue Rollen und Bedeutung. Die ersten Pumpspeicherwerke (PSW) in Deutschland gehen auf ihr 100-jähriges Jubiläum zu und arbeiten teils seit der Inbetriebnahme nahezu ohne Unterbrechung. Mit über 30 Pumpspeicherkraftwerken verfügt Deutschland über mehr als 6 Gigawatt (GW) an Speicherkapazität. Damit stellen sie über 90 Prozent der aktuellen Speicherkapazität in Deutschland dar.

Foto: © Aufwind-Luftbilder – stock.adobe.com

Wasserkraft als Speicher


PSW nutzen Wasser sowie Schwerkraft zur Speicherung elektrischer Energie. In Zeiten geringer Nachfrage oder „zu viel“ Energie im System, wird Wasser in einen höher gelegenen Stausee gepumpt. In Zeiten hoher Nachfrage und „zu wenig“ Energie im System, fließt das Wasser bergab, um eine Turbine anzutreiben und Strom ins Netz einzuspeisen. Der Gesamtzyklus aus Laden und Entladen bietet einen Wirkungsgrad von bis zu 80 Prozent. Somit gelten Pumpspeicher als hocheffiziente Speichertechnologie.

Bei regelmäßiger Wartung ist die Lebensdauer der Pumpspeichertechnik praktisch unbegrenzt. Bisher ist weltweit kein Fall bekannt, in dem ein größerer PSW aufgrund seines Alters außer Betrieb genommen wurde. Langer Betrieb erfolgt nahezu ohne weiteren Einsatz von Energie und damit Emissionen und leistet damit einen deutlichen Beitrag zu den Klimazielen – agil, flexibel, effizient.

Neben der Energiespeicherung können Pumpspeicher Funktionen im Bereich Wasserressourcen-Management und Hochwasserschutz übernehmen, zum Beispiel als Havarie-Wasserreservoir dienen.

PSW sind bislang die einzige, langfristig technisch erprobte und kostengünstige Form, um Energie im großen Maßstab zu speichern und kurzfristig bereitzustellen. So kann etwa der größte Pumpspeicher Deutschlands im thüringischen Goldisthal allein so viel Leistung bereitstellen wie ein typisches Kernkraftwerk. Der Einsatz der Pumpspeicherung macht die Volatilität der erneuerbaren Erzeugung beherrschbarer und ermöglicht so die Abkehr von fossilen Brennstoffen sowie von Atomkraft.

China baut 23 neue Pumpspeicher


Der rapide Ausbau volatiler erneuerbarer Energien treibt den Bedarf an PSW weltweit voran. Allein in China wurden zwischen 2015 und 2021 insgesamt 23 Pumpspeicher mit einer Gesamtleistung von 33,7 GW in Auftrag gegeben. Norwegen, das über die größte installierte Wasserkraftkapazität in Europa verfügt, hat sie im Jahr 2021 um 396 Megawatt (MW) erhöht. Rund 70 MW davon entfallen auf die Modernisierung bestehender Anlagen. Deutschland profitiert zudem von der norwegischen Wasserkraft: 2021 ist das Stromkabel Nordlink zwischen beiden Ländern in Betrieb gegangen.

In Portugal soll bis 2030 der Wasserkraftwerkskomplex Tâmega mit Gesamtleistung von 1,2 GW in Betrieb gehen. Das Projekt umfasst drei Kraftwerke, darunter der Pumpspeicher Gouvães. Nach ihrer Fertigstellung soll die „Giga-Batterie“ von Tâmega zwei Millionen portugiesische Haushalte einen ganzen Tag lang versorgen können. Außerdem werden zwei Windparks mit einer Gesamtleistung von 300 MW errichtet, die als Hybridsystem mit dem Tâmega-Komplex verbunden werden.

Netzausbau ist kein Allheilmittel


Mit dieser Entwicklung muss Deutschland auch Schritt halten: Der Netzausbau allein kann die Flexibilität zum Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch nicht gewährleisten. Es gibt genug Potenzial für weitere Pumpspeicherprojekte im Land. Allerdings kann ihr Potenzial immer noch nicht voll realisiert werden. Das größte Hindernis ist der unpassende rechtliche Rahmen: Das deutsche Energierecht kennt die Energiespeicherung als selbstständiges Element des Energiesystems nicht. Es ordnet Speicher nach wie vor als Erzeuger und als Verbraucher ein, anstatt den Vorgang der Energiespeicherung als die Verschiebung von Energie in der Zeitebene – so wie es auch im EU-Recht vorgesehen ist. Doppelte Abgaben und Besteuerung sowie erschwerte Genehmigungsprozesse für PSW-Anlagen sind in Deutschland das größte Hindernis.

Die Genehmigung neuer PSW-Projekte verzögert sich häufig um bis zu 10 Jahre oder führt gar zum Abbruch. Zugleich entstehen dabei bereits Kosten in Millionenhöhe. So wurde der geplante Pumpspeicher Atdorf im Schwarzwald im Jahr 2017 aufgegeben. Als Licht im Dunkeln positioniert sich derzeit allein das geplante Pumpspeicherwerk Rio der Stadtwerke Trier, welches regional erzeugten Strom speichern und ausregeln soll.

Ein systematischer Ausbau und Einsatz der Speichertechnologien benötigt dringend eine klare Definition der Energiespeicherung als eigenständige Säule im Energiesystem neben Erzeugung, Transport und Verbrauch. Die neue Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag festgelegt, die Energiespeicherung endlich rechtlich zu definieren. Jedoch blieb die versprochene Definition in bisherigen Gesetzinitiativen aus. Zugleich werden die von Energiespeichern erbrachten Systemdienstleistungen auch nicht entsprechend ihrer Bedeutung für den stabilen Netzbetrieb adäquat vergütet.

Essenziel ist die Entbürokratisierung und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Nur mit systematischem Ansatz beim regulatorischen Rahmen wird die Energiewende zum Erfolg. Und nur mit Speichern kann sie funktionieren.

Foto: © BVES

Autor: Urban Windelen, Geschäftsführer Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V.

Dieser Beitrag ist in der Juli/August-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO) erschienen.

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