Der Bundesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK), Thomas Rachel MdB, bedauert, dass das in der letzten Woche veröffentlichte „Kopftuch-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichtes (BVG) viele offene Fragen hinterlässt:
„Die jeweiligen Landesgesetzgeber, die in Folge des alten BVG-Urteils klare und handhabbare Regelungen geschaffen haben, stehen jetzt im Grunde genommen vor einer politischen 180-Grad-Wende. Bei der aktuellen Urteilsbegründung des BVG ist keineswegs hinreichend ersichtlich, was nun eigentlich zu dieser grundsätzlichen Revision der juristischen Einschätzung von 2003 geführt haben soll. Wenn jetzt beispielsweise festgestellt wird, dass vom Tragen eines islamischen Kopftuches in der Schule „für sich genommen noch kein werbender oder gar missionarischer Effekt“ ausgehe, dann ist gerade dies – vor dem Hintergrund eines zunehmenden Drucks auf liberal erzogene muslimische Schülerinnen sowie der wachsenden Bedrohung durch den Islamismus – durchaus zweifelhaft.
Es ist bei einem so umstrittenen politisch-religiösen Symbol wie dem des Kopftuches keineswegs überzeugend, hier nur von einer „abstrakten“ Gefahr für den Schulfrieden zu sprechen. Das demonstrative Tragen des Kopftuches einer muslimischen Lehrerin im schulischen Unterricht kann nämlich sehr wohl als grundsätzliches Problem für die gebotene religiöse, politische und weltanschauliche Neutralität bzw. die negative Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler betrachtet werden, so wie es auch in dem abweichenden Votum der Richter Schuckebier und Hermanns deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Wenn sich die Schulen des Weiteren von nun an selbst genötigt sehen, mögliche Konflikte im Einzelfall zu lösen, so dürfte dies in vielen Fällen eine völlige Überforderung darstellen. Es besteht außerdem die Gefahr, dass es eine unübersichtliche Zahl unterschiedlichster Regelungen gibt, und z.B. in Osnabrück bald etwas anderes gilt als vielleicht in Münster.
Nicht widerspruchsfrei erscheint dieses Urteil schließlich auch im Spiegel des ‚Kruzifix‘-Urteiles von 1995: Betont man jetzt im Hinblick auf ein ‚pauschales‘ Kopftuch-Verbot die unzumutbare Einschränkung der positiven Religionsfreiheit der einzelnen Lehrerin, so hat man damals im Hinblick auf das Entfernen des Kreuzes an der Wand der Bayerischen Volksschule noch den Schutz der negativen Religionsfreiheit in den Mittelpunkt gestellt.“