Eine aktuelle Studie der Universitäten Mainz und Zürich weist die Auswirkung der Nachrichtenberichterstattung über Populismus auf die Nutzer nach. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der Universität Zürich sind in einer sehr aufwendigen Studie der Frage nachgegangen, ob sich die Verbreitung populistischer Ideen über die Massenmedien tatsächlich auf die Haltung der Nutzer auswirkt, wie häufig behauptet wird.
Die Kommunikationsforscher haben dazu 7.119 Artikel in Printmedien analysiert und 2.338 Leser in vier europäischen Regionen zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten nach ihrer politischen Meinung befragt. Ein größerer Anteil populistischer Statements in der Nachrichtenberichterstattung hat demnach zur Folge, dass sich die bereits vorhandene Meinung der Leser noch verstärkt, das heißt sowohl die Zustimmung, als auch die Ablehnung von populistischem Gedankengut nehmen zu. Auch wenn die Ergebnisse regionale Unterschiede aufweisen, lässt sich nach Ansicht der Wissenschaftler grundsätzlich festhalten, dass der Transport populistischer Ideen durch die Medien zu einer Spaltung der Gesellschaft beiträgt.
„Wir gingen von der Hypothese aus, dass die Zustimmung zu populistischem Gedankengut generell zunimmt, je mehr diese Ideen in den Medien vorkommen“, erklärt Dr. Philipp Müller vom Institut für Publizistik der JGU. Tatsächlich geht der Effekt jedoch in beide Richtungen. „Die unterschiedlichen Menschen werden in ihrer vorhandenen Meinung bestärkt, je nachdem ob sie dem Populismus eher zustimmen oder ihn eher ablehnen. Das lässt sich statistisch eindeutig nachweisen.“
Alte Lagergrenzen verschwinden, neue Grenzen gehen auf
Fanden sich nur wenige populistische Aussagen im individuellen Medienmenü eines Lesers, dann hat sich die Einstellung zwischen den zwei Befragungszeitpunkten im April 2014 und im März 2015 kaum geändert. Auch dieser Befund untermauert das Gesamtergebnis, wonach die Medienberichterstattung einen Einfluss hat und das Aufgreifen populistischer Ideen durch die Medien populistischen politischen Akteuren dabei hilft, die öffentliche Meinung in ein pro- und anti-populistisches Lager zu spalten.
„Die gute Botschaft ist, dass viel Berichterstattung über Populismus auch viel Ablehnung erzeugt – allerdings nur unter denjenigen, die dem Populismus ohnehin schon skeptisch gegenüberstehen“, so ein Resümee. Müller merkt aber auch an, dass die Ergebnisse in einem größeren Kontext zu sehen sind, nämlich der Polarisierung der Gesellschaft in den USA und vermehrt auch in Europa. Diese Polarisierung findet nicht mehr unbedingt zwischen den traditionellen politischen Parteien statt, sondern richtet sich generell gegen das Establishment. „Die Spaltung in der Gesellschaft verläuft damit an einer neuen Stelle“, so Müller. Establishment-Befürworter rücken näher zusammen und finden ungeahnte Schnittstellen, während die Gegner des Establishments der herrschenden Elite äußerst kritisch gegenüberstehen und dementsprechend Verschwörungstheorien anhängen.
„Die Medien helfen den Populisten dabei, diese Spaltung der Gesellschaft voranzutreiben“, fasst Müller zusammen. Dies trägt zur Fragmentierung der Gesellschaft, zur sozialen Desintegration und wachsenden Konflikten bei.
Die Studie „The Polarizing Impact of News Coverage on Populist Attitudes in the Public: Evidence From a Panel Study in Four European Democracies” wurde von Mitarbeitern des Instituts für Publizistik der JGU und des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich erstellt und im Journal of Communication veröffentlicht.