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Der kommunale Schatz unter der Erde

Klimaschutz, Versorgung, Wirtschaft

Die Gasversorgung ist aktuell in aller Munde mit bislang ungekannten Preisturbulenzen, deren Auswirkungen erst zu einem kleinen Teil bei den Endverbrauchern angekommen sind und der berechtigten Sorge vor einer Gasmangellage. Weithin unbeachtet bleibt dabei die für die Kommunalpolitik wichtige Frage der Zukunft der Gasverteilnetze. Diese liegen vielerorts im Eigentum von Stadtwerken und sind damit nicht nur örtliche Infrastruktur, sondern auch eine bedeutende kommunale Vermögensposition.

Rund 500.000 Kilometer Gasverteilnetz in Deutschland bilden ein vielfaches Milliardenvermögen. Nicht selten bildet das Anlagegut Gasnetz in den Stadtwerkebilanzen einen Wert in der Größenordnung des gesamten Eigenkapitals. Diesem unter den Straßen unserer Städte und Gemeinden liegenden Schatz droht künftig die Entwertung, jedenfalls wenn man Stimmen aus der Ampel-Bundesregierung folgt wie jüngst Patrick Graichen, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): „Natürlich ist im Jahr 2045 da kein Gas mehr in den Netzen“. Damit verband der grüne Staatssekretär die Forderung nach Rückbau der Gasnetze auf kommunaler Ebene.

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Klar ist, dass Klimaneutralität, welche in Deutschland für 2045 gesetzlich – und auch einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgend – festgeschrieben ist, mit Erdgas nicht zu erreichen ist. Denn Erdgas weist eine CO2-Emission von rund 200 Gramm je Kilowattstunde (kWh) auf und wird somit spätestens 2045 auch aus den Verteilnetzen verschwunden sein und bis dahin ausphasen.

Das Gasnetz auf dem Transformationspfad


Das ist aber nicht zwingend gleichbedeutend mit einer Entwertung der Verteilnetze, denn diese könnten auch nach 2045 potentiell noch genutzt werden, um klimaneutrale Gase wie Biogas und grünen, also mittels regenerativen Stroms gewonnenen, Wasserstoff zu transportieren.

Auf europäischer Ebene besteht hingegen bislang die Vorstellung, dass die Betreiber von Gasnetzen und Wasserstoffnetzen streng getrennt werden sollen. Das würde allen Gasnetzbetreibern eine H2-Netz-Zukunft vorenthalten. Eine schwerwiegende Belastung und Einschränkung der Geschäftstätigkeit auch der kommunalen Gasnetzbetreiber und in der Folge auch ihrer kommunalen Eigentümer. Immerhin könnte man die vorhandenen Gasnetze auch als „Netze in Transformation“ begreifen und damit eine Entwicklung zu zukunftsfähigen, weil klimaneutralen Wasserstoffnetzen immerhin offenhalten. Deshalb ist auch die Bundesregierung dringend aufzufordern, einer so angelegten Sackgasse frühzeitig entgegenzuwirken. Eine dahingehende Vorfestlegung erscheint in Anbetracht vieler offener Fragen generell unangebracht.

So ist heute keinesfalls sicher, inwieweit künftig klimaneutrale Gase für das Heizen von Wohnungen genutzt werden. Strombetriebene Wärmepumpen sind jeglicher Verbrennung in Heizkesseln weit überlegen, indem sie aus einer kWh Strom 4 kWh Wärme erzeugen können; allerdings nur in Neubauten und im sanierten Bestand. Für andere Bestandsimmobilien und damit die ganz überwiegende Zahl insbesondere der Wohngebäude wird auch in einer klimaneutralen Zukunft ab 2045 voraussichtlich eine Form der leitungsgebundenen Wärmeversorgung benötigt. Unklar ist noch, welche das sein wird.

Die Wärmeversorgung klimafreundlich und technologieoffen weiterentwickeln


Hierzu existieren zwei völlig gegenläufige Denkschulen: Naheliegend erscheint es, die vorhandenen Erdgasnetze so zu ertüchtigen, dass sie Wasserstoff transportieren können („H2-ready“), was für große Teile bereits heute gilt. So könnte vorhandene Infrastruktur fortgesetzt genutzt werden. Demgegenüber steht die Favorisierung von künftig klimaneutraler Fernwärme, die etwa aus industrieller Abwärme oder Großwärmepumpen stammen könnte. Insbesondere unter Verweis auf den Mangel an grünem Wasserstoff.

Tatsächlich wird der erst noch anstehende Hochlauf von grünem Wasserstoff insbesondere in der Industrie dringend benötigt, um die dort nötige Prozesswärme und die Produktion von Stahl, Zement und vielen Chemieprodukten in CO2-neutraler Weise zu ermöglichen. Vielfach wird auch von Wasserstoff als „Champagner der Energiewende“ gesprochen, um zu veranschaulichen, dass es sich um ein knappes Gut handelt, das sorgsam nur dort eingesetzt werden soll, wo es keine klimaneutrale Alternative gibt.

Nun ist grüner Wasserstoff auch nicht ausschließlich in Deutschland zu erzeugen. Der hier verfügbare Strom aus Photovoltaik (PV) und Wind wird schließlich auch für eine wachsende Zahl anderer Nutzungen insbesondere in der Elektromobilität oder für Wärmepumpen benötigt und steht damit für die Wasserstoffgewinnung jedenfalls nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Allerdings kann der Wasserstoff auch entgegen falsch verstandenem Autarkiebedürfnis (die Bundesrepublik Deutschland war nie energieautark) auch importiert werden. Eine Abhängigkeit, wie von russischem Erdgas steht dabei nicht zu befürchten, denn ein Blick auf die Weltkarte zeigt lauter Länder, mit weniger Flächenkonkurrenz sowie mehr Sonne und Wind als Deutschland, die bestens geeignet wären, den wachsenden Wasserstoffbedarf zu bedienen. Heute ist nicht absehbar, wie schnell sich der Hochlauf einer weltweiten Wasserstoffproduktion gestalten wird und ob Wasserstoff nicht doch noch zum „Tafelwasser der Energiewende“ wird.

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Gerade weil es noch so viele Ungewissheiten über die Entwicklung bis 2045 gibt, die auch vielfach durch politische Festlegungen allein nicht determiniert werden können, sondern von einer Vielzahl heute oft noch unbekannter Faktoren (so auch dem technischen Fortschritt) bestimmt werden, erscheint es anmaßend, sich auf einen bestimmten Weg festzulegen. Dass dieser Weg sich vielerorts frontal gegen kommunale Interessen richtet, muss besonders bekümmern, wenn man weiß, welche entscheidende Bedeutung für das Erreichen der Klimaziele den Kommunen zukommt.

Kommunale Wärmeplanung verpflichtend einführen


Denn die Vielgestaltigkeit der Situation vor Ort wird auch lokal individuelle Antworten erfordern. Das gilt sogar in ganz besonderer Weise für eine gelingende Wärmewende, weshalb die kommunale Wärmeplanung (wie in Baden-Württemberg bereits verankert) ein wichtiges Instrument ist. Es wird aber auch darauf ankommen, dass diese nicht unverbindlich bleibt, sondern den Kommunen auch die Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Planung zur Verfügung stehen. Schließlich ist es inkonsequent, wenn man zwar den Gasnetzen eine Lebensdauer über 2045 abspricht, sich das indes nicht in der Regulierung wiederfindet. Dann müsste es den Gasnetzbetreibern auch gestattet werden, die Vollabschreibung innerhalb der nächsten 22 Jahre in den Netzentgelten zu berücksichtigen und das auch nicht erst, wenn die Grundgesamtheit der Erdgaskunden bereits erodiert ist und sich der Schmerz nur noch auf einen Bruchteil der heutigen Netzkunden erstreckt.

Insgesamt ist der Politik auf allen Ebenen von vorschnellen Vorfestlegungen abzuraten und stattdessen Technologieoffenheit anzuempfehlen. Das bedeutet keinesfalls Zögerlichkeit, denn es gibt genug zu tun, von dem feststeht, dass diese Maßnahmen jedenfalls weiterführend sind: der Ausbau von Netzen, von PV und Windenergie beispielsweise, was insbesondere eine Verfahrensbeschleunigung erfordert. Kommunalen Gasnetzen die Zukunftsfähigkeit zu nehmen und sie zur Wertlosigkeit zu verurteilen gehört indes nicht zu solchen „no-regret-Maßnahmen“ und könnte sich auf der Suche nach dem besten Weg zur Klimaneutralität noch rächen.

Die ungewisse Zukunft des Gasnetzes hat auch die Mitglieder des Bundesvorstandes und des Hauptausschusses der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV) auf ihrer letzten Sitzung beschäftigt. Aus den Beratungen ist ein Diskussionspapier hervorgegangen, das konkrete Vorschläge für Kommunalpolitikerinnen und -politiker enthält, wie das Thema in den betroffenen Städten, Gemeinden und Kreisen behandelt werden kann. Mehr dazu lesen Sie hier.

Foto: © Magdalena Hilling
Foto: © Prof. Dr. Sven-Joachim Otto

Autoren: Lars Martin Klieve ist kfm. Vorstand der Stadtwerke Essen AG und Bundesschatzmeister der KPV der CDU und CSU Deutschlands.
Prof. Dr. Sven-Joachim Otto ist Partner bei EY Law, Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum sowie Landesvorstandsmitglied der KPV NRW.

Dieser Beitrag erscheint in der Juli/August-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO).

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